Glaubt man den Analysen von Gartner, hat der 3D-Druck in der Medizin den „Gipfel der überzogenen Erwartungen überschritten. Viele Firmen versuchen noch auf den Zug aufzuspringen. Sie haben jedoch weder eine genaue Vorstellung wie, noch wissen sie, wie Gesetze den 3D-Druck regulieren. Die Regularien sind komplex und unterscheiden sich ggf. für den Drucker und die Software. Das birgt Risiken bei Audits.
Inhaltsübersicht |
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1. Wo wird der 3D-Druck in der Medizin(technik) eingesetzt?
a) Menschliche Ersatzteile
Die meisten denken beim 3D-Druck in der Medizin sofort an „Ersatzteile“ wie
- Herzklappen
- Zähne
- Gelenke
- Knochen (nach Unfällen oder Krebserkrankungen)
Eher noch Zukunftsmusik ist der Druck von Geweben und ganzen Organen.
b) Medizinprodukte, Hilfsmittel, komponenten
Auch die Medizinprodukte selbst wie beispielsweise Hilfsmittel lassen sich mit dem 3D-Druck nicht nur schnell und kostengünstig, sondern v.a. maßgeschneidert für Patienten herstellen. Denken Sie an Orthesen, Zahnschienen oder Stabilisatoren bei Knochenbrüchen.
Nicht immer geht es darum, das ganze Medizinprodukt zu drucken. Vielmehr genügt es häufig, nur Teile dieses Produkts herzustellen wie das bei Ersatzteilen oder den patientenspezifischen Komponenten der Fall ist.
c) Schablonen
Schon seit Jahren nutzt man den 3D-Druck zur Herstellung von patientenindividuellen Schablonen. Mit deren Hilfe können Chirurgen noch präziser schneiden, bohren und sägen.
Solche Schablonen finden v.a. bei Gelenkersatz-Operationen Anwendung. In der Radioonkologie helfen Schablonen, in der Nähe kritischer Bereiche wie der Augen oder dem Rückenmark noch präziser zu bestrahlen.
d) Simulation
Es gibt Anbieter, die Replika des menschlichen Körpers nicht als Ersatzteile drucken, sondern zum Diagnostizieren und zum Üben kritischer Operationen. Die Firma Materialise berichtet, wie der 3D-Druck eines von einem Tumor befallenen Herzens dabei half, elektrische Signale zu modellieren und die Operation zu simulieren und vorzubereiten.
2. Wie wird der 3D-Druck gesetzlich reguliert?
a) Europa
Der 3D-Drucker ein Medizinprodukt?
3D-Drucker werden meist nicht als Medizinprodukte betrachtet, sondern als Produktionsmittel. Die SwissMedic schreibt explizit: „The 3D printer, being hardware, is not a medical device.”
Bei marktüblichen 3D-Druckern ist diese Aussage sicher korrekt. Ein spezifischer 3D-Drucker für die Medizin müsste ggf. anders bewertet werden, wenn er beispielsweise Software enthält, die spezifischen medizinischen Zwecken genügt. Dazu im nächsten Absatz mehr.
Die zugehörige Software?
Würde diese “embedded” Software beispielsweise dabei helfen, die beste Geometrie für einen Zahn, ideale Bohrpositionen für ein Implantat oder die optimale Schnittführung für den Chirurgen zu bestimmen (wie das bei Schablonen der Fall ist), liegt der Fall anders:
Jetzt dient die Software und damit der ganze Drucker (direkt) der Therapie und wird damit zum Medizinprodukt. Die Regel 11 könnte sogar dazu führen, dass ein Drucker höher klassifiziert werden muss. Beachten Sie unseren Artikel zur Regel 11 und einem künftigen MDCG Dokument.
Das gleiche würde für eine standalone Software mit gleicher Zweckbestimmung gelten. Zu diesem Ergebnis kommt auch die SwissMedic in dem oben verlinkten Dokument:
The situation is different for the software for a 3D printer. This software may be classified as a medical device depending on its functionality and intended use.
SwissMedic
Eine „branchenunspezifische“ Software zum Ansteuern von 3D-Druckern ist hingegen kein Medizinprodukt.
Die Materialien
Darüber wie die Druckmaterialien (wie Filamente) zu bewerten sind, gibt es unterschiedliche Herangehensweisen der Hersteller und der benannten Stellen. Es gibt Hersteller, die das „Druckergebnis“ (z.B. den Zahn) als das Medizinprodukt klassifizieren. Genauso gibt es Hersteller, die bereits die Materialien als Medizinprodukt in den Verkehr bringen.
Wiederum andere „Material-Hersteller“ bezeichnen ihre Produkte nur als „Medical Grade“. Bei diesen Materialien wurden bereits die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen durch Prüfungen nachgewiesen, die auf Ebene des Materials nachweisbar sind. Dazu zählen u.a. Prüfungen der Biokompatibilität.
