Die Krankenkassen erstatten ihren Versicherten die Kosten für Hilfsmittel. Weil Hilfsmittel oft auch Medizinprodukte sind, bietet sich einigen Medizinproduktherstellern die Chance einer weiteren Einnahmequelle.
Welche Medizinproduktehersteller von der „Erstattung“ ihrer Produkte als Hilfsmittel profitieren und welche fünf Schritte die Hersteller dafür gehen müssen, beschreibt dieser Artikel.
In dieser Podcast-Episode diskutieren Norbert Kamps, Lea Wettlaufer und Christian Johner über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Medizinprodukten und Hilfsmitteln, über den Weg ins Hilfsmittelverzeichnis und die häufigsten Fehler, die bei und die nach der Aufnahme in dieses Verzeichnis unterlaufen.
Diese und weitere Podcast-Episoden finden Sie auch hier.
1. Schritt: Herausfinden, ob das Medizinprodukt ein Hilfsmittel ist
Paragraf 33 SGB V billigt den gesetzlich Versicherten einen Anspruch auf eine Versorgung mit Hilfsmitteln zu. Das ist eine Sachleistung.
Daher sind viele Hersteller daran interessiert, dass die Kassen ihr Produkt als Hilfsmittel „akzeptieren“. Dazu muss das Produkt der Definition des Begriffs „Hilfsmittel“, den festgelegten Zielen von Hilfsmitteln und weiteren Kriterien genügen.
a) Definition und Ziele von Hilfsmitteln
Hilfsmittel sollen dazu beitragen,
- den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern (§ 33 SGB V),
- einer drohenden Behinderung vorzubeugen (§ 33 SGB V und § 47 SGB V)
- eine bereits vorhandene Behinderung auszugleichen (§ 33 SGB V und § 47 SGB V) oder
- eine Pflegebedürftigkeit zu vermeiden (§ 47 SGB V).
Ein Anspruch kann auch im Rahmen von medizinischen Vorsorgeleistungen bestehen – z.B., um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden (§ 11 SGB V, § 23 SGB V). Hilfsmittel sind zudem abzugrenzen von den pflegeerleichternden Pflegehilfsmitteln nach § 40 SGB XI.
b) Beispiele für Hilfsmittel
Beispiele für Hilfsmittel sind
- Sehhilfen (z.B. Brillen)
- Hörgeräte
- Prothesen
- Orthesen
- Inkontinenzhilfen
- Absauggeräte
- Kompressionsstrümpfe
- Rollstühle
- Messgeräte wie Blutdruckmessgeräte
- Produkte zum Einbringen von Arzneimitteln in den menschlichen Körper, z.B. Spritzen, Inhalationsgeräte oder Applikationshilfen
Eine umfassende Liste von Hilfsmitteln findet sich im Hilfsmittelverzeichnis.
d) Abgrenzung von Medizinprodukt und Hilfsmittel
Die Klassen der Medizinprodukte und der Hilfsmittel überschneiden sich.
Medizinprodukte, die keine Hilfsmittel sind
Viele Medizinprodukte sind keine Hilfsmittel. Dazu zählen insbesondere Produkte, die (nur) für die Anwendung durch medizinisches Fachpersonal vorgesehen sind. Beispiele dafür sind Röntgengeräte, OP-Tücher, klinische Informationssysteme und Laborgeräte.
Produkte, die Medizinprodukte und Hilfsmittel sind
Die Definition des Begriffs Medizinprodukt überlappt mit der Definition des Begriffs Hilfsmittel. Produkte, die Krankheiten, Behinderungen und Verletzungen behandeln oder lindern, sind definitionsgemäß Medizinprodukte.
Daher sind Rollstühle, Blutdruckmessgeräte, Prothesen und Absauggeräte Beispiele für Hilfsmittel, die auch Medizinprodukte sind.
Hilfsmittel, die keine Medizinprodukte sind
Es gibt Produkte, die vom Hersteller nicht mit einer Zweckbestimmung versehen sind, die eine Qualifizierung des Produkts als Medizinprodukt rechtfertigen würde, die aber dennoch als Hilfsmittel zählen können.
