Die EU-Verordnung 2017/745 (MDR) legt die allgemeinen Anforderungen an die Gebrauchsanweisung (instructions for use, kurz IFU) fest. Ob sie auch in elektronischer Form vorliegen darf (eIFU), regelt die Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226.
Wir haben die Voraussetzungen für die elektronische Gebrauchsanweisung für Sie zusammengefasst.
1. Voraussetzungen für die Nutzung einer elektronischen Gebrauchsanweisung
Gemäß Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 darf die Gebrauchsanweisung statt auf Papier auch elektronisch vorliegen (eIFU), wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Produkt fällt in eine bestimmte Geräteklasse:
- Implantierbare und aktive implantierbare Medizinprodukte und Zubehör
- Fest installierte Medizinprodukte und Zubehör (z. B. Kernspintomograph)
- Medizinprodukte und Zubehör, in die ein System zur Anzeige der Gebrauchsanweisung eingebaut ist (z. B. Ultraschallgerät)
- und: Die Geräte und das Zubehör sind ausschließlich für Professionals (Ausnahme: Software!).
- und: Eine Risikoanalyse liegt vor, die untersucht:
- Erfahrung der Nutzer mit dem Gerät und mit eIFUs
- Nutzungskontext (Steht ein Computer zur Verfügung?)
- Folgen, wenn nicht auf die IFU zugegriffen werden kann (z. B. Internet ist nicht verfügbar)
- Kompatibilität der Website der eIFU mit verschiedenen Geräten
- Mögliche Notfallsituationen
- Schutz vor Verfälschung der IFU und ggf. Versionierung
- Zeitspanne, bis der Nutzer eine Papierversion erhalten kann
- und: Die Gebrauchsanweisung (IFU) kann in weniger als sieben Tagen in Papierform verfügbar gemacht werden.
- und: Die eIFU ist in der Kennzeichnung ausgewiesen.
- und: Die eIFU ist auf der Website des Herstellers abrufbar.
- und: Eine „Mini-Gebrauchsanweisung“ für den Notfall und die Installation liegt vor (in der man auch erkennen kann, wo man die Papierversion erhält).
2. eIFU für Software auch bei Nutzung durch Laien
Für Software im Sinne der MDR ist die elektronische Form auch dann erlaubt, wenn das Produkt nicht nur von Profis genutzt wird. Für medizinische Software ist die eIFU also auch bei der Nutzung des Produkts durch Laien erlaubt. Bereitzustellen ist die elektronische Gebrauchsanweisung mithilfe der Software selbst und nicht in Papierform (Art. 3 Abs. 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226).
3. Sonderfall IVD und Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung
Die Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 zu elektronischen Gebrauchsanweisungen gilt nicht für In-vitro-Diagnostika (IVD). Stattdessen regelt die IVDR, wann Hersteller von der Papierform abweichen dürfen:
Wenn das Produkt lediglich für den beruflichen Gebrauch bestimmt ist, kann die Gebrauchsanweisung dem Anwender in anderer Form als in Papierform (z. B. elektronisch) bereitgestellt werden, es sei denn, das Produkt ist für patientennahe Tests vorgesehen.
IVDR (VO 2017/746) Anhang I, Kapitel III, 20.1.f
Die Verordnung 2021/2226 gilt auch nicht für Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung im Sinne des Anhangs XVI der MDR.
4. Neuerungen durch die Verordnung 2021/2226
Die Durchführungsverordnung 2021/2226 hat die alte EU-Verordnung 207/2012, welche bisher auch unter der MDR gültig war, ersetzt. Die Verordnung 207/2012 bleibt allerdings für Produkte gültig, die während der Übergangsfrist gemäß Artikel 120 Absatz 3 der MDR in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen wurden.
Mehr zu den Übergangsfristen der MDR erfahren Sie in unserem Beitrag Übergangsfristen.
Die wichtigsten Änderungen durch die neue Durchführungsverordnung 2021/2226:
a) Software
Die eIFU für Software ist nun auch möglich, wenn die Software durch Laien genutzt wird.
b) Risikobewertung
Bei der Risikobewertung nach Art. 4 wurden zwei Punkte ergänzt:
j) Bewertung der Kompatibilität der Website bei der Darstellung der elektronischen Gebrauchsanweisung auf verschiedenen Geräten, die zur Anzeige dieser Gebrauchsanweisung verwendet werden könnten
k) Gegebenenfalls Verwaltung der verschiedenen Versionen der Gebrauchsanweisung gemäß Artikel 5 Absatz 8
c) eIFU auf der Website des Herstellers
Ebenfalls beachtenswert ist die Pflicht des Herstellers bei Bereitstellung einer eIFU laut Artikel 5 (12):
Es sind wirksame Systeme und Verfahren vorhanden, um sicherzustellen, dass die Nutzer der Produkte nach dem Herunterladen der Gebrauchsanweisung von der Website über Aktualisierungen oder Korrekturmaßnahmen in Bezug auf diese informiert werden können.
