Viele Digital Health Technologien und Anwendungen wie Machine Learning und Connected Home stehen im Gartner Hype Cycle gerade auf dem Gipfel der überzogenen Erwartungen. Hingegen durchleiden viele E-Health Technologien wie „Healthcare Master Data Management“ gerade das Tal der Tränen.
Lernen Sie in diesem Artikel Digital Health und E-Health besser abzugrenzen.
Erfahren Sie, wie die Politik den Fortschritt behindert und wie Sie den sieben größten Herausforderungen begegnen können.
Digital Health versus E-Health
a) Definition von E-Health: Fokus auf professionellen Anbieter
Bei E-Health geht es meist um die Anwendung der Healthcare IT bei professionellen Gesundheitsdienstleistern wie Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten. Das Ziel besteht darin, die Effizienz, die Qualität und die Sicherheit der Gesundheitsversorgung zu verbessern.
„Unter E-Health versteht man heute zumeist Informatikanwendungen, die ein elektronisches Miteinander im Gesundheitswesen ermöglichen.“
Quelle: „Praxishandbuch IT im Gesundheitswesen“, Johner und Haas
Typische E-Health-Technologien und -Produkte sind:
- Elektronische Gesundheitsakten und klinische Informationssysteme
- Klinische „Decision Support Systeme“
- Telematik-Infrastruktur, Gesundheitskarte
b) Definition von Digital Health: Gesamtes Lebensspektrum
Der Begriff Digital Health ist meist breiter gefasst als der Begriff E-Health. Der Fokus geht über den der Gesundheitsversorgung durch Ärzte und Krankenhäuser hinaus.
„Digital Health bezeichnet die Annäherung der digitalen und genetischen Revolution einerseits mit deren Anwendung im Kontext der Gesundheit und Gesundheitsversorgung.“
Quelle: Nach Wikipedia
Zu den wesentlichen Bausteinen, die zum Gelingen von Digital Health notwendig sind, zählen:
- Hardware
- Sensoren, Sensor-Technologien
- Fortschreitende Miniaturisierung von Mikroprozessoren und integrierten Schaltkreise
- Mobile Endgeräte (z.B. SmartPhones, Fitness-Armbänder)
- Leistungsfähige Hardware
- Netzwerke
- Internet, Internet of Things
- Mobile Netzwerke, Body Area Networks, mHealth
- Soziale Netzwerke
- Genomics
- Genetische Informationen
- Technologien zu deren Auswertung für die Diagnose, Therapie und Überwachung
- Software
- Künstliche Intelligenz, Machine Learning
- Auswertung von Sensorsignalen
- Bioinformatik
- Daten
- Quellen siehe oben (Sensoren, Gendaten, soziale Daten, Bewegungsdaten, medizinische Daten)
- Big-Data
Schlagworte im Kontext von Digital Health sind Wearable Computing, Self-Tracking, Quantified Self, Personalized Medizine, mHealth, Connected Health, Smart Homes und Health 2.0.
c) Zielsetzungen von Digital Health und E-Health
Digital Health (im Vergleich von E-Health) zielt noch stärker auf
- ein ganzheitlichen Gesundheitsmanagement,
- die Vorhersage und Vorbeugung von körperlicher und geistiger Erkrankungen,
- die Stärkung der Eigenverantwortung und von Verhaltensänderungen und
- das Schaffen neuer Angebote auch im privaten Lebensbereich (Sport, Wellness).
Dafür steht bei Digital Health die Effizienzsteigerung bestehender Angebote etablierter Anbieter weniger im Fokus als bei E-Health.
Beispiele für Digital Health Angebote
Die Digital Health Produkte und Dienstleistungen nutzen die neuen technologischen Möglichkeiten und verknüpfen häufig bisher unverknüpfter Daten.
- Aus dem Bewegungsmuster leitet eine App die Dosierung von Medikamenten ab.
- Aus dem Verhalten eines Patienten bei Computer-Spielen schließt eine Software auf degenerative Veränderungen im Gehirn.
- Gleichzeitig dienen spezielle Computerspiele der Verlangsamung und solcher degenerativen Prozesse.
- Aus den Bewegungsdaten lassen sich depressive Erkrankungsformen diagnostizieren.
