Medical Startups entstehen häufig in einem universitären bzw. klinischen Umfeld.
Die Gründer verfügen oft über eine ausgezeichnete Produktidee, aber nur begrenzte finanzielle Mittel. Doch die Finanzen sind nur eine der Hürden, an denen fast alle Medical Startups scheitern.
A) Die 6 Hürden, an denen Medical Startups scheitern
1. Hürde: Unzureichende Finanzierung
Vielen Gründern von Healthcare Startups ist nicht bewusst, dass sie einen besonders langen Atem benötigen. Bis ihr Produkt die regulatorischen Hürden überwunden und eine Kostenerstattung erreicht haben, vergehen oft Jahre.
Eine Umfrage aus dem Jahr 2017 unter 18 Healthcare Startups zeigt, dass die Hälfte auf eigene Mittel zurückgreift und ein Drittel auf staatliche Fördermittel. Zwei dieser 18 Startups finanzierten sich durch Venture Capital und zwei weitere durch einen Business Angel.
Finanzierung | Prozent |
Selbst finanziert (inklusive Famile und Freunde) | 67 % |
Staatliche Förderprogramme | 19 % |
Venture Capital | 11 % |
Business Angel | 11 % |
Sonstiges | 22 % |
In den USA ist der Anteil der VC-Beteiligungen höher. Diese investieren in mehreren Runden (Seed, Series A–C) bis zu 100 Mio. USD [Quelle: Angellist].
Bei fast der Hälfte der Firmen engagieren sich die Investoren mit „nur“ einer halben Million USD.
Startups sollten nicht nur klassische Investoren ansprechen, sondern gezielt auch Medizinproduktehersteller und potenzielle Kunden (z.B. Versicherungen, Krankenhausketten, Fachgesellschaften, Pharmahersteller).
2. Hürde: Mangelnder Bedarf
Nicht alles was technisch möglich ist, findet auch Interessenten.
- Mangelnde Bereitschaft, Geld auszugeben
Potenzielle Kunden empfinden die Produkte als „interessant“, sind aber nicht bereit, dafür Geld auszugeben. - Mangelnde Bereitschaft, Voraussetzungen zu schaffen
Viele Healthcare Startups unterschätzen den Aufwand, den es bedarf, um Produkte beim Kunden zu etablieren. Prozesse müssen angepasst, Schnittstellen geschaffen, Infrastruktur und Budgets bereitgestellt und Anwender geschult werden. - Mangelnde Bereitschaft, Gewohntes zu ändern
Dazu kommt eine Trägheit und eine mangelnde Bereitschaft, gewohnte Abläufe zu ändern und sich auf Neues einzulassen.
Healthcare Startups sollten von Beginn an potenzielle Kunden und Anwender in die Entwicklung einbeziehen und Nutzungsanforderungen systematisch ableiten.
3. Hürde: Nicht nachgewiesener Nutzen
Sowohl die Kostenträger (Krankenkassen) als auch die Zulassungsbehörden bestehen auf einem Nutzennachweis.
- Medizinischer Nutzen
Wenn die Medical Startups versprechen, dass ihre Produkte die Diagnose, Behandlung oder Überwachung von Krankheiten verbessern, müssen sie diesen Nachweis auch führen. Eine wissenschaftliche Beweisführung – die klinische Bewertung – ist dazu notwendig. Gegebenenfalls müssen Daten im Rahmen von klinischen Studien erhoben werden, was zeit- und kostenaufwändig ist. - Ökonomischer Nutzen
Schnell ist die Behauptung aufgestellt, dass mit dem Produkt Abläufe beschleunigt, unnötige Arbeitsschritte vermieden, die Kommunikation verbessert und Arbeitszeit eingespart werden können. Den Nachweis bleiben viele Firmen schuldig. Sie verweisen auf Quellen, die die Aussage belegen sollen. Einer gesundheitsökonomischen Betrachtung (z.B. einem Health Technology Assessment) halten diese Behauptungen jedoch oft nicht stand.
4. Hürde: Regulatorische Anforderungen
a) Medizinprodukte-Recht
Viele Medical Startup empfinden die regulatorischen Herausforderungen als sehr große Hürde [Hagen und Lauer].
Die folgende Tabelle listet die Aufgaben und Hürden, die die Startups bewältigen müssen und nennt Hilfestellungen, die das Johner Institut dabei gibt. Viele Angebote sind kostenfrei.
