Medizinprodukte-Zertifizierung, MPG-Zertifizierung, MDR-Zertifizierung, CE-Zertifizierung. Das sind Begriffe, die oft verwendet werden. Aber gibt es überhaupt so etwas wie eine Medizinprodukte-Zertifizierung?
Dieser Artikel beantwortet die Frage.
1. Zusammenfassung
Die Kurzversion lautet: Formal gibt es weder eine Medizinprodukte-Zertifizierung, noch eine CE-Zertifizierung oder MDR-Zertifizierung.
Aber die Hersteller benötigen durchaus Zertifizierungen bzw. Bescheinigungen. Daher ist meist das Richtige gemeint, wenn auch die Begriffe nicht korrekt sind.
Ist das für Sie eine neues Thema? Dann empfehlen wir Ihnen den Fachartikel 7 Schritte bis zum Medizinprodukt.
In vielen Fällen ist auch der Begriff „Medizinprodukte-Zulassung“ nicht korrekt. Lesen Sie dazu mehr in diesem Artikel zu den Zulassungsverfahren.
Hersteller sollten Audits und Zertifizierungen von Organisationen und ihren Managementsystemen unterscheiden von Prüfungen und Zertifizierungen von Medizinprodukten.
2. Welche Zertifizierungen es gibt
Ob und falls ja, welche Zertifizierungen es gibt bzw. notwendig sind, hängt vom Rechtsbereich ab.
a) Zertifizierungen in der EU
In Europa schreiben die EU-Verordnungen MDR und IVDR den Herstellern vor, was diese unternehmen müssen, wenn sie Medizinprodukte in den Markt bringen wollen. Zu diesen Anforderungen zählen die Konformitätsbewertungsverfahren.
Dieses Schlagwort zu den Konformitätsbewertungsverfahren stellt Ihnen die Verfahren vor und beschreibt, wie deren Wahl von der Klasse der Medizinprodukte abhängt.
Zertifizierung des QM-Systems
Eines der am häufigsten herangezogenen Konformitätsbewertungsverfahren wird in Anhang IX der MDR bzw. IVDR beschrieben. Es setzt ein vollständiges Qualitätsmanagementsystem voraus. Dass dieses QM-System den Anforderungen von MDR bzw. IVDR genügt, müssen sich die Hersteller von einer Benannten Stelle bescheinigen lassen: Ein Hersteller muss von einer Benannten Stelle auditiert werden und erhält im Erfolgsfall eine Konformitätsbescheinigung, wie in Artikel 56 der MDR beschrieben.
Bei diesem Audit lassen sich die Hersteller meist auch die Konformität mit den Anforderungen der ISO 13485 bescheinigen. Und diese Bescheinigung ist ein Zertifikat.
Wenn also von „Medizinprodukte-Zertifizierung“ gesprochen wird, dann ist meist nicht die Zertifizierung eines Medizinprodukts gemeint, sondern die Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems im Kontext von bestimmten Produktklassen. Die Bescheinigung bzw. Zertifizierung ist die Voraussetzung für die Vermarktung der Produkte.
Zertifizierung von Medizinprodukten („Medizinprodukte-Zertifizierung“)
Die Baumusterprüfung und die Produktkonformitätsprüfung sind weitere Konformitätsbewertungsverfahren. Dabei prüft eine Benannte Stelle tatsächlich das Medizinprodukt, entweder nur den Produkttyp oder sogar die (einzelnen) produzierten Produkte.
Auch hier erteilt die Benannte Stelle im Erfolgsfall Bescheinigungen. Das sind die Fälle, bei denen der Begriff „Medizinprodukte-Zertifizierung“ am zutreffendsten ist, weil tatsächlich das Produkt geprüft wird.
b) Zertifizierungen in Deutschland
In Deutschland gelten die gleichen regulatorischen Anforderungen wie im Rest der EU. Allerdings bilden die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) eine deutsche Besonderheit.
Das deutsche Sozialgesetz setzt für diese Produkte ein zertifiziertes Informationsmanagementsystem voraus, z. B. nach ISO 27001. Das ist aber eine Zertifizierung eines Managementsystems und keine Zertifizierung eines Produkts.
c) Zertifizierung in den USA
In den USA setzt die FDA keine Zertifizierung voraus. Zwar verlangt auch die FDA ein QM-System nach 21 CFR part 820, und dieses Gesetz verweist wiederum auf die ISO 13485. Aber die FDA besteht nicht auf einer Zertifizierung.
Vielmehr führt sie Quality System Inspections durch. Diese enden im Erfolgsfall nicht mit einem Zertifikat, sondern nur „mit keiner Beanstandung“.
3. Allgemeines zu Zertifizierungen von Medizinprodukten
a) Der Wert hängt von der zertifizierenden Organisation ab
Eine Zertifizierung ist nur so wertvoll wie das Zertifikat. Der Wert des Zertifikats hängt von der Institution ab, die die Zertifizierung erteilt. Diese zertifizierenden Stellen sollten von den nationalen Akkreditierungsstellen akkreditiert sein. In Deutschland erteilt die DAkkS diese Akkreditierungen.
Bei Medizinprodukten für den europäischen Markt müssen die Zertifikate – genau genommen die Bescheinigungen – von Benannten Stellen ausgestellt werden, die auf EU-Ebene benannt werden (und nicht auf Ebene der Nationalstaaten).
b) Produktzertifikate und Organisationszertifikate
Auch wenn die Zertifizierung durch eine Benannte Stelle erfolgt – den Wert der Zertifizierungen sollten die Hersteller sorgfältig prüfen. Beispielsweise sind Benannte Stellen nicht akkreditiert, ein „IEC 62304 Zertifikat“ auszustellen. Diese Norm ist eine Prozessnorm und das Zertifikat kann nur bestätigen, dass der Hersteller nach den Vorgaben der Norm vorgeht. Das Zertifikat kann aber keine Aussage über die Qualität eines Produkts treffen.
Das ist hingegen bei Produktprüfungen möglich, z. B. bei Prüfungen der elektrischen Sicherheit oder elektromagnetischen Verträglichkeit möglich. Denn dafür gibt es vorgeschriebene Prüfungen.
4. Fazit
Der Begriff Medizinprodukt-Zertifizierung ruft fast immer ein falsches Bild hervor. Denn meist wird nicht ein Produkt geprüft und zertifiziert, sondern ein Managementsystem.
Im ersten Fall ist die Analogie zur „TÜV-Plakette“ korrekt. In zweiten Fall bekommt der Hersteller die Erlaubnis, das Produkt selbst zu prüfen und die Plakette selbst auszustellen.
Diese Plakette entspricht der CE-Kennzeichnung. Lesen Sie darüber mehr in diesem Artikel zu den CE-Zeichen.
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Änderungshistorie
- 2023-06-01: Artikel völlig neu geschrieben
- 2014-10-05: Erste Version des Artikels veröffentlicht