Die FDA bieten Herstellern an, sogenannte recognized consensus standards bei der Zulassung ihrer Produkte zu nutzen.
Die US-Behörde hat zu diesen consensus standards ein „Guidance“ Dokument veröffentlicht, das Ihnen dieser Artikel vorstellt.
Er beschreibt zudem die Voraussetzungen für die Anwendung der „Standards“ und die Vorteile für Hersteller, weist aber auch auf typische Fehler hin.
Sie finden auf der Webseite der FDA dieses Guidance Document “Appropriate Use of Voluntary Consensus Standards in Premarket Submissions for Medical Devices”.
Consensus Standards: Ein Überblick
1. Consensus Standards sind (fast) immer freiwillig
Medizinproduktehersteller können aber müssen diese Normen nicht nutzen. Diese Freiwilligkeit gilt bis auf wenige Ausnahmen: Einige Gesetze enthalten eine „Incorporation by reference“ wie der 21 CFR part 830.10, der konkrete Normen zur Codierung der UDI fordert.
2. Konformität mit Consensus Standards reicht nicht aus
Die Hersteller dürfen die Konformität mit Normen selbst erklären in Form einer Declaration of Conformity (DoC). Die FDA macht allerdings klar, dass diese Konformität für eine Zulassung noch nicht notwendigerweise hinreichend ist.
Das ist vergleichbar mit den für die EU-Richtlinien harmonisierten Normen. Deren Anhänge Z legen dar, welche Anforderungen der Richtlinien bei Konformität mit der Norm nachgewiesen, welche teilweise und welche gar nicht nachgewiesen sind.
3. Beispiele
Beispiele für diese recognized consensus standards sind die folgenden Normen
Die FDA hat alle „Standards“ in einer Datenbank veröffentlicht.
4. 514(c) bildet den gesetzlichen Rahmen
Die regulatorischen Basis liefert der Food, Drug & Cosmetic Act in Section 514(c). Dieser schreibt, dass die FDA
“shall, by publication in the Federal Register […] recognize all or part of an appropriate standard established by a nationally or internationally recognized standard development organization for which a person may submit a declaration of conformity in order to meet a premarket submission requirement or other requirement […].”
Die FDA erläutert auch, was unter “recognize” zu verstehen sei:
“The term “recognize” in section 514(c) of the FD&C Act refers to FDA’s formal identification of a standard after a determination that it is appropriate for manufacturers of products to declare conformance to meet relevant requirements in the FD&C Act, including premarket submission requirements.“
Vorteile von Consensus Standards für Hersteller
1. Schnellere Zulassung
Die FDA stellt in Aussicht, dass die Zulassung schneller erfolgen kann, wenn Hersteller die recognized consensus standards befolgen:
“When used appropriately, consensus standards will typically reduce the amount of documentation that a submitter needs to provide and may reduce FDA review time.“
2. Weniger Dokumentation einreichen
Mit der Konformitätserklärung ersparen sich Hersteller häufig, die komplette Dokumentation einreichen zu müssen. Allerdings stellt die FDA klar, dass viele Normen zu allgemein sind, um den Beweis hinreichend führen zu können. Als Beispiel nennt sie die ISO 14971.
In diesen Fällen fordert die Behörde doch weitere Unterlagen wie Testberichte an. Sie verzichtet i.d.R. auf diese Unterlagen nur, wenn die Norm klare Prüfvorschriften und Akzeptanzkriterien definiert. Diese legt selbst die IEC 60601-1 nur teilweise fest.
Testmethode festgelegt | Akzeptanzkriterien festgelegt | Vollständigen Testbericht einreichen? |
---|---|---|
Ja | Nein | Nein, aber Zusammenfassung |
Nein | Ja | Nein, ergänzende Informationen |
Ja | Ja | Nein |
Nein | Nein | Ja |
3. Für alle Zulassungsverfahren nutzbar
Hersteller dürfen diese consensus standards bei allen Zulassungsverfahren nutzen wie z.B.
- Klassische Premarket Notification (PMN) gemäß 510(k)
- Sonderformen der 510(k) wie die “abbreviated 510(k)” oder die “special 510(k)”
- De Novo request
- Investigational Device Exemption (IDE) application
- Premarket Approval (PMA) application
- Humanitarian Device Exemption (HDE) application
Typische Fehler von Herstellern
1. Falsche Versionen der Consensus Standards nutzen
Die FDA veröffentlicht in ihrer „Recognized Consensus Database“ die Normen in den jeweiligen Versionen, die sie anerkennt.