Wenn eine eIFU zur Verfügung gestellt wird, muss diese auf der Website des Herstellers verfügbar sein (Artikel 5 (11)).
(13) Alle herausgegebenen historischen elektronischen Versionen der Gebrauchsanweisungen sind auf der Website verfügbar.
d) eIFU in der Kennzeichnung des Produkts
Nach Artikel 6 (1) müssen Hersteller in der Kennzeichnung deutlich darauf hinweisen, dass die Gebrauchsanweisung des Produkts in elektronischer Form statt in Papierform zur Verfügung gestellt wird.
Dazu kann das Symbol 5.4.3 aus der ISO 15223-1 bzw. ISO 7000-1641 mit den Zusätzen „eIFU“ und „Indicator“ verwendet werden:
The eIFU indicator can be a manufacturer’s website URL or some other appropriate indication that the instructions for use are available in an electronic format.
Die „Mini-Gebrauchsanweisung“, die erklärt, wie der Zugang zur eIFU ermöglicht wird, sollte auch die Basis UDI-DI oder UDI-DI enthalten (Artikel 6 (3 b)).
5. Relevanz der Verordnung auch ohne eIFU
Die Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 ist nicht nur dann relevant, wenn Hersteller eine reine eIFU verwenden. Anhang I, Artikel 23.1 der MDR schreibt vor:
Diese Angaben können auf dem Produkt selbst, auf der Verpackung oder in der Gebrauchsanweisung angebracht sein und werden — falls der Hersteller über eine Website verfügt — dort bereitgestellt und aktualisiert […]
Das bedeutet: Alle Hersteller müssen ihre IFU auf ihrer Website hochladen (bzw. die relevanten Inhalte). Genau hier setzt Artikel 9 der Verordnung 2021/2226 an:
- Ergänzend zur MDR wird gefordert, dass Hersteller die genaue Entsprechung der Papierform der Gebrauchsanweisung hochladen.
- Dies bezieht sich nur auf die Gebrauchsanweisung, nicht auf die Etiketten. Die MDR fordert nicht, diese online zu veröffentlichen, sondern nur deren Inhalte, welche die Gebrauchsanweisung ebenfalls abdeckt.
- Gemäß Artikel 7 der Verordnung 2021/2226 müssen Hersteller
- ihre Website gegen unbefugten Zugriff und Veränderungen schützen,
- den Datenschutz gewährleisten,
- den Zugang zur Website während der Lebensdauer des Produkts sicherstellen sowie
- alle alten Versionen der hochgeladenen Gebrauchsanweisungen archivieren.
6. Fazit
Die elektronische Gebrauchsanweisung ist für viele Nutzer eine große Erleichterung und bringt auch den Herstellern der Medizinprodukte viele Vorteile. Hersteller, die ihre Gebrauchsanweisungen in elektronischer Form zur Verfügung stellen möchten, sollten jedoch die Voraussetzungen der Durchführungsverordnung 2021/2226 genau studieren und mögliche Risiken durch die elektronische Gebrauchsanweisung einkalkulieren.
Versionshistorie:
- 2024-08-22: Kapitel ‚Relevanz der Verordnung auch ohne eIFU‘ hinzugefügt
- 2022-01-20: Änderungen der Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 sowie Hinweise zu IVD ergänzt
Der Korrektheit doch bitte dies berücksichtigen:
die 207/2012/EU ist eine Europäische Verordnung und keine Richtlinie.
Eine EU-Verordnung gilt sofort und in allen EU-Staaten, während die EU-Richtlinie erst noch in nationales Recht umgewandelt werden muss.
Eine Richtlinie hätte in der realen Umsetzung zwar länger gedauert, aber ich hätte mich schon einmal freuen können auf Ihre dann folgenden Kommentare zu den jeweiligen Ausführungen.
Das ist ein sehr wichtiger und absolut zutreffender Hinweis! Danke!
Es stimmt auch nicht, dass unser Rechtssystem eigentlich anders herum funktioniert. Vielmehr kommt es dabei auf das jeweilige Rechtsgebiet an, ob das eine oder das andere besser zu handhaben ist.
Das Straßenverkehrsrecht tickt anders als das Wasserhaushaltsgesetz.
Grundsätzlich ist es aber doch so, dass alles verboten ist, was nicht erlaubt ist.
