Wer die Einkaufskosten senken möchte, sollte nicht nur auf den Einkaufspreis achten. Lesen Sie in diesem Beitrag, wann Sie welche Hebel ansetzen sollten und auf was Medizinprodukte-Hersteller besonders achten sollten.
Einkaufskosten versus Einkaufspreis
Die Einkaufskosten sind alle Kosten, die Unternehmen für die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen aufwenden müssen. Die Einkaufskosten setzen sich zusammen aus:
- Einkaufspreis / Beschaffungspreis
- Nebenkosten der Beschaffung, die manchmal auch als Beschaffungskosten bezeichnet werden. Mehr zu den Nebenkosten lesen Sie weiter unten.
Einkaufskosten: Was eine Senkung bringt
Einkaufskosten lassen sich somit senken, in dem man den Hebel am Einkaufspreis und an den Nebenkosten ansetzt. Um ein Beispiel durchzurechnen, machen wir folgende Annahmen:
- Die Einkaufskosten betragen 60% des Umsatzes.
- 45% davon fallen auf den Einkaufspreis, 15% auf die Nebenkosten.
- Die weiteren Kosten (z.B. für Entwicklung, Overhead, Vertrieb) belaufen sich auf 37%
- Dies führt zu einem Rohgewinn von 3%.
- Eine Optimierung der Einkaufskosten um 3% verteilt sich im Verhältnis 2:1 auf die Reduktion des Einkaufspreises und der Nebenkosten.
Die vergleichsweise kleine Optimierung ist direkt ergebniswirksam: Der Gewinn verdoppelt sich von 3% auf 6%. Wollte man die gleiche Gewinnsteigerung über einen höheren Umsatz erreichen, müsste der Vertrieb diesen Umsatz um 60%(!) steigern.
Bei Unternehmen mit höheren Umsatzrenditen und mit prozentual niedrigeren Einkaufskosten wirkt sich der Effekt schwächer aus. Bei Unternehmen mit schwächerer Rendite und/oder höheren prozentualen Einkaufskosten entsprechend stärker.
Umsatzrendite (vor Steuer) |
Senkung der Einkaufskosten |
Erforderliche Umsatzsteigerung (um gleichen Effekt zu erreichen) |
5% | 3% | 36% |
8% | 3% | 23% |
12% | 3% | 15% |
Zur Berechnung: Eine Senkung der Einkaufskosten um 3% erhöht nicht den Gewinn von 5% um 3% auf 8%, weil die anderen Kosten unverändert bleiben. Aber zu 60% (in unserem Beispiel) wirkt sich diese Ersparnis aus, d.h. der Gewinn wächst von 5% auf 6,8%. Das ist ein Gewinnwachstum von 36%.
Einkaufskosten senken: Diese Fehler sollten Sie vermeiden
Wie entscheidend die Senkung der Einkaufskosten ist, zeigt das obige Beispiel. Die Bedeutung ist den meisten Firmen auch bewusst. Bei der Senkung der Einkaufskosten sollten Sie folgende typischen Fallen unbedingt vermeiden:
- Nebenkosten nicht vergessen
Haben Sie nicht nur die Senkung des Einkaufspreises im Blick, sondern auch die Senkung der Nebenkosten. Mehr dazu lesen Sie weiter unten. - Fairness zählt: Den Lopez-Effekt vermeiden
Wer über die Köpfe der Lieferanten hinweg seine eigene Einkaufsmacht missbraucht, um Einkaufspreise einseitig zu drücken, bezahlt auf Dauer einen hohen Preis. Erinnern Sie sich an die Schäden durch den Lopez-Effekt, den sich die deutsche Autoindustrie zugefügt hat. - Transparenz bei den Kosten
Durch zu dezentrale und ungeordnete Einkaufsvorgänge besteht überhaupt keine Transparenz über die Kosten und damit keine Entscheidungsgrundlage, wo eine Reduktion der Einkaufskosten besonders sinnvoll ist. - Kein Kompromiss bei der Sicherheit
Wenn Sie Medizinprodukte herstellen, müssen die Anforderungen an die Produkte und Dienstleistungen Ihrer Lieferanten aus dem Risikomanagement abgeleitet sein. Diese müssen erfüllt sein, da gibt es keine Kompromisse. Die ISO 14971 verlangt, dass ökonomische Entscheidungen keine Rolle spielen, wenn es um die Minimierung von Risiken geht. - Zusammenarbeit mit Lieferanten
Die Einkaufspreise sollten ständig hinterfragt werden. Neue Technologien, Skaleneffekte und Prozessverbesserungen sollten die Kosten tendenziell senken. Arbeiten Sie mit Ihren Lieferanten zusammen, um diese Potenziale zu erkennen und gemeinsam(!) zu nutzen. - Kontinuierliche Innovation
Was nützt es, wenn man mit dem Lieferanten eine dreiprozentige Senkung des Einkaufspreises verhandelt hat, wenn der Wettbewerber durch eine disruptive Innovation ein gleichwertiges Produkt für den halben Preis anbieten kann? Stellen Sie sich regelmäßig Frage, ob Sie die eingekauften Produkte und Dienstleistungen nicht komplett ersetzen können.