Die 7 größten Herausforderungen und Lösungsansätze
Die technologischen Möglichkeiten erscheinen verlockend. 1000e neue Firmen entstehen – und verschwinden meist wieder. Der Gesundheitsmarkt ist einerseits der größte Markt, aber auch ein schwieriger.
Lesen Sie hier, welche Herausforderungen die Firmen bewältigen müssen und welche Lösungsansätze dazu bestehen.
a) Übersicht
Herausforderung | Lösungsansätze |
1. Ökonomie und tragfähiges Geschäftsmodell Eine gute Idee reicht nicht aus. Das Team muss von etwas leben können. Gerade in den frühen Phasen ist es schwer, jemand zu finden, der an die Idee glaubt und bereit ist, diese mit Geld zu fördern.Aber auch auf Dauer gilt: Wer mehr ausgibt als er einnimmt, wird vom Markt verschwinden. | Zahlreiche Förderinstitutionen und Investoren haben sich auf den Digital Health Markt spezialisiert.
Das Team des Johner Instituts hilft Ihnen im Rahmen einer Kurzberatung, diese Quellen zu finden und Ihren Business Plan auf Tragfähigkeit zu prüfen. |
2. Erstattung und Abrechnungsfähigkeit Das Geschäftsmodell muss auch beschreiben, wie die Dienstleistung vergütet wird. Soll es eine Abrechnungsziffer geben? Ist eine direkte Erstattung durch die Kassen vorgesehen? | Bei aller Begeisterung für die eigene Idee: Klären Sie frühzeitig ab, wie Sie Geld verdienen wollen. Ist es der Verkauf des Unternehmens? Doch aus dessen Wert hängt von den Finanzzahlen ab.
Geben Sie uns Bescheid: Wir finden mit Ihnen Wege, wie Sie Ihre Angebote vergütet bekommen. |
3. Regulatorische Anforderungen Wird das Produkt zum Medizinprodukt, greift das ganze Medizinprodukterecht. Das ist erschlagend. Die Regel 11 der MDR könnte der Sargnagel manchen Medical Start-ups werden.Bei Gesundheitsdaten ist zusätzliche Vorsicht geboten: Die DSGVO sieht abschreckende Strafen vor.Bedauerlicherweise glauben weitere Akteuere wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft, selbst Kriterien aufstellen zu müssen, z.B. um die Güte von Algorithmen zu bewerten [Quelle]. | Die FDA setzt gerade ein Programm auf, das den Weg vereinfachen soll. Lesen Sie unten mehr dazu. Klären Sie zuerst, ob Ihr Produkt ein Medizinprodukt ist. Im Rahmen unseres Micro-Consultings helfen wir dabei kostenlos.Dann lesen Sie sich die DSGVO durch oder sehen sich die Videos im Auditgarant dazu an, die erläutern, welche Systemanforderungen Ihre Produkte erfüllen müssen und ob die Speicherung bei Amazon & Co erlaubt ist. |
4. Nachweis der klinischen Wirksamkeit Wenn Ihr Produkt ein Medizinprodukt ist und/oder dessen Anwendung von den Kassen vergütet werden soll, müssen Sie den Nachweis der klinischen Wirksamkeit erbringen. | Handeln Sie schnell: Solange die MDR noch nicht gilt, können Sie Ihre Software ggf. als Klasse I Produkt vermarkten und damit klinische Daten sammeln. Somit sparen Sie sich eine aufwendige klinische Prüfung gemäß MPKPV. |
5. Digitale Infrastruktur Unsere Regierungen verspielt unsere Zukunft. Nicht einmal in der Mitte Berlins gibt es eine ausreichende Internet-Versorgung [Beispiel] Unsere Schweizer Nachbarn schütteln den Kopf [Artikel in der NZZ] | Schimpfen nützt nichts: Wählen Sie Parteien, die sich des Themas annehmen. Treten Sie Ihren Abgeordneten auf die Füße! |
6. Cybersecurity Die Kehrseite der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung sind die zunehmenden Probleme mit der Cybersecurity. Die Behörden achten inzwischen auf die IT-Sicherheit der Produkte. So hat das BSI im Mai 2018 die Anforderungen an vernetzte Medizinprodukte erhöht. | Die IT-Sicherheit können Sie nur schwer nachträglich in Ihre Produkte „einbauen“.