Guten Morgen,
es gibt einen interessanten Zusatz zum Inhalt von Gebrauchsanweisungen. Eine namhafte Benannte Stelle forderte kürzlich zwingend die Angabe von Indikationen und Kontraindikationen, was gerade bei nicht-invasiven diagnostischen Produkten interessant werden kann.
Viele Grüße
Einmal mehr danke, lieber Herr Knipp! Gibt es vielleicht sogar einen Link oder eine belastbare Quelle? Ich weiß natürlich, dass vieles eher inoffiziell, aber deshalb nicht unwichtiger ist bzw. kommuniziert wird.
In jedem Fall, herzlichen Dank!
Interessant an dieser Stelle ist noch die Sicht der FDA zum elektronischen Labeling:
http://www.fda.gov/medicaldevices/deviceregulationandguidance/overview/medicaldeviceuserfeeandmodernizationactmdufma/ucm109200.htm
Beste Grüsse!
Der Absatz zu den Voraussetzungen ist m. E. etwas missverständlich:
Die ersten fünf Aufzählungspunkte stellen Alternativen dar, die Bestimmung zur professionellen Verwendung muss aber immer zusätzlich erfüllt sein.
Sie haben absolut Recht! Mir waren versehentlich die „Professionals“ unter die Geräteklasse gerutscht. Dank Ihrer Hilfe konnte ich die Einrückung und damit die Verständlichkeit (eigentlich sogar Korrektheit) wieder herstellen. Danke!!
Hallo Herr Johner,
aus welchem Artikel der EU Verordnung 207/2012 leiten Sie die Anforderung einer „Mini-Gebrauchsanweisung“ ab?
Viele Grüße
Sehr geehrte Frau Fink,
in Artikel 5 Absatz 4 steht:
Viele Grüße, Christian Johner
Hallo Herr Johner,
worauf begründen Sie die Aussage, dass Dialysemaschinen zu den „festinstallierten Medizinprodukten“ gehören?
Die Definition von „festinstallierten MP“ sagt aus, dass sie „…ohne die Verwendung von Werkzeugen oder Instrumenten nicht …entfernt oder abmontiert werden können, … “
Um eine Dialysemaschine zu verschieben braucht man ja in der Regel kein Werkzeug.
Vielen Dank & Viele Grüße
Sehr geehrter Herr Holzfuß
Sie haben Recht, die Dialysemaschinen sind keine guten Beispiele, weil in der Tat viele – auch bei einer Ringversorgung – ohne Werkzeug ausgetauscht werden können. Das hängt natürlich von der Art der jeweiligen Installation ab, aber Beispiele sollten keine neuen Fragen aufwerfen. Daher habe ich das Beispiel entfernt.
Danke für Ihren Hinweis!
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
ich tue mich wirklich schwer bei der Deutung des Artikel 8 der VO207/2012
sind die Artikel 4 bis 7 nun verpflichtend für Medizinprodukte der Klasse 1 (bzw. 1m)?
Oder ist hier ein besonderes Prüfverfahren (außerhalb der regulären Audits) durch die benannte Stelle notwendig, in dem entschieden wird welche Artikel der Verordnung als angemessen und damit verpflichtend betrachtet werden.
Schonmal besten Dank & viele Grüße.
Die Anforderungen der Verordnung gelten für Medizinprodukte aller Klassen. Allerdings wird nur bei Medizinprodukten, die nicht der Klasse I angehören, von einer benannten Stellen überprüft, ob diese Anforderungen auch erfüllt sind. Verstehen Sie den Artikel 8 daher als Anforderungen/Aufforderung an die Benannten Stellen.
Beachten Sie, dass es für niedrigklassige Produkte ggf. zulässig ist, auf eine Gebrauchsanweisung zu verzichten – und damit auch auf eine elektronische.
Sehr geehrter Herr Prof. Johner,
wie würden Sie folgende Aussage beurteilen:
Der Bezug zu 207/2012 auf Art.3 (1) d), mit dem Argument, daß die Software auf CD oder Downloadfiles die aktuellen Stände der elektronischen GA´s enthält, reicht nicht.
„Ein System zur Anzeige der Gebrauchsanweisung“ wäre nur dann der Fall, wenn die Software auf Software-Ebene die Gebrauchsanweisung(en) enthält und diese dem Anwender über die Software angezeigt werden kann.
