Die EU-Verordnungen stellen hohe Anforderungen an die sogenannte Inverkehrbringung von Medizinprodukten.
Erfahren Sie in diesem Artikel, was diese Regularien unter einer Inverkehrbringung verstehen, welche Missverständnisse und Widersprüche Sie kennen müssen und welche Voraussetzung die Hersteller bzw. Produkte erfüllen müssen.
1. Inverkehrbringung: Grundlagen
a) Begriffsdefinitionen / Begriffsverwirrung
Medizinprodukteverordnung (MDR)
Unter dem Inverkehrbringen versteht die Medizinprodukteverordnung:
„die erstmalige Bereitstellung eines Produkts, mit Ausnahme von Prüfprodukten, auf dem Unionsmarkt;“
Quelle: MDR
Interpretation der EU Kommission
Die Europäische Kommission diskutiert im EU Blue Guide den Begriff „Inverkehrbringung“ (placing on the market):
Ein Produkt wird auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht, wenn es erstmalig bereitgestellt wird. Nach den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union kann jedes einzelne Produkt nur einmal auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht werden.
EU Blue Guide
Die Definition ist demnach ähnlich wie in der MDR.
Das Blue Guide stellt darüber hinaus klar, dass es um das individuelle Produkt geht und nicht um einen Produkttyp:
Hinsichtlich der „Bereitstellung“ bezieht sich der Begriff „Inverkehrbringen“ nicht auf eine Produktart, sondern auf jedes einzelne Produkt, unabhängig davon, ob es als Einzelstück oder in Serie hergestellt wurde.
EU Blue Guide (Fettung durch Johner Institut)
Es geht also tatsächlich um das individuelle Produkt, wobei dieses Konzept oft missverstanden wird.
Verwirrung
Schaut man sich die unterschiedlichen Sprachversionen des Blue Guides an, sind Unterschiede zu erkennen. So heißt es in der deutschen Version: „Das Inverkehrbringen eines Produkts setzt ein Angebot oder eine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung zwischen zwei oder mehr juristischen oder natürlichen Personen in Bezug auf die Übereignung, die Übertragung des Besitzes oder sonstiger Rechte hinsichtlich des betreffenden Produkts voraus;…“
In der englischen Version hingegen lautet die Aussage: „Placing a product on the market requires an offer or an agreement (written or verbal) between two or more legal or natural persons for the transfer of ownership, possession or any other property right concerning the product in question;“
Die englische Version spricht also von sonstigen Verfügungsrechten, die deutsche und weitere Sprachfassungen hingegen nur von „sonstigen Rechten“. Wieso die Kommission die Interpretation in der englischen Variante so stark eingeschränkt hat, ist leider unklar. Betrachtet man die einzelnen Sprachversionen in der Gesamtheit und die Interpretation zur „Bereitstellung“ (auch in der englischen Fassung!, siehe nächsten Abschnitt), dann scheint die Beschränkung auf sonstige Verfügungsrechte nicht im Sinne des Gesetzgebers zu sein.
Abgrenzung zur Bereitstellung
Die MDR definiert die Bereitstellung wie folgt:
„jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts, mit Ausnahme von Prüfprodukten, zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit;“
Quelle: MDR
Der EU Blue Guide sieht das wieder ähnlich und beschreibt „Bereitstellung“ als:
Die Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt bedeutet jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit.
EU Blue Guide
Der Blue Guide macht auch bei der Bereitstellung wieder klar, dass sich diese auf jedes einzelne Produkt bezieht und nicht auf einen Produkttyp.
Jede Inverkehrbringung ist somit auch eine Bereitstellung (nämlich eine erstmalige), aber nicht jede Bereitstellung ist eine Inverkehrbringung.
Beispiele
- Ein EU-Händler, der ein Produkt in der EU verkauft, das er von einem anderen EU-Händler bezogen hat, vollzieht eine Bereitstellung, aber keine Inverkehrbringung.
- Wenn ein nicht-europäischer Hersteller sein Produkt (erstmalig) einem europäischen Importeur abgibt, liegt eine Inverkehrbringung vor. Verkauft dieser Importeur das Produkt an eine europäische Gesundheitseinrichtung weiter, stellt das eine Bereitstellung, aber keine Inverkehrbringung dar.
Der Blue Guide ergänzt zum Thema Bereitstellung:
Die Bereitstellung eines Produkts setzt ein Angebot oder eine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung zwischen zwei oder mehr juristischen oder natürlichen Personen in Bezug auf die Übertragung des Eigentums, des Besitzes oder sonstiger Rechte (47) hinsichtlich des betreffenden Produkts nach dessen Herstellung voraus, was nicht zwingend die physische Übergabe des Produkts erfordert.
Blue Guide, Kapitel 2.2
Interessanterweise spricht in diesem Fall die englische Fassung ebenso von „…other rights“ und nicht „…other property rights“.
Konsequenzen
Klasse-I-Produkte: Die Unterscheidung zwischen Inverkehrbringung und Bereitstellung war besonders für Klasse-I-Produkte relevant, die nicht von den Übergangsfristen profitieren konnten (mehr dazu im Beitrag zu den Übergangsfristen). Nach dem Stichtag (26.05.2021) dürfen diese Produkte nur noch bereitgestellt, aber nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Das heißt, dass das Produkt bereits erstmalig bereitgestellt worden sein muss, womit es als in den Verkehr gebracht betrachtet wird. Dies gilt für jedes einzelne Produkt!