Aufgaben, Hürden | Informationen und Unterstützung |
Entscheiden, ob das Produkt ein Medizinprodukt ist | |
Klasse des Produkts bestimmen | |
Zulassungsverfahren bestimmen, Entscheidung über Notwendigkeit eines QM-Systems treffen | |
Qualitätsmanagement etablieren, benannte Stelle auswählen, Audit vorbereiten | |
Klinische Bewertung erstellen |
|
Software gesetzeskonform entwickeln | |
Risikomanagement betreiben | |
GUI spezifizieren, Gebrauchstauglichkeit nachweisen | |
Konformitätserklärung erstellen, ggf. Benannte Stelle auswählen, Produkte registrieren, mit Behörden zusammenarbeiten |
Das Johner Institut unterstützt u.a. an seinem Berliner Standort zahlreiche Startups schnell und kostengünstig bei der „CE-Zertifizierung“ der Medizinprodukte.
Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf.
b) Datenschutzrecht
Die Anforderungen an den Datenschutz sind bei Gesundheitsdaten besonders hoch. Viele Healthcare Startups wissen keine genaue Antwort auf Fragen wie:
- Was muss eine Einverständniserklärung enthalten? Reicht diese aus?
- Darf man Gesundheitsdaten in der Cloud speichern?
- Wann muss man Daten auf Antrag der Patienten löschen? Wann darf man das nicht?
- Welche Technologien (z.B. zur Verschlüsselung) müssen gewählt werden?
- Welche Normen und Gesetze gilt es zu beachten?
Lesen Sie hier mehr zum Thema Datenschutzgrundverordnung, zum Datenschutz im Gesundheitswesen und zur IT-Sicherheit.
c) Weitere Rechtsfelder
Weitere Hürden lauern auf weiteren Rechtsgebieten wie dem Medizinrecht, dem Berufs- bzw. Standesrecht, dem Wettbewerbsrecht, dem Patentrecht, dem Sozialrecht und dem Strafrecht.
5. Hürde: Mangelnde Kostenerstattung
Die Geschäftsmodelle der meisten Medical Startups basieren darauf, dass Patienten oder Gesundheitsdienstleister wie Krankenhäuser oder niedergelassene Ärzte für die Produkte und Dienstleistungen bezahlen.
Im ersten Gesundheitsmarkt erfolgt eine Kostenerstattung durch die (gesetzlichen) Krankenkassen. Dieser Prozess ist sehr lang, komplex und aufwändig. Mit Recht fürchten sich fast alle Healthcare Startups davor.
Das Ausweichen auf den zweiten Gesundheitsmarkt ist meistens nicht von Erfolg gekrönt: Viele gesetzlich versicherten Patienten erwarten, dass alle Kosten für die Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsversorgung von den Kassen übernommen werden. Sie sind nur bedingt bereit, selbst Kosten für Produkte zu tragen.
Ein dritter Ausweg besteht darin, mit Krankenkassen Selektivverträge zu schließen. Das Johner Institut beobachtet, dass viele Kassen sich nur langsam auf neue Versorgungsformen und -angebote einlassen. Zudem beschränken sie die Zusammenarbeit und Finanzierung auf Pilotprojekte.
Um ein Kostenerstattung zu erreichen, benötigt es meist Jahre. Starten Sie frühzeitig und holen Sie sich professionelle Unterstützung! (auch durch uns)
6. Hürde: Mangelnde Organisation und fehlende Kompetenzen
Weil viele Produktideen in einem universitären oder/und klinischen Umfeld entstehen, finden sich unter den Gründern häufig Wissenschaftler wie Doktoranden, Post-Docs, Ärzte und Professoren. Doch mit wissenschaftlicher Brillianz alleine lässt sich keine Firma zum Erfolg führen. Weitere Kompetenzen sind erforderlich:
- Projektmanagement
- Unternehmensführung, Organisation, Etablierung von Prozessen
- Mitarbeiterführung
- Buchführung, Controlling
- Marketing & Vertrieb
Parallel zum (Medizin-)Produkt sollte sich das Medical Startup zu einer etablieren Firma entwickeln. Wenn es nicht rechtzeitig gelingt, die notwendigen Kompetenzen an Bord zu holen und Prozesse zu etablieren, sind Rollen und Prozesse unklar. Neue Mitarbeiter wissen nicht, was sie tun sollen. Nicht zu Unrechte empfinden viele Healthcare Startups ihr Arbeiten noch als chaotisch.
Somit ist das Qualitätsmanagement nicht nur eine Frage der regulatorischen Anforderungen, sondern auch Voraussetzung für ein stabiles Wachstum.
Nur in Ausnahmefällen verfügt ein Gründer über all die o.g. Kompetenzen. Daher unterstützt das Johner Institut Startups auch beim Aufbau eines stabilen Unternehmens und wirkungsvollen Managements. Nehmen Sie Kontakt auf und erfahren Sie mehr!