Scanner
Regelmäßig entstehen die 3D-Modelle durch das Scannen eines Originals. Hat der Scanner-Hersteller sein Produkt nicht spezifisch für den medizinischen Bereich entwickelt, ist dieser Scanner kein Medizinprodukt – aber i.d.R. ein Produktionsmittel.
Es gibt allerdings auch 3D CAD/CAM Scanner am Markt z.B. für den Dentalbereich, die direkt am Patienten eingesetzt werden und daher speziell als Medizinprodukte deklariert sind.
Der 3D-Drucker als Produktionsmittel
Falls ein Hersteller 3D-Drucker nutzt, um Medizinprodukte zu drucken, ist der Drucker offensichtlich Teil eines qualitätsrelevanten Prozesses. Diesen Prozess müssen die Hersteller konform den regulatorischen Anforderungen (MDD, MDR) insbesondere an das Qualitätsmanagementsystem bzw. entsprechenden der dafür harmonisierten Norm, der ISO 13485 lenken (z.B. Kapitel 7.5). Dazu zählt auch die Forderung, diesen Prozess zu validieren.
Da in diesem Prozess auch Software zum Einsatz kommt, ist der Hersteller zudem zur „Computerized Systems Validation“ (CSV) verpflichtet.
Erfahren Sie hier mehr zur „Computerized Systems Validation“ (CSV).
Sonderfall „Custom Devices“ / Sonderanfertigungen
Bei den mit den 3D-Druckern hergestellten Medizinprodukten handelt es sich häufig um Sonderanfertigungen.
Für Sonderanfertigungen erlaubt die MDR im Anhang XIII Vereinfachungen bei der Konformitätsbewertung. Diese Vereinfachungen betreffen aber nicht das Qualitätsmanagementsystem und damit nicht die dabei verwendeten 3D-Drucker.
Allerdings schränkt die MDR die scheinbare Freiheit ein:
Serienmäßig hergestellte Produkte, die angepasst werden müssen, um den spezifischen Anforderungen eines berufsmäßigen Anwenders zu entsprechen, und Produkte, die gemäß den schriftlichen Verordnungen einer dazu berechtigten Person serienmäßig in industriellen Verfahren hergestellt werden, gelten jedoch nicht als Sonderanfertigungen;
MDR, Artikel 2 (Begriffsbestimmungen)
Streitpunkt wird also sein, ob eine Herstellung industriell erfolgt. Die Deutsche Zahnärztekammer hat sich bereits positioniert. Sie ist zu dem Schluss gekommen:
Da beim dentalen 3D-Druck patientenspezifische Produkte nicht in Serie hergestellt werden, auch wenn dies im industriellen Fertigungsverfahren erfolgt, bleiben diese Medizinprodukte gemäß MDR weiterhin Sonderanfertigungen.
Quelle
Bei dieser Einschätzung beruft sich die Zahnärztekammer auf ein Statement der Europäischen Kommission (Ref. Ares(2017)4450987-12/09/2017). Dies kann zu Meinungsverschiedenheiten führen, beispielsweise wenn sich „Hersteller“ abmahnen. Hier steht ein höchstrichterliches Urteil noch aus.
b) USA /FDA
Die Anforderungen in den USA sind generell vergleichbar, aber konkreter. Die FDA betrachtet 3D-Drucker i.d.R. auch nicht als Medizinprodukte, sondern als Produktionsmittel. Daher hat sie in einem detaillierten Guidance Document ihre Anforderungen an „Additive Manufactured Medical Devices“ dargelegt (s. Abb. 1).
Abb. 1: Kapitelstruktur der FDA Guidance Documents zum 3D Druck von Medizinprodukten, den sie als „Additive Manufactured Medical Devices“ bezeichnet.
Die Anforderungen betreffen den kompletten Prozess:
- Entwicklung
- Produktion / Herstellung des Medizinprodukts
- Testing des gedruckten Medizinprodukt
Die FDA geht auf spezielle Aspekte ein. Beispielsweise diskutiert sie bei Software:
- Fehler beim Dateiformat bzw. der Formatumwandlung. Die FDA schlägt das Additive Manufacturing File Format (AMF) vor.
- Auswirkung beim Ableiten der Druckbefehle aus dem Modell z.B. beim Setzen von Stützmaterialien
- Anwendbarkeit des Guidance Documents zur Software Validiation
3. Fazit
Der ganz große Hype um den 3D-Druck in der Medizin mag in einzelnen Bereichen vorbei sein. Aber was zählt, ist die tatsächliche Anwendung. Und hier zeigt die Kurve steil aufwärts.
Regulatorisch herrscht gelegentlich Unsicherheit, was das Medizinprodukt ist.
Die FDA hat 2017 mit ihrem Guidane Document einen sehr hilfreichen Leitfaden erstellt, der Anforderungen an den komplette Prozess stellt. Diesen sollten Hersteller auch in Europa nutzen, um die für den 3D-Druck spezifischen Risiken zu analysieren und zu beherrschen.
Einmal mehr ist es die Software, die einerseits den Fortschritt ermöglicht und andererseits aufgrund der Risiken besonders in den Fokus genommen werden muss, die Software-Fehler verursachen können.