Im Februar 2023 hat das EU-Parlament die Übergangsfristen erneut verlängert und dabei die Einschränkungen bezüglich der Bereitstellung („Abverkaufsregel“) und Inbetriebnahme beseitigt.
Legacy Produkte: Richtlinien-konforme Produkte, die aktuell noch von den Übergangsbestimmungen profitieren, dürfen generell nur noch bis zu den jeweiligen Stichtagen unter den Richtlinien in den Verkehr gebracht werden (nähere Informationen dazu finden Sie in unserem Artikel zu den Legacy Devices). Danach ist nur noch eine weitere Bereitstellung und Inbetriebnahme möglich. Somit sind auch für Hersteller, Importeure und Händler von solchen Produkten, die Begriffsdefinitionen beider Begriffe essentiell und sollten entsprechend verstanden sein.
Produkte mit kurzer Haltbarkeit: Produkte müssen vor dem jeweiligen Stichtag (z. B. Gültigkeitsdatum der Bescheinigung) hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sein, damit eine weitere Bereitstellung und Inbetriebnahme nach dem Stichtag möglich ist. Für Produkte mit kurzer Haltbarkeit bedeutet das, dass eine „Produktion auf Lager“ ein Risiko für z. B. den Händler darstellt, weil die Produkte nicht mehr genutzt werden dürfen, wenn das Haltbarkeitsdatum überschritten ist.
Zwischenfazit
Die Definition und Abgrenzung der Begriffe „Inverkehrbringung“ und „Bereitstellung“ ist komplex, obwohl MDR und der Blue Guide der EU diese Begriffe einheitlich definieren und diese insbesondere im Blue Guide erläutert werden.
b) Abgrenzungen
Ausschlüsse
Die MDR und IVDR machen klar, dass nicht als Inverkehrbringung gilt:
- Die Abgabe von Medizinprodukten zum Zwecke der klinischen Prüfung
- Die Abgabe von In-vitro-Diagnostika für Leistungsstudien
- Das erneute Abgaben eines Medizinproduktes nach seiner Inbetriebnahme an andere, es sei denn, dass es als neu aufbereitet oder wesentlich verändert worden ist
Grenzfälle
Bei Produkten, die als Batch produziert werden, stellt sich die Frage, ob die Abgabe von Produkten eines (neuen) Batches eine erstmalige Abgabe, d. h. eine Inverkehrbringung, darstellt. Gemäß Blue Guide ist dies zu bejahen. Denn die Inverkehrbringung bezieht sich „auf jedes einzelne Produkt, unabhängig davon, ob es als Einzelstück oder in Serie hergestellt wurde.“
c) Zeitpunkt der Inverkehrbringung
In dem oben referenzierten EU Blue Guide geht die Europäische Kommission von einer Inverkehrbringung aus, sobald das Produkt erstmalig abgegeben wurde. Diese Abgabe erfolgt im Regelfall physisch, z.B. durch Abgabe an einen Händler mit der Übertragung der Verfügungsgewalt. Ein Produkt im Lager des Herstellers gilt typischerweise nicht als Inverkehrbringung.
Eine zwingende Voraussetzung ist die physische Übergabe allerdings nicht. Denken Sie an Software, welche z.B. als Download angeboten wird. Wann eine Software, die über einen AppStore vertrieben wird, als in den Verkehr gebracht gilt, lesen Sie weiter unten.
2. Voraussetzungen für die Inverkehrbringung
a) Medizinprodukteverordnung
Die Medizinprodukteverordnung benennt die Voraussetzungen für die Inverkehrbringung in verschiedenen Artikeln (auszugsweise):
Generelle Konformität mit der MDR: Artikel 5 (1) Ein Produkt darf nur in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn es bei sachgemäßer Lieferung, korrekter Installation und Instandhaltung und seiner Zweckbestimmung entsprechender Verwendung, dieser Verordnung entspricht. […]
UDI-Zuweisung und -Registrierung: Artikel 27 (3) Bevor ein Hersteller ein Produkt, ausgenommen Sonderanfertigungen, in Verkehr bringt, teilt er diesem und gegebenenfalls allen höheren Verpackungsebenen eine UDI zu, die im Einklang mit den Vorschriften der von der Kommission gemäß Absatz 2 benannten Zuteilungsstelle generiert wurde.
Bevor ein Produkt, bei dem es sich nicht um eine Sonderanfertigung oder ein Prüfprodukt handelt, in Verkehr gebracht wird, muss der Hersteller sicherstellen, dass die in Anhang VI Teil B genannten Informationen zu dem betreffenden Produkt in korrekter Form an die in Artikel 28 genannte UDI-Datenbank weitergeleitet und übertragen werden.
Registrierung der Wirtschaftsakteure: Artikel 31 (1) Bevor sie ein Produkt, bei dem es sich nicht um eine Sonderanfertigung handelt, in Verkehr bringen, geben die Hersteller, Bevollmächtigten und Importeure die Angaben gemäß Anhang VI Teil A Abschnitt 1 in das in Artikel 30 genannte elektronische System ein, um sich registrieren zu lassen […]
Konformitätsbewertung: Artikel 52 1) Bevor Hersteller ein Produkt in Verkehr bringen, führen sie eine Bewertung der Konformität des betreffenden Produkts im Einklang mit den in den Anhängen IX bis XI aufgeführten geltenden Konformitätsbewertungsverfahren durch.