Nebenkosten
Nicht nur der Einkaufspreis, sondern auch die Nebenkosten, bestimmen die gesamten Einkaufskosten.
Beispiele für Nebenkosten
Zu den Nebenkosten zählen:
- Kosten der Einkaufsabteilung u.a. für die Lieferantenauswahl und Lieferantenbewertung
- Kosten für die Wareneingangskontrolle
- Ggf. Kosten für Fehlerbehebungen, Reklamationen oder Rücksendungen.
- Im schlimmsten Fall Kosten für Rückrufe der eigenen Produkte
- Frachtkosten, Zoll,
- Maklergebühren, Provisionen, Notariatskosten, Steuer
- Kosten für die Montage und Inbetriebnahme
- Kosten für das Einarbeiten der Mitarbeitenden
Nebenkosten und damit die Einkaufskosten senken
Besonders bei großen Firmen belaufen sich die Kosten für Einkaufsprozess (also den internen Kosten, die unabhängig vom Einkaufspreis des Produkts sind) auf mehrere 100 Euro. Hier können Unternehmen mehrere Hebel ansetzen, beispielweise:
- Anzahl der Lieferanten reduzieren
- Aufwände für die (fortlaufende) Lieferantenbewertung adaptieren an:
- Kritikalität des Lieferanten für das Unternehmen
- Kritikalität der Produkte/Dienstleistungen für die Sicherheit des eigenen Medizinprodukte und der damit behandelten Patienten
- Einkaufsvolumen bei dem Lieferanten
- Outsourcing von unkritischen Beschaffungsvorgängen
Besonderheiten bei Medizinprodukten
Die für Medizinprodukte anwendbaren Gesetze, Verordnungen und Richtlinien interessieren sich nicht für die Kosten der Inverkehrbringer. Dennoch haben einige regulatorische Anforderungen Auswirkungen darauf:
- Die ISO 13485 verlangt, dass Sie Kriterien für die Auswahl und kontinuierlichen Bewertung von Lieferanten aufstellen und deren Erfüllung prüfen. Kosten dürfen ein Kriterium sein. Lesen Sie hier mehr zur Lieferantenauswahl und Lieferantenbewertung sowie zu Lieferantenaudits.
- Sehr vergleichbare Anforderungen stellt die FDA im 21 CFR part 820.
- Die ISO 14971 fordert, die bestmögliche Minimierung der Risiken für Patienten, Anwender und Dritte ohne Rücksichtnahme auf ökonomische Aspekte.
- Die ISO 9001:2015 ist zwar für Medizinproduktehersteller nicht relevant. Hersteller, die danach zertifiziert sind, sollten im Rahmen des dort geforderten Risikomanagements (für die Firma!) Risiken auch durch Lieferanten berücksichtigen und Qualitätsziele definieren, die ökonomische Aspekte umfassen.
Danke an Joachim Scherer für die wertvollen Anregungen!
Ich finde ganz besonders den Punkt der Fairness sehr wichtig. Natürlich geht es vornehmlich im Einkauf darum stets die besten Preise für das Unternehmen zu verhandeln, aber das heißt nicht, dass um jeden Preis der niedrigste Preis erreicht werden muss. In meinen Seminaren höre ich aber dennoch immer wieder, dass diese Meinung leider recht verbreitet ist. Ganz besonders bei Einkäufern aus Firmen, die eine große brancheninterne Machtposition haben.
Dahingegen predige ich immer wieder sich auch mal in die Perspektive des anderen zu versetzen. Da gilt es dann abzuwägen: Will ich den total niedrigsten Preis haben oder einen etwas leichter verringerten Preis, dafür aber eine gesunde, nachhaltige Lieferantenbeziehung, von der in in Zukunft noch häufiger profitieren kann.
Als 7. Punkt in Fehlern im Einkauf möchte ich noch Mangelnde Bereitschaft zur Finanzierung der Digitalisierung von Einkaufsprozessen ergänzen. Meines Erachtens ein großes Feld, das in manchen Unternehmen noch außer Acht gelassen wird.
Sehr guter Punkt, danke Herr Dr. Kruechel.