Mit „angezeigt“ ist kein integrierter Link zur Homepage gemeint…
Ich dachte mit „System zur Anzeige der Gebrauchsanweisung“ ist ein Display gedacht, über das man über die Anwendungssoftware Zugang zu der Gebrauchsanweisung bekommt, egal wo diese dann steht, lokal oder auf der Webseite, das ist ja der Sinn der Sache und die 207/2012 macht das unter
„… in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Das Vorliegen von Gebrauchsanweisungen für einige Medizinprodukte in elektronischer Form statt in Papierform könnte für professionelle Nutzer von Vorteil sein. Umweltbelastung kann dadurch vermieden und die Wettbewerbsfähigkeit der Medizinprodukteindustrie durch die Kostenersparnis verbessert werden, während gleichzeitig das Sicherheitsniveau beibehalten oder angehoben wird.
(5) Um sicherzustellen, dass die Nutzer uneingeschränkten Zugang zu den elektronischen Gebrauchsanweisungen haben, und um die Übermittlung von Aktualisierungen und Produktwarnungen zu erleichtern, sollten die Gebrauchsanweisungen auch über eine Website abrufbar sein.“
m. E. auch deutlich.
Vielen herzlichen Dank im Voraus für Ihre Einschätzung.
Beste Grüße,
Werner Neumüller
Sehr geehrter Herr Neumüller,
danke für Ihre Frage, die ich hoffentlich richtig verstehe. Falls nicht, haken Sie einfach nach.
Die Verordnung erlaubt es, papiergebundene Gebrauchsanweisung durch elektronische zu ersetzen. Dabei definiert sie diese als:
Unter den in Artikel 3(1) genannten Voraussetzungen können die Hersteller elektronische Gebrauchsanweisungen nutzen. Aber man kann nicht argumentieren, dass man die Webseite auf dem Gerät anzeigen würde und daher „ein System zur Anzeige der Gebrauchsanweisung eingebaut“ sei. Auch ein integrierter Link auf dem Gerät zur Webseite wäre nicht ausreichend. Das ergibt auch Sinn, weil die Wahrscheinlichkeit, dass eine Webseite nicht erreichbar ist, sicher höher ist als die Wahrscheinlichkeit, dass das „System zur Anzeige der Gebrauchsanweisung“ nicht verfügbar ist.
Ich vermute, dass Sie genau das auch sagen, und ich Ihnen daher zustimme.
Viele Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Professor Johner,
wieder eine Verordnung die gut klingt aber wenig bringt. Die in der Verordnung genannten Erwägungen „Umweltbelastung“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ fallen bei den geschätzt paar zehntausend in der EU p.a. neue verkauften „fest installierten“ MP nicht ins Gewicht. Ob zB für einen Kernspintomographen eine IFU gedruckt wird oder nicht hilft weder der Umwelt noch den Kosten. Anders wäre es wenn die e-IFU endlich bei den millionenfach in die Kliniken und an professionelle Anwender verkauften MP zur Einmalverwendung zum Einsatz kommt. Dort ist die Gebrauchsanweisung regelmäßig ein lästige Beilage die sofort ungelesen in den Mülleimer wandert.
Mit besten Grüßen
Jan Langenbach
Sehr geehrter Herr Langenbach,
gerne möchte ich mich an Prof. Johners Stelle für Ihren Kommentar bedanken.
Die große Neuerung und Erleichterung der (EU) 2021/2226 im Vergleich zur (EU) 207/2012 ist, dass nun auch für Softwareprodukte mit Laienanwendern eine eIFU erlaubt ist. Das ist z.B. für Apps sehr relevant.
Darüber hinaus wären weitere Erleichterungen sicher wünschenswert gewesen.
Vielen Dank nochmal für Ihren Beitrag!
Herzliche Grüße
Nils Becker
Lieber Herr Dr. Becker,
vielen Dank für diese informative Zusammenstellung.
Verstehe ich das richtig, dass es z.B. für IVD-Analyzer dann tatsächlich „quasi“ keine Vorgaben gibt, was die eIFU betrifft ?
.)Keine Anforderungen an die Website die die eIFU bereitstellt,
.)Keine Anforderungen wie die eIFU bereitgestellt wird,
.)Keine Risikobewertung zur Nutzung einer eIFU,
.)Keine Fristen bis wann eine Papierform auf Anfragen nachgereicht werden muss, etc. ?
Einige Anforderungen für IFUs für IVDs liefert ja die „MEDDEV. 2.14/3 rev.1“ aus 2007. Würden Sie diese Anforderungen für Hersteller von IVDs noch als relevant einschätzen, bzw. sind diese aus Ihrer Sicht auch unter der IVDR noch relevant und zwingend einzuhalten ?