Lesen Sie hier mehr zu Konformitätsbewertungsverfahren und zur Technische Dokumentation.
b) Typische Fragestellungen
Was passiert, wenn sich (harmonisierte) Normen ändern?
Die Antwort auf diese Frage hängt u. a. von der Definition des Begriffs „Inverkehrbringung“ ab. Das EK-Med hat sich dieser Frage angenommen und Antworten im Dokument 3.5 A1 geliefert:
Für den Umgang mit geänderten harmonisierten Normen oder bei Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ergibt sich somit Folgendes:
EK-Med 3.5 A1
1. Die Konformitätsvermutung aufgrund der Erfüllung einer überholten harmonisierten Norm (vgl. 93/42/EWG Artikel 5) erlischt mit Ablauf des sog. „doc“ (date of cessation of presumption of conformity of the superseded standard). […]
2. Der Hersteller kann die Konformitätsvermutungswirkung der ersetzten Norm bis zum „doc“ in Anspruch nehmen.
[…]
5. Eine fehlende Neubewertung durch den Hersteller nach Ablauf des „doc“ oder auch die mangelnde Kenntnis/Verfügbarkeit neuer harmonisierter Normen bzw. einschlägiger wissenschaftlicher Erkenntnisse stellen wesentliche Nichtkonformitäten dar. […]
Wenn die o. g. Bedingungen erfüllt sind, dürfen Hersteller Produkte weiterhin abgeben, auch wenn sich eine Norm geändert hat. Eine Inverkehrbringung setzt voraus, dass das Produkt mit den zu diesem Zeitpunkt gültigen (harmonisierten) Normen konform ist.
Unabhängig davon sind Hersteller verpflichtet, im Rahmen der nachgelagerten Phase bzw. der Post-Market Surveillance fortlaufend, systematisch und proaktiv und unabhängig von der Änderungen der Normen zu prüfen und zu gewährleisten, dass
- das Produkt und sein Nutzen-Risiko-Verhältnis dem Stand der Technik entspricht,
- alle Gefährdungen identifiziert und Risiken korrekt bewertet und
- alle Risiken akzeptabel sind.
Insbesondere weil der Harmonisierungsprozess teilweise langwierig ist, sollten Sie Folgendes beachten:
Beachten Sie, dass manche Normen zwar noch harmonisiert, aber bereits „abgelaufen“ sind. Die weitere Abgabe der Produkte wäre gemäß EK-Med nicht mehr zulässig.
Wann dürfen Produkte nach dem 20.05.2021 weiter in den Verkehr gebracht bzw. abgegeben werden?
Antworten auf diesen Fragenkomplex finden Sie in unserem Artikel zu den Übergangsfristen.
Ist eine Veröffentlichung auf GitHub eine Inverkehrbrinung?
Es wurde bereits behauptet, dass Forschende ein Risiko eingehen würden, wenn sie KI-Algorithmen bei GitHub veröffentlichen würden, welche beispielsweise zur Diagnose dienen (könnten).
Diese Einschätzung ist für die meisten Fälle in mehrfacher Weise nicht zutreffend. Weder handelt es sich bei dem Code um ein Medizinprodukt noch um eine Inverkehrbringung. Der Rechtsanwalt Boris Handorn erläutert in dieser Podcast-Episode die Begriffe „Inverkehrbringung“ und „Bereitstellung“ und geht auch auf diesen Fall genau ein.
Diese und weitere Podcast-Episoden finden Sie auch hier.
3. Typische Fallen bei der Inverkehrbringung
Das Johner Institut beobachtet regelmäßig Missverständnisse und Fallen. Diese sollten Sie unbedingt vermeiden:
a) Versehentliche Inverkehrbringung bei Beta-Tests und Beobachtungsstudien
Achten Sie bei Beobachtungsstudien und klinischen Studien darauf, dass Sie damit das Produkt nicht „versehentlich“ in Verkehr bringen. Das gleiche gilt für Feldtests oder Beta-Tests. Sie müssen die Produkte explizit als Prüfmuster kennzeichnen und nur einem sehr kleinen und überwachten Kreis an Prüfern zur Verfügung stellen. Bei klinischen Prüfungen müssen Hersteller zahlreiche regulatorische Anforderungen erfüllen, die die MDR nochmals erhöht hat.
Lesen Sie hier mehr zum Thema klinische Prüfungen und regulatorische Anforderungen daran.
b) Unwissen darüber, wann Software in den Verkehr gebracht wird
Eine Software, die auf einer Webseite zum Download steht, muss in der Regel bereits zu diesem Zeitpunkt die EU-Rechtsvorschriften, in diesen Fall die der MDR, erfüllen. Es spielt keine Rolle, ob sie bereits jemand heruntergeladen hat oder ob dafür Geld verlangt wird. Voraussetzung ist allerdings, dass sich das Angebot an Endnutzer in der EU richtet.