Fordern Sie unsere „Checkliste IT Security“ an und prüfen Sie, ob Ihr Produkt den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Das Team des Johner Instituts hilft mit Penetrations-Tests, Schwachstellen systematisch zu finden und zu eliminieren. |
7. Gesetzlicher und politischer Rahmen Neue Geschäftsmodelle bedrohen die etablierten. Entsprechend wehren sich die Interessensvertreter wie die Ärzteschaft. Das Fernbehandlungsverbot ist ein wenig rühmliches Beispiel dafür. | Ein erster überfälliger Schritt ist getan. Im April 2018 hat der Deutsche Ärztetag eine Lockerung des Fernbehandlungsverbots beschlossen [mehr]. Auch der §291g zur Vereinbarung über technische Verfahren zur konsiliarischen Befundbeurteilung und zur Videosprechstunde geht in die richtige Richtung. |
b) Lösungsansatz: Precertification Program der FDA
Die FDA möchte speziell Anbieter von Digital Health Produkten mit dem „Precertification Program“ unterstützen, Software-Produkt schneller und einfacher im US-Markt in den Verkehr zu bringen. Die Behörde hat dazu ein „Pilot Program“ aufgesetzt, mit dem sie prüfen will, ob die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Produkten gewährleistet, wenn mehr Verantwortung auf die Hersteller übertragen wird.
Lesen Sie den ausführlichen Artikel über das FDA Precertification Pilot Program.
c) Lösungsansatz: E-Health-Gesetz
Telematik-Infrastruktur, Telemedizin, Gesundheitskarte, Mehrwertdienste: Diese Begriffe stehen als Metapher für großspurige Ankündigungen der Politik, für Streitereien zwischen Ärzteschaft und Kostenträgern sowie für gescheiterte Projekte. Viele Anbieter von E-Health-Lösungen haben sich aus dem Markt zurückgezogen. Mit dem E-Health-Gesetz unternimmt die Politik einen weiteren Anlauf.
Ziele des E-Health Gesetzes
Das E-Health-Gesetz soll folgende Ziele zu erreichen helfen
- Technologische Voraussetzungen (Telematik-Infrastruktur) für die Digitalisierung im Gesundheitswesen schaffen
- Dadurch die Effizienz (z.B. Geschwindigkeit der Kommunikation) und Effektivität (Patientensicherheit, Güte von Behandlungen) des Gesundheitswesens fördern
- Datensicherheit und Datenschutz gewährleisten
- Transparenz und Selbstbestimmung der Patienten fördern
Wie das E-Health Gesetz die Ziele erreichen will
Das „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ (kurz: E-Health-Gesetz) möchte die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen und die technischen Voraussetzungen erzwingen:
- Telematikinfrastruktur
Angeblich sollen bis Ende 2018 Arztpraxen und Krankenhäuser flächendeckend an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen sein. - Gesundheitskarte
Darauf gespeicherte Notfalldaten und Medikationspläne sollen Leben retten und die Arzneimittelsicherheit erhöhen. Eine physische Karte!?! - Heilberufeausweise
Der Zugang zu den Daten soll über Ausweise beschränkt und damit der Datenschutz gewährleistet werden. - Elektronische Patientenakte
Patienten und Anbieter (Krankenhäuser, Ärzte) können Gesundheitsdaten über eine Patientenakte austauschen. - Interoperabilitätsverzeichnis
IT-Standards sollen die Interoperabilität der Systeme gewährleisten. - Online-Anwendungen
Der Online-Abgleich von Versicherungsdaten (Name, Adresse, Versicherung etc.) stellt die erste Anwendung dar.
Lesen Sie hier mehr über die gesetzlichen Voraussetzungen und den aktuellen Stand der Beratungen im Bundestag.
Beachten Sie, dass das E-Health-Gesetz ein Gesetz ist, das bestehende Gesetze wie das Sozialgesetz und die Strafprozessordnung sowie nationale Verordnungen wie die „Verordnung über Testmaßnahmen für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte“ ändert bzw. einführt.
Fazit
70 Millionen Versicherte mit einem System zu verwalten, ist zweifelsohne ein großes Vorhaben. Trotzdem bleibt ein Gefühl des Fremdschämens, weil nach über 15 Jahren und Investitionen im Milliardenumfang nur der Abgleich von Versicherungsstammdaten als erste konkrete Online-Anwendung geplant ist. Wohlgemerkt geplant. Viele Technologien wie physische Karten sind bereits vor ihrer Einführung veraltet.