Ein Beispiel sind Toilettensitze. Blindenführhunde zählen ebenso zur Klasse der Hilfsmittel, aber nicht zu den Medizinprodukten.
e) Fazit
Medizinproduktehersteller, die herausfinden wollen, ob ihr Produkt auch ein Hilfsmittel ist, sollten prüfen, ob dieses den folgenden Kriterien genügt: Das Produkt
- fällt in eine der Kategorien des Hilfsmittelverzeichnisses. Falls dies nicht der Fall ist, ist es unwahrscheinlich, dass die Krankenkassen das Produkt den Versicherten bereitstellen müssen.
- ist im 34 SGB V nicht explizit als Hilfsmittel ausgeschlossen (wie alle nicht verschreibungspflichtigen und viele verschreibungspflichte Arzneimittel),
- zählt nicht zu den „allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens“,
- ist bei einer Krankenbehandlung im Einzelfall und nicht immer erforderlich, um die unter a) genannten Ziele zu erreichen,
- wird vom Nutzer und/oder seinen Betreuungspersonen selbstständig oder selbstbestimmt in seinem Sinne genutzt und
- kann von den Leistungsberechtigten getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden.
Auch wenn das Produkt nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen ist, kann das Produkt dennoch ein Hilfsmittel sein, da das Hilfsmittelverzeichnis nicht abschließend ist.
2. Schritt: Die Positionsnummer ermitteln
a) Weshalb Sie die Positionsnummer benötigen
Grund 1: Den richtigen Antrag finden
Um Ihr Medizinprodukt in das Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) aufnehmen zu lassen, müssen Sie einen Antrag stellen. Damit Sie das richtige Antragsformular finden, benötigen Sie die ersten sieben Stellen der zukünftigen Produktnummer für Ihr (geplantes) Hilfsmittel, die Positionsnummer.
Grund 2: Qualitätsanforderungen identifizieren
Sie benötigen diese Nummer auch, um im Hilfsmittelkatalog die spezifischen Qualitätsanforderungen an das Produkt zu identifizieren.
b) Wie Sie die Positionsnummer finden
Die Positionsnummer ergibt sich, indem man nacheinander ermittelt:
- Produktgruppe
- Anwendungsort
- Untergruppe
- Produktart
- Nummer Ihres Produkts. Diese letzten drei Stellen werden vom GKV-SV vergeben.
Nutzen Sie bei der Bestimmung der Hilfsmittelnummer das GKV-Hilfsmittelverzeichnis. Dieses liefert unter den folgenden Symbolen nützliche Details und eine Beschreibung der Produktarten.
Details
Bei den Details finden Sie Angaben wie:
- Definition der Produktgruppe
- Indikation der Produktgruppe
- Querverweise zu anderen Produktgruppen
- Medizinische Anforderungen der Untergruppen
Produktarten
Ein Klick auf „Produktarten“ listet, nach Anwendungsort und Untergruppe gegliedert, alle Produktarten auf.
Beispielsweise enthält die Produktgruppe „Elektrostimulationsgeräte“ u.a. den Anwendungsort „Nerven Muskel“ und darunter u.a. eine Untergruppe „Niederfrequente Elektrostimulationsgeräte zur Schmerzbehandlung“.
Diese Untergruppe enthält zwei Produktarten, die einkanaligen und die mehrkanaligen biphasischen Schmerztherapiegeräte mit Therapiespeicher.
3. Schritt: Die (zusätzlichen) Anforderungen an Hilfsmittel ermitteln und erfüllen
a) Übersicht über die Anforderungen
Paragraf 139 SGB V beschreibt die Voraussetzungen, die ein Produkt erfüllen muss, damit es ins Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden kann. Insbesondere hat der Hersteller nachzuweisen:
- Funktionstauglichkeit
- Sicherheit
- Medizinischen Nutzen (soweit erforderlich)
- Informationen, die für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlich sind, in deutscher Sprache
- Indikations- oder einsatzbezogene Qualitätsanforderungen
- Anforderungen an die Nutzungsdauer und den Wiedereinsatz
Das Hilfsmittelverzeichnis legt indikations- oder einsatzbezogene Qualitätsanforderungen fest (GKV-SV-spezifisches Wording). Diese sind in den jeweiligen Produktuntergruppen im Hilfsmittelverzeichnis hinterlegt.