Lesen Sie weiter unten, wann Software, die über einen AppStore vertrieben wird, als in den Verkehr gebracht gilt.
c) Unkenntnis der Anforderungen an den Fernabsatz
Die MDR führt in Artikel 6 das Konzept des Fernabsatzes ein. Demnach müssen auch Produkte für die folgenden Dienstleistungen den Anforderungen der Verordnung genügen:
- Produkte, die über eine Dienstleistung angeboten werden
Ein Beispiel wäre eine App oder eine Webseite, die die Gesundheitsdaten von Patienten sammelt und auf dieser Basis diagnostische oder therapeutische Empfehlungen gibt. - Produkte, die zwar nicht in Verkehr gebracht, aber zur Erbringung diagnostischer oder therapeutischer Dienstleistungen eingesetzt werden
Beispiele hierfür wären Produkte für telemedizinische Dienstleistungen. Ein System, mit dem Ärzte „remote“ die Röntgenbilder von Patienten befunden, würde zu dieser Klasse zählen. Hingegen würde ein elektronisches System, das ein Arzt in Anwesenheit des Patienten nutzt, nicht dazu zählen, weil es nicht der Definition des Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 entspricht und in deren Anhang I sogar explizit ausgeschlossen wird.
Letztlich sind diese Anforderungen nicht neu. Bereits vor Gültigkeit der MDR wurden Webseiten und andere Produkte für elektronisch erbrachte Dienstleistungen als Medizinprodukte klassifiziert, wenn deren Zweckbestimmung denen eines Medizinprodukts genügt.
4. Inverkehrbringung von Software
Bei Software, die über AppStores vertrieben wird, z. B. Medical Apps, stellen sich besondere Fragen im Zusammenhang mit der Inverkehrbringung. Beispiele sind:
- Wer ist der Inverkehrbringer? Der Hersteller oder der AppStore?
- Ist der Download einer App von einem nicht EU-Server und einem Nicht-EU-Hersteller ein Import in die EU?
- Wann findet die Inverkehrbringung statt?
- Welche Verantwortung hat der Betreiber des AppStores?
- Kann und muss man die Inverkehrbringung auf bestimmte Länder begrenzen?
- Ändert sich etwas durch die MDR? Welche Übergangsfristen gelten?
a) Inverkehrbringer von Medical Apps
Der Inverkehrbringer ist der Hersteller. Der Betreiber des AppStores entspricht einem Händler im Sinne der Definition der MDR:
„jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Importeurs;“
Die Betreiber der AppStores sind typischerweise keine Importeure im Sinne der Definition der MDR:
„jede in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittland auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt“
Stellt ein deutsches Unternehmen eine App in einem US-Store eines der Tech-Giganten ein, wird die juristische Person, die diesen US-Store betreibt, keine sein, die in der Union niedergelassen ist. Für die europäischen AppStores haben diese Firmen in der Regel eigene Gesellschaften gegründet, z. B. in Irland oder Luxemburg.
c) Zeitpunkt der Inverkehrbringung
Upload…
Einige Benannte Stellen interpretieren das Hochladen der App in den AppStore als den Moment der Inverkehrbringung. Andere Benannte Stellen widersprechen dem.
… oder Freischaltung?
Sie argumentieren damit, dass im AppStore der Code nochmals mit Zertifikaten versehen würde. Das entspräche einer Verpackung, die somit als Teil des Produktionsprozesses zu verstehen sei. Erst die Freischaltung der App im AppStore würde damit der Inverkehrbringung entsprechen.
Diese Interpretation hat zur Folge, dass der Hersteller einen ausgelagerten und schwer zu überwachenden Produktionsprozess hat.
d) Verantwortlichkeiten von Herstellern und AppStore-Betreibern
Es ist nahezu aussichtslos, die AppStore-Betreiber für die Einhaltung medizinprodukterechtlicher Vorschriften in die Verantwortung ziehen zu wollen. Daher bleibt die Verantwortung bei den Herstellern, z. B. dass
- nur Medizinprodukte in den Verkehr gebracht werden, die die regulatorischen Anforderungen erfüllen,
- Medizinprodukte aus dem Markt genommen werden können, die diese Anforderungen nicht erfüllen,
- die Anwender der Medizinprodukte über Maßnahmen informiert sind.
e) Räumliche Begrenzung der Inverkehrbringung
Über die Wahl der länderspezifischen AppStores können die Hersteller die Inverkehrbringung ihrer Produkte meist ausreichend einschränken. Beispielsweise wird eine deutsche Behörde keine Maßnahmen ergreifen, wenn eine Medical App in einem US-Store eingestellt ist, aber nicht bei der Behörde registriert wurde.
Weitergehende räumliche und zeitliche Begrenzungen müssen die Hersteller in der App selbst implementieren. Beispielsweise können sie verlangen, dass sich die Benutzer zuerst identifizieren bzw. registrieren müssen. Bei jedem Start prüft die App, ob die Voraussetzungen für deren Verwendung (noch) gegeben sind. Ein anonymes Verwenden der App wird damit unmöglich.