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Liebe Grüße,
Patrick B
Lieber Patrick B.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Es gibt in der Tat im Moment keine expliziten Anforderungen an eIFUs für Produkte im Scope der IVDR. Die IVDR stellt ein paar allgemeine Anforderungen an IFUs, die ISO 20417 stellt zusätzlich in Kapitel 6.6.5 allgemeine Anforderungen an „e-documentation“. Ein Pendant wie zur (EU) 2021/2226 mit konkreten Anforderungen an eIFUs für IVDs fehlt allerdings. Da es Moment keine andere entsprechende Regularie/Guidance gibt, ist das MEDDEV. 2.14/3 rev.1 Dokument noch als relevant einzuschätzen und IVD-Hersteller sollten die Anforderungen erfüllen.
Ich hoffe, meine Antwort hilft Ihnen weiter. Ansonsten haken Sie gerne nach.
Danke nochmal für Ihre Frage und herzliche Grüße
Nils Becker
Sehr geehrter Herr Prof. Johner,
wir möchten für unser aktives Klasse IIb Produkt (fällt in keines der in Verordnung 2021/2226 Artikel 3 (1) gelisteten Medizinprodukte) zusätzlich zur Papier-IFU eine eIFU erstellen, die dann auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt wird. Dürfen Teile der IFU (z.B. EMC Informationen) ausschließlich in eine eIFU ausgelagert werden oder muss die eIFU mit der Papier-IFU identisch sein.
Recht herzlichen Dank im Voraus und beste Grüße
Valerie Herrmann
Sehr geehrte Frau Herrmann,
vielen Dank für Ihre Frage!
Grundsätzlich müssen alle von der MDR bzw. IVDR und den relevanten Normen geforderten Angaben in der Papier-IFU gemacht werden. Falls nach VO 2021/2226 keine alleinige eIFU zulässig ist, aber zusätzlich zur Papierversion eine eIFU bereitgestellt wird, müssen die Inhalte beider Medien einheitlich sein. Es wäre nicht zulässig, regulatorisch geforderte Inhalte nur in der eIFU anzugeben. In der VO 2021/2226 heißt es in Artikel 9 dazu: „Instructions for use in electronic form, which are provided in addition to complete instructions for use in paper form, shall be consistent with the content of the instructions for use in paper form.“
Ich hoffe meine Antwort hilft Ihnen weiter. Ansonsten fragen Sie gerne nach.
Herzliche Grüße
Nils Becker
Hallo Herr Becker,
hier möchte ich nochmal nachhaken.
Die MDR fordert in Anhang I, 23.1 „… und werden – falls der Hersteller über eine Website verfügt – dort bereitgestellt und aktualisiert „. Für unsere Produkte (stoffliche MP KL. IIa / IIb) ist nach VO (EU)2021/2226 keine alleinige eIFU zulässig. Die MDR fordert aber ja durch Anhang I, grundsätzlich zusätzlich eine eIFU bereitzustellen. Demnach müssten wir (EU)2021/2226 Art. 9 – und in der Folge auch Art. 7(2) b, d, e, und f – und noch weiter gedacht, sogar (EU)2016/679 befolgen. Wir konnten bisher immer argumentieren, dass für unsere Produkte keine eIFU zugelassen ist, jetzt müssten wir diese bedingt durch Anhang I der MDR aber einführen. Ist das korrekt?
Vielen Dank und viele Grüße
Nicole Blümling
Liebe Frau Blümling,
vielen Dank für Ihre Frage, die tatsächlich auch schon bei uns im Kollegenkreis zu Diskussionen geführt hat. Wir interpretieren die MDR an der Stelle so, dass nur die „Informationen über die Sicherheit und Leistung des Produkts“ auf der Webseite bereitgestellt werden müssen. Also ausdrücklich nicht unbedingt die IFU als elektronische Version. Stellt man keine eIFU bereit, gelten auch nicht die Anforderungen der VO 2021/2226. Stellt man eine eIFU zusätzlich zur Papier-Version auf der Webseite zur Verfügung (was immer erlaubt wäre), würden wiederum die entsprechenden Anforderungen der VO 2021/2226 gelten.
Ich hoffe meine Antwort hilft Ihnen weiter, ansonsten haken Sie gerne nach.
Herzliche Grüße
Nils Becker
Hallo Frau Blümling und hallo Herr Becker,
hier ein kurzer Erfahrungsbericht aus meinem letzten Audit mit unserer benannten Stelle:
Wir müssen unserem Produkt sowieso eine IFU in Papierform beilegen. Um die Aufwände, die eine zusätzliche Zurverfügungstellung, Überwachung und Kommunikation einer elektronischen IFU zu sparen, haben wir uns entschlossen, KEINE eIFU zur Verfügung zu stellen. Als rechtliche Grundlage haben wir genau die von Herrn Becker beschriebene Interpretation von Anhang I, 23.1 ins Feld geführt.