Diese besonderen Qualitätsanforderungen betreffen beispielsweise:
- Indikation und Einsatz: Funktionalität, Gebrauchstauglichkeit, Reinigung, Kompatibilität und Kombination, Größe, Gewicht, individuelle Anpassungsmöglichkeiten …
- Nutzungsdauer: Lebensdauer und Dauer der Anwendbarkeit, Tragedauer …
- Wiedereinsatz, Wiederaufbereitung, mehrfache Nutzung
Achten Sie darauf, dass Sie die Informationen zu diesen Qualitätsangaben auch in der Gebrauchsanweisung zu Ihrem Produkt aufführen.
b) Nachweis der Anforderungen
Anforderungen an Funktionalität und Sicherheit
Bei Medizinprodukten gelten die Funktionstauglichkeit und die Sicherheit bereits mit der CE-Kennzeichnung als nachgewiesen, auch wenn zusätzliche Prüfungen in Verdachtsfällen möglich sind.
Wenn bei diesen Prüfungen Nicht-Konformitäten offenbar werden, müssen die Hersteller damit rechnen, dass der Spitzenverband die Behörden bzw. die Benannten Stellen darüber unterrichtet.
Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens
Paragraf 139 (5) SGB V erwähnt nicht explizit, dass bei Medizinprodukten die klinische Bewertung ausreicht, um den medizinischen Nutzen nachzuweisen. Aber in der Praxis zeigt sich, dass die Anforderungen an die klinische Bewertung und den Nutzennachweis höher sind (siehe z.B. MDR Artikel 61, MEDDEV 2.7/1 rev. 4) als bei Hilfsmitteln.
Auch bei den klinischen Prüfungen beschränken sich die Hersteller regelmäßig auf Anwenderbeobachtungen und Prüfungen mit niedrigerem Evidenzniveau.
Anforderungen an die Gebrauchsanweisung
Die Anforderungen der MDR und des SGB V stimmen weitgehend überein:
Beispiele für GKV-Anforderungen | MDR-Anforderungen in Anhang I, Kapitel III |
Anwendungshinweise |
23.4(h) |
Zweckbestimmung des Produkts/Indikation |
23.4(b) |
Zulässige Betriebsbedingungen/Einsatzorte |
23.4(a) |
Bestehende Anwendungsrisiken und Kontraindikationen |
23.4(g) |
Reinigungshinweise/Desinfektionshinweise |
23.4(n) |
Wartungshinweise |
23.4(k) |
Technische Daten/Parameter |
23.4(h, e) * |
Hinweise zum Wiedereinsatz und zu den dabei erforderlichen Maßnahmen |
23.4(n) |
Zusammenbau- und Montageanweisung |
23.4(k) |
Angaben des verwendeten Materials |
23.4(u) ** |
* Als Leistungsmerkmale bzw. Spezifikationen zur ordnungsgemäßen Anwendung zu listen
** Auf bestimmte Produktgruppen beschränkt
Fazit: Nutzen Sie Ihre Gebrauchsanweisung gemäß Anhang I, Kapitel III, Absatz 23 (4) der MDR als Grundlage, um den Antrag zur Hilfsmittellistung zu vervollständigen und ersparen Sie sich so die Arbeit, ein neues Dokument zu verfassen.