Lesen Sie hier mehr zum Thema Medical Apps.
f) Änderungen durch die MDR, Übergangsfristen (bei Software)
i) Inverkehrbringung versus Inbetriebnahme
Wie bereits erwähnt, fordert die MDR in Artikel 5, dass Produkte, die in den Verkehr gebracht und die in Betrieb genommen werden, die Anforderungen der Verordnung erfüllen müssen. Wie ebenfalls bereits beschrieben, entspricht das Einstellen in den AppStore im Regefall der Inverkehrbringung, sobald eine Übertragung von Rechten stattgefunden hat (z.b. durch Kauf eines Nutzers). Doch was entspricht der Inbetriebnahme? Die MDR definiert diesen Begriff wie folgt:
„Inbetriebnahme“ bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem ein Produkt, mit Ausnahme von Prüfprodukten, dem Endanwender als ein Erzeugnis zur Verfügung gestellt wird, das erstmals als gebrauchsfertiges Produkt entsprechend seiner Zweckbestimmung auf dem Unionsmarkt verwendet werden kann;
MDR Artikel 2 (29)
Viele Benannte Stellen und auch das Johner Institut stimmen darin überein, dass das Herunterladen und Installieren einer App deren Inbetriebnahme entsprechen.
ii) Hoffnung, dass Klasse-I-Apps unbefristet im AppStore verbleiben dürfen?
Die MDR erlaubt in Artikel 120, dass Produkte der Klasse I unbefristet in Betrieb genommen werden können:
„(4) Produkte, die vor dem 26. Mai 2021 gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, und Produkte, die ab dem 26. Mai 2021 gemäß Absatz 3, 3a, 3b und 3f in Verkehr gebracht wurden, dürfen weiter auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden.“
Demnach könnten Klasse-I-Apps, die vor dem 25.05.2021 in den AppStore eingestellt wurden, bis auf weiteres dort verbleiben.
Die Übergangsfristen wurden inzwischen mehrfach geändert. Bitte beachten Sie unseren Artikel zu den MDR-Übergangsfristen.
iii) Zu früh gefreut?
Die meisten Benannten Stellen folgen der Deutung der Begriffe „Inverkehrbringung“ (Hochladen bzw. Freigabe im AppStore) und „Inbetriebnahme“ (Herunterladen bzw. Installation der App aus AppStore).
Eine Benannte Stelle hält die Bereitstellung der App nach dem 25.05.2021 für illegal! Sie argumentiert dabei wie folgt:
Die MDR gilt ab dem 26. Mai 2021 (s. MDR Artikel 123), die EU-Richtlinien werden damit ungültig (s. MDR Artikel 122). Damit müssen die Produkte ab diesem Zeitpunkt den Anforderungen der MDR genügen.
Hersteller tragen die Produktverantwortung und verfügen über die notwendigen regulatorischen Kenntnisse. Auch wenn formal ein im Store befindliches Produkt den Tatbestand der Inverkehrbringung erfüllt, ist dennoch der Vorgang der Inbetriebnahme (des „Putting into Service“) illegal, da das Produkt zu diesem Zeitpunkt nicht den Anforderungen der MDR entspricht. Dass es vor Ende der Übergangsfrist den Anforderungen der MDD entsprochen hat, ist hierbei unerheblich.
Da davon auszugehen sei, dass dem Anwender diese juristischen Feinheiten nicht bewusst sind, mache sich der Hersteller der Beihilfe zu einer illegalen Handlung schuldig, wenn er diese Produkte nicht aus dem Store entferne. Denn er verhindere wider besseres Wissen nicht, dass Produkte illegal in Betrieb genommen werden. Zudem seien die Ausführungen zur Produkthaftung wie das berüchtigte Honda-Urteil zu beachten.
iv) Einschätzung des Johner Instituts
Das Johner Institut folgt der Argumentation dieser Benannten Stelle an einer entscheidenden Stelle nicht:
Legacy-Produkte der Klasse I müssen zum Zeitpunkt der Bereitstellung die Anforderungen der MDR gar nicht erfüllen. Genau das sagt Artikel 120 Abschnitt 4 aus (s. o.). Als Hersteller sollte man auf die Argumente vorbereitet sein.
Die Diskussion dürfte dennoch eine weitgehend theoretische sein. Denn eine App kann nur schwerlich unverändert für längere Zeit im AppStore verbleiben:
- Der Hersteller muss die Anforderungen an die IT-Sicherheit erfüllen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er seine Software aktualisieren und Bibliotheken (SOUP) austauschen muss, ist hoch.
- Die Betreiber der AppStores zwingen die Hersteller, regelmäßig ihre Software an die neusten Versionen ihrer Betriebssystem anzupassen.
- Eine Software, die nicht weiterentwickelt wird, stirbt.
Auch der Ansatz, Patches als „Wartung“ zu deklarieren, hat seine Tücken: In den AppStores ist es in der Regel nicht möglich zu unterscheiden, ob eine App erstmalig oder als Update (Patch) heruntergeladen wird.
Den Herstellern sei deshalb nahegelegt, die Anforderungen der MDR sukzessive zu erfüllen, insbesondere die klinischen Daten zu erheben, die IT-Sicherheit kontinuierlich zu verbessern und die Post-Market-Prozesse MDR-konform zu gestalten und zu leben.
5. Unterstützung beim Inverkehrbringen
Das Johner Institut unterstützt Hersteller beim Inverkehrbringen von Produkten:
- Festlegung der regulatorischen Strategie, insbesondere wenn Produkte in mehreren Ländern vermarktet werden sollen
- Qualifizierung und Klassifizierung der Produkte
- Erstellen und Prüfen der Technischen Dokumentation
- Erstellen und Prüfen von QM-Systemen
- Prüfung der Produkte, z. B. mit Usability-Tests, Penetration-Tests, Prüfung der biologischen und elektrischen Sicherheit
Nehmen Sie gerne Kontakt auf, z. B. über das Kontaktformular.