Unsere benannte Stelle ist dieser Interpretation nicht gefolgt und hat uns eine Abweichung geschrieben, weil sie argumentiert, dass mit „alle für den Anwender oder gegebenenfalls dritte Personen relevanten Informationen über die Sicherheit und Leistung des Produkts“ die Gebrauchsanweisung gemeint sei und deswegen in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden MUSS. Unserem Hinweis, dass im Gesetzestext nun aber nicht explizit die IFU, sondern die „relevanten Informationen“ genannt sind, wurde entgegnet, dass damit Produkte eingeschlossen werden sollen, für die gar keine IFU nötig sind.
Langer Rede kurzer Sinn: Wir werden nun wohl oder übel zusätzlich zu unserer Papier-IFU auch eine elektronische eIFU einführen, ganz einfach weil wir Ruhe mit unserer benannten Stelle haben wollen. Dennoch fuchst mich dieser Umstand sehr, weil die zusätzlichen Anforderungen, die die Verordnung 2021/2026 (eIFU) stellt, durchaus relevante zusätzliche Aufwände für uns bedeuten.
Hallo Herr Loick,
besten Dank für’s Teilen! Da in diesem Feld leider nach wie vor viel Unklarheit und Ermessensspielraum herrscht, sind die konkreten Interpretationen der Benannten Stellen immer ein wertvoller Hinweis.
In Ihrem Fall ist das wirklich schade. Wenn Sie weiterhin eine Papier-IfU nutzen möchten / müssen, dann handelt es sich bei der elektronischen Version meiner Einschätzung nach auch nicht um eine reine eIfU, sondern um eine digitalisierte Version der „normalen“ IfU, welche klar von einer eIfU zu differenzieren ist. Daher muss die IfU auch nicht komplett nach Verordnung 2021/2226 („in electronic form instead of in paper form“) validiert und bewertet werden. Es wäre entsprechend „nur“ Artikel 9 der Verordnung für die Website selbst anwendbar. Ich hoffe, das wird Ihnen nicht allzu viel Aufwand bereiten.
Herzliche Grüße
Christopher Seib
Hallo Herr Becker,
die e-IFU wird soweit ich weiß nicht in jedem Land weltweit akzeptiert. Wissen Sie evtl. ob es hierzu eine Auflistung gibt?
Vielen Dank.
Viele Grüße
Ivana Remensperger
Liebe Frau Remensperger,
vielen Dank für Ihre Frage.
Zumindest in der EU wird eine eIFU akzeptiert, insofern die entsprechenden Bedingungen wie in diesem Artikel beschrieben, erfüllt sind. Leider ist mir keine Auflistung bekannt, welche weiteren Länder/Märkte unter welchen Bedingungen eine eIFU akzeptieren. Falls Sie Interesse haben, können wir das gerne für Sie recherchieren. Schreiben Sie uns einfach über unser Kontaktformular .
Herzliche Grüße
Nils Becker
Lieber Herr Becker,
In der Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 heißt es in Artikel 3b der deutschen Fassung, dass eIFUs für „fest installierte Medizinprodukte und Zubehör“ zulässig sind. In der englischen Fassung dagegen wird von „fixed installed medical devices and their accessories“ gesprochen. Daraus ergibt sich für mich die Frage, ob eine eIFU nur für fest installiertes Zubehör oder auch für Zubehör zu fest installierten Medizinprodukten zulässig ist.
Wenn ich also ein fest installiertes Medizinprodukt habe, das zusammen mit sterilen Einmalartikeln als Zubehör verwendet wird, ist dann für diese Einmalartikel die alleinige Bereitstellung einer eIFU möglich oder nicht?
Besten Dank für Ihre Einschätzung und herzliche Grüße,
Teresa Lenser
Liebe Frau Lenser,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich leider nicht eindeutig beantworten kann. Was will der Gesetzgeber mit der Forderung erreichen, dass die alleinige Bereitstellung einer eIFU unter anderem nur für festinstallierte Produkte zulässig ist? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau und kann die Frage deswegen auch nicht logisch beantworten. Die Formulierung lässt definitiv Interpretationsspielraum zu.
Ich würde vermuten, wenn das Zubehör spezifisch für das festinstallierte Produkt ist und nicht anderweitig oder anderswo verwendet werden kann, wäre die alleinige Bereitstellung einer eIFU zulässig. Die Ortsgebundenheit der Produkte scheint dem Gesetzgeber aus mir unbekannten Gründen wichtig zu sein.
Tut mir leid, dass ich Ihnen keine bessere Antwort geben kann.