Zusammenfassung
Die folgende Tabelle zeigt Ihnen, welche Dokumente Ihrer technischen Dokumentation bzw. der klinischen Bewertung zum Medizinprodukt die geforderten Informationen enthalten:
Nachweise für den Antrag zur Hilfsmittellistung |
Primärnachweis in der technischen Dokumentation |
Verknüpfung zur klinischen Bewertung |
Funktionstauglichkeit* | Konformitätserklärung, ggf. Berichte zu Verifizierungstests/Produkttests |
Die klinische Bewertung referenziert Testergebnisse. Die Ergebnisse fließen in die Bewertung der Sicherheit und Leistung ein. |
Sicherheit* | Konformitätserklärung, ggf. Risikomanagement | Die klinische Bewertung referenziert die Risikoanalyse und identifizierte Gefährdungen. Gleichzeitig liefert sie weitere mögliche Gefährdungen und Schäden sowie deren Schweregrade und Auftrittswahrscheinlichkeiten. |
Erfüllung der Qualitätsanforderungen** | Produktbeschreibung, Prospekte, Prüfbericht … |
Die klinische Bewertung referenziert aus der Produktbeschreibung, Prospekten etc. alle funktionalen und technischen Produktspezifikationen und bewertet diese. |
Medizinischer Nutzen | z.B. Anwenderbeobachtungen nach GKV-SV-Anforderungen |
Die klinische Bewertung belegt den klinischen Nutzen und referenziert sämtliche klinische Daten (bspw. Anwenderbeobachtungen) zum Produkt. |
Informationen für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung in Deutsch |
Gebrauchsanweisung |
Die klinische Bewertung referenziert die Gebrauchsanweisung. Sie prüft, ob sämtliche Warnungen und Sicherheitshinweise in der Gebrauchsanweisung vorhanden sind. |
Kennzeichnung des Produkts |
Typenschild |
keine |
* Funktionstauglichkeit und Sicherheit werden generell mit der Konformitätserklärung als nachgewiesen betrachtet. Bei neuartigen Produkten können weitere Dokumente einzureichen sein.
** Die Qualitätsanforderungen unterscheiden sich innerhalb der Produktgruppen und Produktuntergruppen.
4. Schritt: Prüfen, ob die häufigsten Fehler vermieden sind
Hersteller reichen mit dem Antrag zur Hilfsmittellistung oft Dokumente ein, welche weder den Anforderungen geltender Normen für Medizinprodukte noch den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Das betrifft insbesondere Hersteller von Klasse-I-Produkten, die Probleme mit dem Nachweis in der technischen Dokumentation haben, dass ihre Produkte die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllen.
Aspekt |
Problem |
Empfehlung |
Schnittstelle zwischen Gebrauchsanweisung und Risikomanagement | Lückenhafte Listung von Produktangaben und Warnungen zur sicheren Anwendung Betroffen sind meist die Qualitätsanforderungen zum Produkt und die Angaben in der Gebrauchsanweisung (mehr dazu lesen Sie im Anschluss an diese Tabelle). | Prüfen Sie, ob die Anforderungen des GKV an die Gebrauchsanweisung erfüllt sind. Eine MDR-konforme Gebrauchsanweisung erfüllt diese größtenteils – zusätzlich muss noch der leistungsrechtliche Kontext (Aufgaben der GKV) beachtet werden. Was in einer Gebrauchsanweisung enthalten und wie diese gestaltet sein sollte, lesen Sie in unserem Fachartikel zu Gebrauchsanweisungen. |
Anwendungsbeobachtung |
Häufig vorformulierte, nicht fundierte Gutachten des Herstellers anstatt korrekt durchgeführter Anwendungsbeobachtungen durch unabhängige Institutionen | Nutzen Sie produktspezifische Daten, die den klinischen Nutzen und die Anwendbarkeit innerhalb der Indikationen nachweisen. Achten Sie darauf, dass diese den GKV-SV-Anforderungen entsprechen. |
Hersteller-Vertreiber- Verhältnis |
Unvollständiges Wissen über das Produkt, fehlende Produktdaten |
Falls Sie bevollmächtigter Vertreiber sind und ein Hilfsmittel anmelden: Fordern Sie vom Hersteller den Zugriff auf die technische Dokumentation des Hilfsmittels. |
Rückerstattung der Kosten |
Unklarheit über • den Einsatzort • die Anwendergruppe und den damit verbundenen Rückerstattungsprozess | Spezifizieren Sie alle in Frage kommenden Einsatzorte (freier Markt, Klinik, Krankenhaus, Pflegeheim, häusliches Umfeld, Wohnumfeld …) Ihres Produkts und identifizieren Sie auf dieser Basis rechtzeitig die möglichen Rückerstattungsprozesse für Ihr Produkt. |
5. Schritt: Antrag stellen und einreichen
Sie sollten nun alle Unterlagen beisammen haben, um den Antrag stellen zu können.