Diese Versionen sind nicht immer die neusten verfügbaren Versionen der Normen. Beispielsweise hat im Jahr 2016 die ISO 14971 in der Version 2007(!) und nicht 2012 anerkannt (s. Abb. 2)
2. Übersehen, dass die Norm nicht oder nur Teile der Norm anerkannt sind
Die FDA behält sich vor, nur Teile der Norm anzuerkennen. Die Datenbank gibt hierzu Auskünfte. Im Fall der ISO 14971 ist das die ganze Norm (s. Abb. 2).
Hersteller sollten auch sicherstellen, dass ihr Produkt überhaupt im Anwendungsbereich der jeweiligen Norm liegt.
Die FDA unterscheidet zudem zwischen consensus standards und recognized consensus standards. Nur letztere veröffentlicht sie in ihrer Datenbank, und nur zu letzteren dürfen Hersteller eine Konformitätserklärung abgeben. Diese muss zudem die „Anerkennungsnummer“ der jeweiligen Norm enthalten.
3. Hersteller erfüllt nicht die ganze Norm
Erklärt der Hersteller die Konformität mit einem consensus standard, erwartet die FDA volle Konformität. Die FDA betont, dass eine ungerechtfertigte Konformitätserklärung als Fälschung angesehen und geahndet wird.
4. Hersteller beweist die Konformität nicht ausreichend
Diese Konformität ist durch entsprechende Prüfungen nachzuweisen. Entsprechende Testergebnisse müssen die Hersteller vorlegen (s.o.). Die FDA besteht darauf, dass die Hersteller die Prüfungen mit dem endgültigen Produkt („finished device“) durchführen.
Wie in vielen Fällen bietet die FDA an, mit ihr Rücksprache zu halten, z.B. in Form eines Pre-submission Meetings.
Lesen Sie hier mehr zum Thema Pre-Submission Meetings.
Übergangsfristen
1. FDA erklärt Version einer Norm für ungültig
Die FDA prüft ca. zweimal jährlich die Aktualität der recognized consensus standards. Dabei ersetzt sie regelmäßig alte durch neue Versionen der Normen. Den Herstellern erlaubt die Behörde dann meist Übergangsfristen. Beispielsweise gibt es eine solche Übergangsfrist im Jahr 2018 für die IEC 60601-1-2:
„FDA recognition of IEC 60601-1-2 Edition 3:2007-03 [Rec#19-1] will be superseded by recognition of IEC 60601-1-2 Edition 4.0 2014-02 [Rec#19-8]. FDA will accept declarations of conformity, in support of premarket submissions, to [Rec#19-1] until December 31, 2018. After this transition period, declarations of conformity to [Rec#19-1] will not be accepted.“
Wenn die FDA eine Norm nach der Zulassung ändert, erwartet die FDA keine Neueinreichung. Die Konformitätserklärung (DoC) bleibt gültig. Allerdings können sich neue Produkte bei einem 510(k)-Verfahren nicht auf dieses Produkt mit seiner DoC beziehen. Diese neuen Produkte müssen die jeweilig aktuellen Versionen erfüllen.
2. Hersteller möchte eine neuere als die derzeit gültige Version einer Norm nutzen
Möchten Hersteller eine neuere Version einer Norm nutzen, empfiehlt die FDA, mit ihr Kontakt aufzunehmen und ihr die Unterschiede zu erläutern.
Apropos: Es steht jedem offen, einen neuen Standard (z.B. neue Norm) der FDA vorzuschlagen. Mehr dazu finden Sie auf der Webseite der FDA beschrieben.
Fazit
Die recognized consensus standards helfen den Herstellern regelmäßig, den Zulassungsprozess in den USA zu vereinfachen und zu beschleunigen. Doch Einhaltung dieser Normen kann auch tückisch sein:
Zum einen prüft die FDA wie im Fall der IEC 62304 die Konformität zusätzlich zu den eigenen Vorgaben. Im Fall der Software prüft sie beispielsweise die Konformität mit den Vorgaben des Software Validation Guidance Documents.
Zum anderen können die Hersteller nur Teile der Anforderungen damit als erfüllt erklären. Die gleiche Beweissicherheit und eine vergleichbar hohe Abdeckung der regulatorischen Anforderungen durch die Normen wie in Europa gibt es in den USA nicht.
Planen die Hersteller die Zulassung in anderen Ländern als den USA, bleibt die Konformität mit den Normen – in Europa den harmonisierten Normen – meist alternativlos.