User Errors und Use Errors: Man muss schon genau lesen, wenn man auf den Unterschied dieser beiden Begriffe stoßen will. Dennoch ist dieser Unterschied wichtig. Lernen Sie in diesem Artikel den Unterschied kennen und was das für Ihre Entwicklung bedeutet.
Bei welchen Handlungen User Errors und Use Errors auftreten können
Wenn Sie sich überlegen, was ein Benutzer mit einem interaktiven Gerät machen kann, stoßen Sie vielleicht auf folgende Taxonomie:
Das interessante daran ist, dass die nicht beobachtbaren Handlungen, also die kognitiven Leistungen, nicht unmittelbar zu einer Gefährdung führen. Erst daraus resultierende Handlungen, beispielsweise an einem interaktiven Gerät oder direkt am Patienten, können zu Gefährdungen führen.
Bei den kognitiven Leistungen kann der Benutzer etwas falsch erkennen (z.B. eine 1 (eins) mit einem l (Buchstabe) verwechseln) oder die richtig erkannte Information falsch verarbeiten (z.B. missinterpretierten), oder beides. Und selbst wenn er alles richtig erkannt und richtig verstanden hat, kann der Nutzer falsche Handlungen begehen. Wenn er beispielsweise etwas vergisst.
Im Usability Engineering geht es aber nicht darum, den Nutzer als den Schuldigen zu brandmarken (User Error), sondern darum, Fehler, die aus der (mangelnden) Gebrauchstauglichkeit her rühren (Use Errors), zu minimieren.
Wenn Sie sich für solche Konzepte interessieren und wissen wollen, wie man Benutzerschnittstellen herleitet, die das Attribut „gebrauchstauglich“ wirklich verdienen, dann empfehle ich Ihnen aufs wärmste das Seminar mit Thomas Geis „Usability, Requirements und IEC 62366“.
Use Errors statt User Errors
Die IEC 62366-1, die Norm zur Anwendung des Usability Engineerings bei Medizinprodukten, spricht folglich nur von Use Errors (nicht von User Errors). Sie nennt Gründe, die zu Use Errors führen können.
Normaler und anormaler Gebrauch („normal and abnormal use“)
Was die IEC 62366-1 generell nicht betrachtet ist der „abnormal use“, also die missbräuchliche und vorsätzlich falsche Nutzung. D.h. die Norm betrachtet nur den normalen Gebrauch, der Nutzungsfehler mit einschließt. Der anormale Gebrauch ist nicht Gegenstand der Norm. Unter anormalen/abnormalen Gebrauch versteht man die missbräuchliche und vorsätzlich falsche Nutzung. Dazu würde auch zählen, dass Nutzer das „Medical Device“ nutzen, die dafür nicht vorgesehen oder ausgebildet sind.
„Normale Nutzungsfehler“, die sogenannten Use Errors, sind hingegen „Scope“ der IEC 62366-1.
Typen und Ursachen von Use Errors
Diese Use Errors können verschiedene Ursachen haben. Es könnte sein, dass die Nutzer/User Informationen am Medical Device falsch oder nicht erkennen (sehen, hören), obwohl diese vom Gerät „korrekt“ angezeigt werden. Man nennt diese Fehler im Englischen „Error in Perception„.
Ein weiterer Grund für Nutzungsfehler (Use Errors) sind Probleme bei der Kognition. Ein Beispiel für einen solchen „Error in Cognition“ wäre ein Laborwert, den der Nutzer glaubt in mmol/l angezeigt zu bekommen, tatsächlich sind es aber mg/dl. Man unterscheidet bei diesen „Errors in Cognition“ Fehler bei der Erinnerung, Fehler aufgrund der falschen Anwendung einer richtigen Regel oder der richtigen Anwendung einer falschen Regel oder wissensbasierte Fehler wie ein falsches mentales Modell (als Beispiel für ein Knowledge Based Error).
Ein falsches mentales Model eines Users könnte darin bestehen, dass er oder sie glaubt, mit dem Temperatur-Drehregeler einer Heizdecke würde man (proportional) die Stromstärke regeln, was ihn/sie dazu verführt, diesen Regler weiter nach rechts zu drehen, um so schneller auf die gewünschte Temperatur zu kommen. Tatsächlich hat die Heizdecke bereits einen internen Regelkreis. Der Patient wird zu stark erhitzt.
Schließlich gibt es Use Errors, die darin bestehen, dass der Nutzer das richtige tun will, es ihm aber nicht gelingt (Action Error), beispielsweise weil er oder sie den (zu kleinen) Schalter nicht trifft und einen anderen betätigt. Dies sind die klassischen Ergonomieprobleme, die beim Design von Medical Devices erkannt und berücksichtigt werden müssen.