Änderungshistorie
- 2023-11-23: Entfernen von ungültigen Referenzen u.a. auf das MPG. Anpassung an die neuen Übergangsbestimmungen unter der MDR und an das EU Blue Guide 2022.
- 2023-09-04: Frage zur Inverkehrbringung bei Github und Hinweis auf Podcast (beides in Kapitel 2.c) ergänzt
- 2023-02-24: Aktualisierung u.a. mit den neuen Übergangsfristen der MDR
- 2019-07-03: Erste Version des Artikels
Sehr geehrte Damen und Herren!
Eine juristische Frage zum ERSTMALIGEN Inverkehrbringen konnte mir noch niemend verbindlich beantworten:
bezieht sich ERSTMALIG auf ein bestimmtes Exemplar eines Medizinproduktes oder auf eine ganze Serie?
z.B.: ich importiere eine Großpackung Kanülen direkt aus China von einem Hersteller, der in der EU einen REP Representanten hat. Diese Packung kommt erstmalig in die EU, die gleichen Kanülen sind aber in großer Stückzahl vom Representanten importiert worden; gilt iese Packung als ERSTMALIG Inverkehr gebracht?? Oder war es erstmalig, als der Representant diese Type zum ersten Mal importiert hat?
Gilt das ebenso für Geräte?
Vielleicht haben Sie eine Antwort?
Vielen Dank im voraus und viele Grüße!
Gerhard Silberbauer
Sehr geehrter Herr Silberbauer,
auch wenn der EU Repräsentant des gleichen chinesischen Herstellers die Produkte bereits in den Markt bringt, wäre es eine erstmalige Inverkehrbringung, wenn Sie das gleiche täten. Sie können sich nicht auf einen Dritten berufen. Sie müssen (erneut) die für die Inverkehrbringung notwendigen Voraussetzungen schaffen und u.a. die Konformität nachweisen. Sonst wäre auch nirgends der Beweis geführt, dass Ihre Kanülen die gleichen sind wie die anderen. Sie können den anderen EU-Repräsentaten nicht ungefragt für Ihre Inverkehrbringung nutzen.
Eine diesbezüglich Unterscheidung zwischen Geräten und Kanülen kennen die Regularien nicht.
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
was genau zeichnet denn eine Aufbereitung aus und wie grenzt sich diese von einer Wartung oder Reparatur ab? Im ersten Fall muss das Produkt im Einklang von harmonisierten Normen entsprechen, wenn man es weitergibt.
Viele Grüße
Michael Silbernagl
Danke für die super Frage, lieber Herr Silbernagel!
Stellen Sie es sich wie bei Apple-Computern vor: Es gibt welche, die man repariert und solche, die Apple als „Refurbished“ wieder verkauft.
Bei der Reparatur geht kein Eigentümerwechsel vor.
Herzliche Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner, ich nehme Bezug auf Ihre Antwort zu der Frage von Herrn Silbernagel zur Reparatur und zum „Fully Refurbishment“ Prozess. Ist die Frage nicht viel eher, ob dem Medizinprodukt eine neue „Livetime“ zugewiesen wird, wenn es doch „fully refurbished“ (wie neu) aufbereitet wird? Repariere ich ein Medizinprodukt (jetzt einmal aus der Sicht des Originalherstellers//Prozess bleibt beim Hersteller der Reparatur mit Originalersatzteilen) und führe einen Eigentümerwechsel durch, ist das dann nicht viel eher ein Verkauf als „gebauchtes“ – „second hand“ mit verbleibender Lebenszeit (lifetime) und gleichbleibender Konformitätserklärung. Ansonsten würde doch ein Reparaturprozess, der die Leistungseigenschaften nicht verändert zu einem kompletten Konformitätsverfahren führen, mit allen Konsequenzen. Freundliche Grüße
Sehr geehrter Herr,
danke für Ihren wichtigen Kommentar!
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich die geschilderte Situation wirklich verstehe. Mir ist noch unklar, weshalb ein Eigentümerwechsel bei einer Reparatur einhergehen sollte.
Die MDR definiert die Begriffe Aufbereitung und die Neuaufbereitung. Bei der Neuaufbereitung beginnt in der Tat die Lebenszeit neu. Sowohl bei einer Aufbereitung als auch bei einer Neuaufbereitung können „Reparaturen“ durchgeführt werden. Die Person oder Organisation, die ein Produkt neu aufbereitet, wird als Hersteller betrachtet und unterliegt den jeweiligen Pflichten. Dazu zählt auch die Konformitätsbewertung, die Sie ansprechen.
Möglicherweise meinen wir das gleiche. Dass eine Reparatur ebenso wie eine Aufbereitung keine erneute Konformitätsprüfung bedingt, sehen wir beide gleich.
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
herzlichen Dank für Ihre Kommentare.
Meine Eingangsfrage ist, wie sich eine Aufbereitung und Neuaufbereitung unterscheidet. Ist hier alleine der Eigentumswechsel das Kriterium?