E-Health wird in Deutschland nur erfolgreich sein, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind:
- Wille der Beteiligten
Solange Ärzteverbände, Krankenhausgesellschaften und Politik nur die eigene Klientel bedienen wollen, wird der Fortschritt systematisch ausgebremst. Mit dem Hammer des Datenschutzes oder dem massenhaften Sterben von Patienten zu drohen, erscheint nicht zielführend.
Es ist peinlich, dass man heute noch mit Papierrezepten in die Apotheke gehen muss und mit ausgedruckten Arztbriefen aus dem Krankenhaus entlassen wird. - Technische Voraussetzungen
So banal es klingt: Voraussetzung für E-Health sind ausreichend dimensionierte Datennetzwerke. Deutschland ist beim Ausbau inzwischen auf Platz 26 abgerutscht – hinter Länder wie Rumänien. Die Schweizer Nachbarn schütteln den Kopf. Leider hat es die Politik bisher bei Ankündigungen belassen. Vielleicht benötigen wir vor dem E-Health-Gesetz erst noch ein Breitbandgesetz. - Professionelles Management
Dass Politiker und staatliche Behörden nicht in der Lage sind, größere Projekte zu stemmen, im Gegenteil diese durch ständige Neupriorisierungen behindern, ist nichts Neues. Man sollte solche Aufgaben Profis übertragen.
FDA und Digital Health
a) Wie die US-Behörde Digital Health fördern will
Spätestens mit dem 21st Century Cures Act hat die US administration klar gemacht, dass sie „Digital Health“ fördern will.
Ein Baustein dieses Initiative war die Änderung des „Food, Drug & Cosmetic Acts“. In dessen Definition des Begriffs Medizinprodukt sind viele Software-Anwendungen ausgenommen. Leider ist diese Definition zu unglücklich geraten, dass sich die FDA genötigt fühlte, eine Interpretation dieses Gesetzes in einem ihrer „Guidance Documents“ zu geben.
Lesen Sie mehr dazu im Artikel über Clinical Decision Support Systems.
Der FDA Commissioner Dr. Scott Gottlieb beschreibt, wie die FDA die Innovation im Bereich Digital Health befördern will. Er betont, wie wichtig Innovation in diesem Bereich für den medizinischen Fortschritt ist und wie sehr seine Behörde ihren Beitrag leisten will.
Ein Beispiel dafür ist das Software Pre-certification Pilot Programm. Auch das geplante „Center of Excellence for Digital Health“ soll helfen, dieses Ziel zu erreichen. Dieses Center hat zum Ziel, die Kompetenzen der Behörde in den Bereichen Software, Regulierung und Cybersecurity zu bündeln. Der „Digital Health Innovation Action Plan“ fasst diese (geplanten) Aktivitäten zusammen, zu denen auch neue „Guidance Documents“ zählen.
b) Analyse der Auswirkungen des 21st First Century Cures Act
2016 hat die FDA bestimmte Softwarefunktionen aus der Definition für Medizinprodukte ausgeschlossen. Um die Auswirkungen dieser Entscheidung zu prüfen und die Ergebnisse transparent zu machen, muss der Gesundheitsminister nun alle zwei Jahre einen Bericht veröffentlichen, in dem alle verfügbaren Informationen über Risiken und Nutzen dieser ausgeschlossenen Gesundheitsfunktionen verfügbar gemacht werden. Hier finden Sie eine Zusammenfassung der Ergebnisse des ersten Berichts vom Dezember 2018.
Typ an Software | Risiken, Schäden | (klinischer) Nutzen |
Software für administrative Zwecke z.B. zur Bestellung von Medikamenten | Drei Zwischenfälle wurden gemeldet, einer verlief tödlich. Patienten erhielten falsche Medikamente bzw. falsche Dosierungen. | Die elektronische Verschreibung wird als nützlich bezeichnet. Beispielsweise hatten HIV Patienten mit elektronischen Verschreibungen eine niedrigere Anzahl an Viren.