Herzliche Grüße
Nils Becker
Lieber Herr Becker,
in Artikel 7 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 steht:
„Eine Website, auf der die elektronische Gebrauchsanweisung für ein Produkt abrufbar ist, dessen Gebrauchsanweisung in elektronischer Form statt in Papierform zur Verfügung gestellt wird, hat folgenden Anforderungen zu genügen“
Ich kann dieses „statt in Papierform“ nicht ganz interpretieren. Bezieht sich das auf Fälle in denen ausschließlich eine elektronische Form zur Verfügung gestellt wird, oder gelten die Anforderungen sobald (ggf. auch zusätzlich) eine eIFU zur Verfügung gestellt wird.
Vielen Dank für Ihr Hilfe!
Liebe Grüße
Irene Wolff
Liebe Frau Wolff,
vielen Dank für Ihre Frage.
Artikel 7 bezieht sich tatsächlich nur auf IFUs, die ausschließlich in elektronischer Form vorliegen.
Artikel 9 hingegeben beschreibt die Anforderungen an Webseiten für eIFUs, die zusätzlich in Papierform bereitgestellt werden. Artikel 9 verweist auf Artikel 7:
„Werden solche Gebrauchsanweisungen über eine Website zur Verfügung gestellt, so hat diese Artikel 7 Absatz 2 Buchstaben b, d, e und f zu genügen.“
Ich hoffe meine Antwort hilft Ihnen weiter. Ansonsten haken Sie gerne nach.
Herzliche Grüße
Nils Becker
Guten Tag,
haben Sie schon Erfahrungen zum Thema eIFU im Zusammenhang mit medizinischen Systeme sammeln können?
Halten Sie es grundsätzlich für möglich in einem System aus einem Medizingerät der Klasse IIa (fällt in keines der in Verordnung 2021/2226 Artikel 3 (1) gelisteten Medizinprodukte) und einer Software, die das Gerät vorbereitet und erhobene Rohdaten ausliest, möglich, die eIFU in der Software darzustellen und somit die gedruckte Version des Gerätes zu ersetzen?
Vielen Dank und herzliche Grüße
Linda Beckmann
Liebe Frau Beckmann,
vielen Dank für Ihre spannende Frage. Die MDR und die Verordnung 2021/2226 gehen leider nicht explizit darauf ein, welche Anforderungen an eIFUs bei Systemen gelten. In Artikel 22 Absatz 5 der MDR heißt es hierzu lediglich: „Systemen oder Behandlungseinheiten liegen die in Anhang I Abschnitt 23 genannten Informationen bei.“
Da nun bei Teilen des Systems, nämlich der Software, eine eIFU zulässig wäre, ließe sich argumentieren, dass eine eIFU auch für das gesamte System zulässig wäre. Meine Empfehlung wäre, dies mit der benannten Stelle zu diskutieren und ihre Argumentation mit einer Risikoanalyse des beschriebenen Vorgehens zu untermauern.
Ich hoffe, meine Antwort hilft Ihnen weiter. Ansonsten haken Sie gerne nach.
Herzliche Grüße
Nils Becker
Liebes Johner-Team,
Wir haben auch noch 2 Fragen zur Interpretation der Durchführungsvorschrift (EU) 2021/2226).
Zu Artikel 3 (1) c): „ein System zur Anzeige der Gebrauchsanweisung eingebaut“: könnte hierzu auch eine Anbindung des Medizinprodukts zu einem Cloudserver zählen? Unser handgehaltenes Gerät (Kl. I) kann via WiFi mit dem Server verbunden werden, und dort könnte die Gebrauchsanweisung digital zur Verfügung gestellt werden. Dazu ist anwenderseitig aber ein extra PC + Bildschirm erforderlich. In die anderen Geräteklassen a), b) fällt unser Gerät nicht.
Zu Artikel 7 Abschnitt (1) „Stellt der Hersteller die elektronische Gebrauchsanweisung auf einem zusätzlich zu dem Produkt gelieferten elektronischen Speichermedium zur Verfügung oder handelt es sich um ein Produkt mit eingebautem System zu deren Anzeige, so wird die elektronische Gebrauchsanweisung den Nutzern außerdem auf einer Website zur Verfügung gestellt.“: gibt es hier etwa einen Widerspruch zum Artikel 3 (1)? Bedeutet Art. 7 (1), dass ich als Hersteller entweder ein System zur Anzeige haben muss oder – wenn ich dies nicht gewährleisten kann (z.B. Display zu klein) – die eIFU auf einem zusätzlichen Medium (USB-Stick, DVD, …) zur Verfügung stellen kann? In Artikel 3 (1) wird diese Möglichkeit aber nicht genannt. Bezieht sie sich vielleicht nur auf die Geräte nach Art. 3(1) a) und b)?