Das würde ja bedeuten, wenn ich als Originalhersteller eine Aufbereitung eines gebrauchten Geräts durchführe, gilt es als neuaufbereitet – mit neuem Konformitätsverfahren?
Wenn die gleiche Tätigkeit ein Händler durchführt, gilt es als nur aufbereitet – ohne neues Konformitätsverfahren?
Beste Grüße
Michael Silbernagl
Sehr geehrter Herr Johner,
liegt eine Inverkehrbringen nach MDD/ MDR eines Medizinproduktes vor, wenn das MP in einer Externen Aufbereitungseinheit im Auftrag der Klinik/ des Anwenders erstmalig sterilisiert wird?
Mit den besten Grüßen
Sehr geehrte Frau Messmer,
die MDR definiert die Inverkehrbringung als:
Weil das Produkt offensichtlich zuvor durch den Hersteller bereits bereitgestellt wurde, andernfalls würde die Klinik das Produkt nicht haben, liegt keine Inverkehrbringung vor.
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner
was bedeutet konkret „Inverkehrbringung“:
Ich habe die Konformität meines Klasse I Produktes nach MDD nachgewiesen und vertreibe es in der EU. Gelten alle einzelnen Produkte, die ich fortan bis Mai 2020 identisch produziere, als Inverkehr gebracht? Was geschieht danach? Darf ich meine Produkte, die ich vor Mai 2020 produziert habe und die bei mir am Lager liegen, auch nach dem Stichdatum vertreiben? Oder müssen sich die Produkte bereits beim Händler befinden, damit sie weiterhin vertrieben werden dürfen?
Mit den besten Grüssen, Thomas Nydegger
Sehr geehrter Herr Nydegger,
danke für Ihre Frage. Die Produktion alleine stellt noch keine Inverkehrbringung dar. Sie müssten es in den Auslieferungsprozess eingebracht haben. Ein Auslieferungslager kann man als solches definieren. Wenn sie beim Händler sind, ist die Sache noch klarer.
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
bezugnehmend auf Ihre Antwort an Herrn Nydegger. Ich habe eine ähnliche Frage. Wir vertreiben als Hersteller (PLM) gemäß der MDD Medizinprodukte der Klasse I, die von einer anderen Firma (OEM) produziert wurden. Der OEM tritt nicht als Hersteller gemäß MDD auf.
Die Ware ist physisch bei uns im Lager. Gelten diese Produkte dann als In-Verkehr-gebracht, wenn wir sie bis 25.05.2020 bei uns im Lager haben?
Oder reicht es vielleicht aus, ein Angebot gemacht zu haben, welches abgelehnt wurde (Blue Guide)? Oder muss ein bindender Vertrag, z.B. Rahmenvertrag mit einem Kunden geschlossen sein?
Das Ganze ist wichtig in Bezug auf die Einkaufsplanung, da wir ja nicht Produkte am Lager haben wollen, die wir ab dem 26.05.2020 nicht mehr verkaufen können.
Freundliche Grüße Inga Kieper
Sehr geehrte Frau Kieper,
danke für die spannende Frage! Damit ich vollständiger antworten kann, müsste ich wissen, ob Ihr OEM selbst in der EU die Produkte in den Verkehr bringt. Lassen Sie es mich einfach wissen, dann antworte ich so schnell wie möglich.
Beste Grüße, Christian Johner
Guten Tag Herr Prof. Johner
Nach der Aussendung des heutigen Newsletters (https://www.johner-institut.de/blog/johner-institut/uebergangsfristen-mdr/) habe ich diese Seite hier gelesen. Dort wird von den Konsequenzen gesprochen. Konkret geht es mir um den Absatz:
“
Konsequenzen
Klasse-I-Produkte: Die Unterscheidung zwischen Inverkehrbringung und Bereitstellung ist besonders für Klasse-I-Produkte relevant. Nach dem Stichtag (26.05.2020) dürfen diese Produkte nur noch bereitgestellt, aber nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. D.h. das Produkt muss bereits erstmalig bereitgestellt worden sein, womit es als in den Verkehr gebracht betrachtet wird. Dies gilt für jedes einzelne Produkt!
“
Laut dem neuen Newsletter gibt es aber dort im Ablaufdiagramm unten den folgenden Pfad:
* Wird das Produkt aufgrund einer Bescheinigung in Verkehr gebracht? –> NEIN (Klasse I)
* Muss gemäß MDR eine benannte Stelle beteiligt werden? –> JA (Klasse IIa)
>> daraus folgen dann folgende Daten
* Inverkehrbringung bis 25.05.2024
* Bereitstellung bis 27.05.2025
Stimmen jetzt die neuen Daten und muss der Absatz oben überarbeitet werden?
Beste Grüße aus Liechtenstein an den Bodensee,
Harald Köstinger
Sehr geehrter Herr Köstinger,
danke für Ihren wichtigen Hinweis! Ich vermute, Sie beziehen sich auf diesen Artikel. Sie haben Recht: Diesen Artikel habe ich noch nicht ans Corrigendum angepasst. Es muss jetzt statt „Klasse-I-Produkte“ heißen „nicht hochgestufte Klasse-I-Produkte“. Ich ändere das gleich.
Danke! Sie haben mir damit geholfen, den Beitrag zu aktualisieren!
Herzliche Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
unser OEM produziert die Medizinprodukte und verkauft sie direkt an uns. Wir treten als Hersteller gemäß der MDD auf und bringen Sie dann in den Verkehr.