Durch Teledermatologie betreute Patienten erhielten schneller eine Beratung. |
Software, die einen gesunden Lebensstil fördern soll. | Zwischenfälle sind der FDA nicht bekannt, wobei sie zu bedenken gibt, dass diese Produkte gar nicht von ihr reguliert werden. | Mehrere Studien zeigen, dass Patienten eine höhere Achtsamkeit haben, wenn sie sich durch entsprechende Apps unterstützen lassen.
Auch die physische Aktivität nahm bei SmartPhone Unterstützung teilweise signifikant zu. Andere Studien berichten von Erfolgen bei der Gewichtsabnahme. |
Elektronische Patientenakten | Eine Studie, die 1,7 Millionen Ereignisse auswertet, kommt zum Schluss, dass in 0,03% der Fälle mangelnde Gebrauchstauglichkeit zu Patientenschäden führt.
Ein Todesfall wird berichtet, bei dem falsche Informationen zu einer Fehbehandlung führten. | Durch fortschrittliche („advanced“) elektronische Akten nahmen die Anzahl der Medikationsfehler um 30% ab.
Eine prospektive Studie kommt zum Schluss, dass die elektronischen Akten zu besseren Ergebnissen z.B. reduziertem Blutdruck und Körpergewicht führen. |
Software zum Weiterleiten, Speichern, Konvertieren und Anzeigen von Laborwerten und anderer Gerätedaten. | Ähnlich wie die „Wellness“ Anwendungen, reguliert die FDA diese MDDS nicht mehr. Berichte über Zwischenfälle liegen (daher) nicht vor. | Analysen weisen keine Vorteile bzw. einen klinischen Nutzen nach. |
Clinical Decision Support Systems | Die FDA berichtet nur von einem Zwischenfall, bei dem eine Software die Medikamentendosis auf Basis eines falschen Geburtsdatums berechnet. | Insgesamt sieht die Behörde Vorteile, weil Medikamentenwechselwirkungen und Kontraindikationen besser vermieden werden können. Auch würden die Verschreibungen vollständiger ausgefüllt, was die Risiken minimieren und die „Adherence“ der Patienten verbessern würde. |
c) Fazit
Die Analyse der FDA ist in mehrfacher Weise hilfreich:
- Sie untersucht vorurteilsfrei die Chancen und Risiken durch den Einsatz von Digital Health in der Medizin. Der Nutzen beim Einsatz von Software überwiegt die Risiken. Allerdings muss viel getan werden, um diese Risiken zu minimieren.
- Der Bericht hat viele wertvolle und sehr aktuelle Literaturstellen zusammengetragen, was für Firmen bei der Erstellung der klinischen Bewertung hilfreich sein kann.
- Die Analyse zeigt auch, dass für die Analyse von Software-Anwendungen, die von der FDA nicht mehr reguliert werden, kaum Daten vorliegen.
Zusammenfassung
Viele etablierte Anbieter wie Versicherungen, Krankenhäuser, Ärzte und Medizintechnikhersteller springen auf den „Digital Health Zug“ auf. Doch nicht überall, wo Digital Health drauf steht ist auch Digital Health drin. Häufig sind es „nur“ etablierte Angebote, die nun digitalisiert oder durch Software unterstützt werden.
Digital Health ist aber mehr als E-Health. Das haben viele Start-up besser als die etablierten Anbieter erkannt. Doch ohne ein solides Geschäftsmodell, ohne den Nachweis eines (klinischen) Nutzens und ohne die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, werden die großartigsten Ideen nicht von Erfolg gekrönt sein.
Der unternehmerische Mut und die Innovationskraft vieler Firmen, auch Startups, lässt hoffen, dass Digital Health die Gesundheitsversorgung verbessern wird.
Auf die Unterstützung des Staats kann man leider nicht bauen, wie die Historie der Telematik-Infrastruktur, die Regel 11 der MDR oder der Breitbandausbau leider auf tragische Weise belegen.
„Wir wollen keine Entwicklungen verhindern, sondern zielorientiert mitgestalten“, wird der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft zitiert. Es ist zu befürchten, dass genau diese Behinderung erfolgen wird, wenn sich neben dem Gesetzgeber auch Institutionen wie Ärzteverbände, Fachgesellschaften und obskure Medical-Apps-Zertifizierer berufen fühlen, eigene Kriterien und Hürden zur Qualifikation von Digital Health Angeboten zu etablieren.