Im Gespräch mit Martin Schulze beleuchtet Professor Johner, ob es überhaupt eines eigenen Entwicklungsteams bedarf, welche Rollen ein solches Team besetzen sollte, wie man die idealen Bewerber:innen findet, auf was man beim Onboarding neuer Kolleg:innen achten sollte und welche Tools und Prozesse notwendig sind, um ein Team zu formen, das die Produktvision verwirklicht und dabei die regulatorischen Randbedingungen nie aus den Augen verliert.
Diese und weitere Podcast-Episoden finden Sie auch hier.
B) Charakterisierung von Medical Startups
1. Größe der Firmen
Erwartungsgemäß sind die meisten Startups kleine Firmen mit 10 oder weniger Mitarbeitenden.
2. Standorte der Firmen
Die Daten von Angellist für Deutschland sind zwar nicht repräsentativ; dennoch zeigen sie die Berliner Dominanz. Über die Hälfte der Healthcare Startups sind dort beheimatet. Deshalb hat das Johner Institut in Berlin einen weiteren Standort.
3. Produkte
Healthcare Startups bieten unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen an, z.B.:
- Mobile Medical Apps
- Hardware, Wearables (Brillen, Kleidung)
- In-vitro Diagnostika
- Medizingeräte
- Stand-Alone-Software
- Webbasierte Anwendungen wie Webseiten und Webservices
Lesen Sie hier mehr zu den Mobile Medical Apps.
4. Angebote der Startups
Die Angebote der Healthcare Startups decken den „Patientenlebenszyklus“ ab von der Diagnose über die Therapie bis zur Nachsorge. Das Spektrum der Angebote ist breit.
5. Technologie-Treiber
Wie bei anderen Gründungen ermöglicht der technologische Fortschritt neue Geschäftsmodelle. Zu den technologischen Treibern zählen:
- Neue chemische und labordiagnostische Verfahren
- Die zweite und dritte Generation der Methoden zur DNA-Sequenzierung ermöglichen Analysen zu einem Bruchteil der Kosten und in einem Bruchteil der Zeit.
- Neue Algorithmen zur Bildanalyse übertreffen in manchen Teilgebieten bereits die menschlichen Fähigkeiten bei der radiologischen und pathologischen Diagnostik.
- Leistungsfähige Hardware schafft die Möglichkeit, riesige Datenmengen zu sammeln und auszuwerten (→ Big Data).
- Diese wiederum verhelfen der künstlichen Intelligenz zu einer Renaissance. IBMs Watson ist ein Beispiel dafür.
- Die wachsende Verfügbarkeit und die steigenden Bandbreiten des Internets schaffen die Voraussetzung für neue Geschäftsmodelle.
Lesen Sie hier mehr zum Thema Digital Health.
C) Marktplatz
AIRAmed
Das Tübinger Startup AIRAmed aus dem Bereich Softwareentwicklung zur quantitativen Bewertung neuroradiologischer Bilddaten ist auf der Suche nach Investoren und Kooperationspartnern. Sollten Sie Interesse an einem Austausch und weiteren Informationen haben, dann kontaktieren Sie uns unter info@airamed.de.
Erste Informationen zur Firma AIRAmed und ihrer Softwarelösung finden Sie im Elevator Pitch.
eCovery
Die eCovery GmbH aus Leipzig ist eine Ausgründung der Universität Leipzig. Sie entwickelt eine intelligente Therapie-App, die mit Hilfe von smarter Sensorik und KI bestehende Versorgungslücken bei muskuloskelettalen Verletzungen und Erkrankungen schließt und die Therapie zuhause unterstützt.
Das Start-up ist auf der Suche nach Pre-Seed-Investoren und Kooperationsmöglichkeiten. Sollten Sie Interesse an einem Austausch und weiteren Informationen haben, dann kontaktieren Sie das Team gerne unter info@eCovery.de. Ansprechpartner ist der Geschäftsführer Marcus Rehwald.
Der Artikel über Medical Startups ist ein Volltreffer. Das widerspiegelt vollständig unsere Erfahrungen.
diafyt (http://diafyt.de) ist exakt ein solches Medical Startup wie im Blog beschrieben und wir sind nicht aus Berlin 🙂
Johner Institut hat uns zügig, professionell und erfolgreich durch die Medizingerätezertifizierung begleitet. Seit letztem Jahr sind wir ein registriertes Medizintechnikunternehmen mit einem CE zertifizierten Medizinprodukt.
Herzlichen Dank, lieber Herr Wuttke!
Ich freue mich sehr über Ihre Rückmeldung!
Beste Grüße, Christian Johner