a) Passendes Antragsformular finden
Der GKV-SV listet über 118 verschiedene Antragsformulare, die Sie hier herunterladen können. Wählen Sie das für Ihr Produkt passende Formular anhand der siebenstelligen Positionsnummer aus, die Sie im zweiten Schritt bestimmt haben.
b) Antrag ausfüllen und Nachweise beilegen
Die Nachweise, die Sie beibringen müssen, kennen Sie bereits:
- Funktionstauglichkeit
- Medizinischer Nutzen (soweit erforderlich)
- Sicherheit
- Informationen für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung auf Deutsch
- Erfüllung der Qualitätsanforderungen (aufgeführt im GKV)
Reichen Sie mindestens die folgenden Dokumente beim GKV-Spitzenverband ein:
- Vollständig ausgefülltes Antragsformular
- Die Konformitätserklärung, mit der Sie die CE-Kennzeichnung erreicht haben
- Bei Produkten der Klasse IIa und höher: Zertifikat der Benannten Stelle
- Relevante Inhalte der technischen Dokumentation einschließlich
- Produktbeschreibung
- Gebrauchsanweisung
- Referenzen der klinischen Bewertung (bspw. referenzierte klinische Daten wie Anwenderbeobachtungen, etc.)
- Prüfberichte
Diese Dokumente und Informationen fordert bereits die MDR in den Anhängen I und II.
c) Tipps, um den Antrag zu optimieren
Ein unvollständiger Hilfsmittelantrag verzögert die Aufnahme Ihres Medizinprodukts in das Hilfsmittelverzeichnis.
Nicht nur für Sie sind die einzureichenden Dokumente umfangreich. Die Personen, die Ihren Antrag prüfen, müssen ebenfalls den Überblick behalten.
1. Tipp: Technische Dokumentation auf Vollständigkeit prüfen
Prüfen Sie anhand unseres Fachartikels zur technischen Dokumentation, ob Ihre technische Dokumentation den Anforderungen der MDR entspricht und Ihnen somit hilft, den Antrag auf Hilfsmittellistung zu vervollständigen.
2. Tipp: Referenztabelle verwenden
Helfen Sie sich und dem GKV-SV dabei, den Antrag auf Vollständigkeit zu prüfen. Listen Sie daher die für Ihr Produkt zutreffenden Qualitätsanforderungen tabellarisch auf.
Begründen Sie die Auswahl der Qualitätsanforderung und geben Sie in der Tabelle die Referenzen inklusive Seitenzahl zu den Nachweisdokumenten an.
3. Tipp: Nur relevante Auszüge einreichen
Reichen Sie lediglich relevante Auszüge der technischen Dokumentation ein. Die Prüfer benötigen nicht die gesamte technische Dokumentation. Zudem obliegen ggf. manche Dokumente einer unternehmensspezifischen Geheimhaltung.
Zusammenfassung
a) Medizinproduktehersteller sind im Vorteil
Für Medizinproduktehersteller sollten die Nachweise der Funktionalität, der Sicherheit und des Nutzens keine zu große Herausforderung darstellen. Denn die entsprechenden Anforderungen durch die MDR sind detaillierter und höher.
Dennoch sollten sich die Hersteller nicht darauf verlassen, dass die Prüfer das Produkt alleine aufgrund der CE-Kennzeichnung als Medizinprodukt durchwinken.
Gerade bei Produkten der Klasse I fällt regelmäßig erst bei der Antragstellung auf, dass die Hersteller die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nicht ausreichend nachweisen bzw. deren technische Dokumentation die Anforderungen des Anhangs II der MDR nicht erfüllt.
b) Korrektheit und Vollständigkeit der Anträge sind entscheidend
Das Sozialgesetzbuch sowie die Rechtsprechung regeln, welche Produkte die Kassen ihren Versicherten als Hilfsmittel zur Verfügung stellen müssen. Auch weil die Kassen unter einem Kostendruck stehen, werden sie unvollständige oder gar fehlerhafte Anträge ablehnen.