Vielen Dank und Grüße
Beatrice Dachsel
Liebe Frau Dachsel,
unter einem eingebauten System zur Anzeige verstehe ich die Möglichkeit, die IfU direkt ohne Verzögerung anzuzeigen, ohne auf ein weiteres Produkt wie einen externen PC zugreifen zu müssen. Die Verordnung möchte hier wohl die unmittelbare Verfügbarkeit sicherstellen.
Artikel 7(1) interpretiere ich so, dass Sie – für den Fall, dass Sie ein eingebautes Display haben oder die IfU zum Beispiel auf einem Stick mitgeliefert wird – zusätzlich eine IfU auf Ihrer Website bereitstellen müssen. Vermutlich für den Fall, dass der Stick verloren geht, gerade nicht verfügbar ist oder sich das Produkt nicht starten lässt und damit die IfU auf dem Display nicht angezeigt werden kann. Einen Widerspruch sehe ich nicht, Artikel 3 gibt hier vor, ob Sie überhaupt erst eine reine eIfU verwenden dürfen und Artikel 7 konkretisiert die Anforderungen an eine solche.
Herzliche Grüße
Christopher Seib
Hallo Zusammen,
die Papier-IFU wollen wir nicht ersetzen und zusätzlich eine IFU im Gerät (mit Display, GUI) ausliefern.
Die Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 gilt auch diesen Fall (Papier-IFU + eIFU) und formuliert für mein Verständnis eine einzige Anforderung:
> Artikel 9
> Elektronische Gebrauchsanweisungen, die zusätzlich zu vollständigen Gebrauchsanweisungen in Papierform > zur Verfügung gestellt werden, müssen dem Inhalt der Gebrauchsanweisungen in Papierform entsprechen.
Ist es so simpel, oder habe ich etwas übersehen?
Vielen Dank und viele Grüße,
Oguz Özcelik
Lieber Herr Özcelilk,
Das ist korrekt. Sie haben dadurch keine reine eIfU, sondern eine zusätzliche Gebrauchsanleitung in elektronischer Form. Für diese gilt „nur“ Artikel 9, wobei die Anforderungen an die Website in Ihrem Fall wohl nicht zutreffen – außer Sie entscheiden sich, die IfU auch hier noch einmal zusätzlich zur Papierversion (oder irgendwann doch einmal stattdessen?) bereitzustellen (Artikel 7).
Generell sollten Sie nicht vergessen, die Wege der Bereitstellung in Ihrer Risikoanalyse zu bewerten.
Herzliche Grüße
Christopher Seib
Liebes Johner-Team,
könnten Sie bitte einmal zusammenfassen, welche konkreten Informationen in der Mini-Gebrauchsinformation enthalten sein müssen?
Sind das nur die Punkte aus Artikel 6, Punkt (3) a)-d) aus der VO 2021/2226?
Da wir eine Vielzahl von Instrumenten haben (>1000) stellt sich uns die Frage, wie sinnvoll es ist, jede Basis-UDI-DI oder UDI-DI in die Mini-Gebrauchsinformation aufzunehmen. Diese hat dann einen vergleichbaren Umfang wie die eigentliche GA.
Vielen Dank und herzliche Grüße
Heike Hauptmann
Liebe Frau Hauptmann,
die „Mini-Anleitung“ bezieht sich auf den Prozess, wie ein Anwender die eIfU beziehen kann. Hier gibt es die zusätzlichen Anforderungen aus Artikel 6(3), korrekt. Hinzu kommen noch die Anforderungen aus Artikel 5(4), (7) und ggf. (8). Außerhalb der EU möchte Australien noch explizit die Zweckbestimmung, beachten Sie also auch immer die national gültigen Anforderungen.
Das Aufbringen der Basis-UDI auf dem Produkt ist gemäß MDR nicht notwendig und meiner Meinung nach komplett sinnfrei, da diese Nummer nicht zur Rückverfolgung genutzt werden kann und soll. Die Anleitung, wie man an die eIfU gelangt, soll im Idealfall auf der Verpackung / dem Etikett aufgebracht sein – wenn Sie dort Ihren UDI-Träger aufgebracht haben (was Sie gemäß MDR, Anhang I, Artikel 23.2 h) ohnehin machen müssen) ist für mich Artikel 6(3)b) damit bereits erfüllt. Es ist nirgends definiert, dass die Anleitung entweder ein eigenes Dokument darstellen oder komplett aufgedruckt bzw. geklebt sein muss. Daher wäre ein Trennen dieser Anleitung für mich solange zulässig, wie Ihr Anwender über die beigefügten Informationen die passende eIfU auf der Website identifizieren kann. Ggf. bedarf es hierzu einer Überprüfung durch eine Studie.
Herzliche Grüße
Christopher Seib