Hallo,
ich finde es ist schon einen Widerspruch einerseits zu behaupten, dass der Staat ungeeignet sei und man es „Profis“ überlassen soll. Aber andererseits sich über den schlechten Netzausbau beklagen, der seit 1995 in privater Hand ist.
Entweder wir wollen eine Privatisierung, dann dürfen wir aber bei Problemen auch nicht nach dem Staat schreien, oder wir wollen, dass der Staat sich drum kümmert und Steuergelder reinsteckt, dann will ich aber auch nicht, dass eine private Firma da die Gewinne abzieht.
Unbestritten ist natürlich, dass man unter einer „Neuland“-Kanzlerin Merkel und einem entsprechenden Kabinett keine großen Sprünge in Richtung Digitalisierung erwarten sollte. Aber wenn man sich darüber „nervt“ sollte man nicht gleich wieder fordern, dass der Staat sich aus allem raushält. Unser Staat schafft nämlich extrem viel extrem gut. Nur darüber schreibt niemand groß.
Danke für Ihre Gedanken, Herr Sauter!
Das ist eine sehr spannende Diskussion, für welche Aufgabe der Staat verantwortlich sein sollte und was privatisiert werden sollte. Ich möchte auch nicht in Anspruch nehmen, das Ei des Kolumbus zu haben oder zu kennen.
Im konkreten Fall nimmt sich der Staat nur die Freiheit über Gesetze wie das „Gematik-Gesetz“ die Freiheit, Dinge zu regeln. Zur Freiheit gehört immer auch die Verantwortung.
Was ich offensichtlich missverständlich formuliert habe, ist die Sache mit den Profis: Meine Aussage zielte nicht Richtung Privatisierung aller Projekte, sondern Richtung Nutzung privater Dienstleister durch den Staat für das Projektmanagement.
Nochmals danke für Ihre Gedanken!
Christian Johner
Ja, da stimme ich voll zu, dass der Staat mit Regelungen auch Verantwortung übernimmt.
Worum es mir ging: 1995 hat man gesagt, man will gerade die Kommunikations-Infrastruktur den „Profis“ übergeben weil dann alles besser und günstiger wird. Und heute beschwert man sich bei der Politik, dass es nicht funktioniert.
Und so könnte ich noch zig Beispiele aufzählen. Selbst die Gematik GmbH gehört dazu, bei der man vermeintliche Profis als Gesellschafter hat.
Daher bin ich inzwischen sehr vorsichtig dem Mantra, dass der Staat es nicht kann und es bei anderen besser aufgehoben wäre zuzustimmen und sehe es inziwschen eher anders rum.
Aber das ist ja nur ein Randaspekt des Artikels.
Lieber Herr Johner,
Anmerkungen zu Ihrer extrahierten Risiko/Nutzenanalyse:
Weder Risiken noch Nutzen können ohne Kontrollgruppe (=Versorgung ohne Software) richtig bewertet werden. Ich vermute, dass in der Kontrollgruppe registrierte und nicht registrierten Ereignisse wesentlich höher sind. Bei der Nutzenanalyse hat die FDA ja offensichtlich auf Studienliteratur zurückggegriffen. Offensichlich fehlen aber Erhebungen zur Auswirkung auf Überleben, Lebensqualität, und Kosten im Vergleich zur Versorgung ohne Software. Selbst eine kleine repräsentative Stichprobenstudie könnte die Analyse der registrierten Daten in ein korrekteres Licht setzen. Das Problem bezieht sich natürlich auf alle Registerstudien und Datenbanken wie DIMDI und EUDAMED sowie die geplante Postmarketsurveillance. Und die Kontrollgruppe ist am Aussterben! Ich bin ein Anhänger von „real world data“ , aber auch von Data Science!
Mit besten Grüßen
Frohe Feiertage und ein spannendes Neues Jahr
E. Wellnhofer
P.S. Die Teilnahmekosten für Ihren Institutstag sind mir als Rentner zu hoch. Sonst hätte mich das Thema schon interessiert.
Sehr interessanter Beitrag und danke für die genaue Erklärung. Vorab hätte ich den Unterschied nicht erklären können. Trotzdem immer wieder spannend, wie sich die Digitalisierung auch in diesem Bereich durchsetzt, egal ob es das grosse Unternehmen in Berlin oder den kleinen Hausarzt in Dübendorf betrifft.