Die Hinweise in diesem Artikel werden bei einer Aufnahme von Produkten ins Hilfsmittelverzeichnis hilfreich sein.
c) Herausforderungen nach der Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis
Viele Hersteller sind von den Preisen enttäuscht, welche die Kassen bereit sind zu erstatten. Daher sind sie darauf angewiesen, dass ihre Produkte ausreichend häufig verordnet werden.
Dies sicherzustellen bleibt Aufgabe der Hersteller. Sie müssen sich auch hier im Wettbewerb behaupten, beispielsweise über Alleinstellungsmerkmale.
Wenn Produkte nicht mehr ausreichend häufig verordnet werden, droht den Herstellern sogar die Streichung ihrer Produkte aus dem Hilfsmittelverzeichnis.
d) Fazit
Medizinproduktehersteller sollten prüfen, ob sie ihre Produkte (auch) als Hilfsmittel in den Markt bringen können. Die Analyse sollte auch die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen und der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens beinhalten.
Erfahren Sie auch hier mehr zu den Hilfsmitteln in der Podcast-Episode 2021-06.
Eine präzise technische Dokumentation stellt für Medizinprodukte ebenso wie für Hilfsmittel eine unabdingbare Voraussetzung für die Vermarktung dar.
Haben Sie noch Fragen zu Ihren Dokumenten der technischen Dokumentation? Das Johner Institut unterstützt Sie gerne bei der Prüfung auf Vollständigkeit. Melden Sie sich z.B. über das Webformular, wenn Sie mehr erfahren möchten.
Bei Fragen zur Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis hilft Ihnen der Sachverständige für Hilfsmittelversorgung, Dipl.-Ing. Norbert Kamps, gerne weiter.
Sehr geehrte Frau Wettlaufer, sehr geehrter Herr Prof. Johner,
vielen Dank für Ihren sehr guten Artikel zum Thema Hilfsmittel und Medizinprodukte, sowie deren Einordnung. Ich möchte dazu folgende Erfahrungen teilen, die ich in einem kürzlich für einen Kunden realisierten Listungsprozess im Hilfsmittelkatalog (HMV) der GKV machen durfte. Bei den Produkten handelt es sich um orthopädische Maßhandschuhe für Menschen mit angeborenen oder durch Unfall oder Krankheit erworbenen Einschränkungen der Hand. Diese sind bisher nicht im HMV gelistet, so dass das Projekt quasi auch als Lernprozess diente.
Die GKV tut sich schwer mit neuen Produkten, so dass die von Ihnen beschriebene Einordnung in die passende Postionsnummer eine essentielle Bedeutung hat. Bei nicht eindeutig zuordnungsfähigen Produkten kann dies zu einem Erschwernis in der Antragstellung führen, da die GKV nur ungern neue Positionsnummern eröffnet. Auch eine umfangreiche Begründung zum therapeutischen Nutzen ist hier gefordert und unumgänglich, wobei speziell der Unterschied zu Handschuhen als alltäglichem Gebrauchsgegenstand herausgearbeitet werden musste.
Im Ergebnis wurden die Handschuhe in der Gruppe 38 mit 4! verschiedenen Positionsnummern eingeordnet.
Weiterhin sollte man sich nicht durch die erste Ablehnung der GKV entmutigen lassen, sondern durchaus den Widerspruch wagen. In unserem Fall hat erst der 2. Widerspruch zum Erfolg geführt, wobei alle maßgeblichen Argumente auch schon im Antrag enthalten waren.
Und drittens hört die Arbeit nach erfolgreicher Listung im HMV nicht auf. Das HMV ist eine Empfehlung für die gesetzlichen Krankenkassen und hat keine rechtlich bindende Funktion. Dies sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn man einen Antrag auf Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis stellen möchte. Leider sind die Krankenkassen auch in der Hinsicht argumentativ sehr kreativ, wenn es um die Ablehnung von gelisteten Hilfsmitteln geht, so dass jeder Antrag, zumindest in der Anfangsphase, aufwendig begründet werden sollte.
Sehr geehrter Herr Hahn,
meinen herzlichsten Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen mit mir und unseren Lesern teilen! Das ist großartig und bietet sogar die Basis für einen möglichen weiteren Artikel!
Mit meinen allerbesten Grüßen
Lea Wettlaufer