Das ist wirklich eine spannende Frage. Denn wir sind uns nicht sicher, ob der Verkauf der Produkte vom OEM an uns PLM schon ein „in Verkehr bringen“ ist oder die Produkte erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn wir die Produkte an unsere Kunden verkaufen.
Beste Grüße
Inga Kieper
Sehr geehrte Frau Kieper,
ob es eine erstmalige Inverkehrbringung ist, kann ich ohne weiteres Hintergrundwissen nicht sagen. Beispielsweise weiß ich nicht, wo Ihr Hersteller seinen Sitz hat.
Ich habe Artikel Inverkehrbringung: Definition und regulatorische Anforderungen verfasst. Da können Sie sich hoffentlich noch mehr Klarheit verschaffen. Wenn noch Fragen offen bleiben, wissen Sie ja, wo es Hilfe gibt :-).
Viele Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Prof. Johner,
ich hätte Fragen zu dem in 1. b) genannten Grenzfall:
1. Wo findet man zu diesem Thema Fundstellen in Verordnungen, Gesetzen, Leitlinien etc., die auch in der Argumentation mit Benannten Stellen Bestand haben?
2. Für den Fall, dass sich die Konformitätserklärung auf das Produkt und nicht auf jede einzelne Charge dieses Produktes bezieht: Dann stellt (nach meinem Verständnis) die erstmalige Abgabe der ersten Charge des Produktes die Inverkehrbringung dar. Dagegen stellt die erstmalige Abgabe der zweiten, der dritten, der vierten… Charge desselben Produktes nicht mehr eine Inverkehrbringung dar, sondern eine Bereitstellung auf dem Markt. Ist meine Interpretation soweit korrekt?
Mit herzlichem Dank und freundlichen Grüßen
Ursula Rosche
Sehr geehrte Frau Rosche,
dass der Hersteller die Gültigkeit der DoC angeben muss und dass er dabei z.B. die betroffenen Batches spezifizieren sollte sagt z.B. das ZLG / EK-Med Dokument zu Conformity Assessment 3.9 A 4.
Für den von Ihnen unter 2. genannten Fall handelt es sich um eine Bereitstellung und eine Inverkehrbringung, aber keine erstmalige Inverkehrbringung. Ich vermute, dass Sie genau das meinten.
Beste Grüße, Christian Johner
Guten Morgen,
auch bei meiner Frage geht es um Produkte der Klasse 1, die zu Klasse 1r werden.
1. Wir verkaufen Produkte der Klasse I (später Ir) mit unserem CE an den Fachhhandel (einzige Vertriebsschiene – ist so auch im QM festgelegt).
– was ist ab dem 20.5. mit den Lagerbeständen?
– muss ich diese vorher an den Fachhandel verkaufen und ggf. wieder „zurückkaufen“ und erneut bei mir einlagern?
– müssen alle Artikel einzeln berechnet werden oder kann man „en bloc“ verkaufen (aber wie werden dann die Chargen erfasst? Ggf. mit beiliegender Lagerliste?)
– muss das Geld für den Kaufbetrag wirklich fließen
– zu welchem Stichtag? Ggf. 19.5., damit ich alle Lagerbestände erfasse?
– wie stelle ich ab 20.5. die Konformitätserklärung aus? Klasse 1? Klasse 1r? Die Produkte sind ja dann trotzdem nach wie vor nach MDD produziert.
2. Wir haben eine zweite Firma, die unser Zulieferer ist. Diese verkauft (ist im QM so festgelegt) nur an die „erste Firma“.
– was ist mit den Lagerbeständen dieser zweiten Firma? Kann ich die an die „erste Firma“ verkaufen und dann wieder an die „zweite Firma“ zurückverkaufen oder müsste man hier dann „zweite Firma“ an „erste Firma“ an Fachhandel und dann wieder zurückverkaufen?
– gäbe es ggf auch die elegante Lösung nur intern von „erster Firma“ an „zweite Firma“ und von „zweiter Firma“ an „erste Firma“ und wieder zurück zu verkaufen oder muss auf jeden Fall der Verkauf an die Fachhandelsebene vollzogen werden?
Im Voraus lieben Dank und herzliche Grüße!
Sehr geehrter Herr Prof. Johner,
ich habe eine vielleicht ungewöhnliche Frage zum Thema „In den Verkehr bringen“.
(1) Ein Produkt darf nur in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn es bei sachgemäßer Lieferung, korrekter Installation und Instandhaltung und seiner Zweckbestimmung entsprechender Verwendung, dieser Verordnung entspricht.
Wie verhält es sich, wenn der Außendienst Produkte (Verbrauchsmaterialien, die beim Patienten implantiert werden) im Auto hat (in unbeschädigter Verpackung und steril) und bei einem kurzfristigen oder dringenden Bedarf für eine OP zur Verfügung stellt inkl. korrekter Abrechnung mit der Klinik im Nachhinein. Aus meiner Sicht kein Compliance Thema sondern die Frage des In den Verkehr bringens.
Wer ist für die oben genannte „sachgemäße Lieferung“ (Transport/ Lagerung im Auto des Außendienstmitarbeiters) verantwortlich bzw. wie kann und soll das sicher gestellt werden?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Beste Grüße
Sehr geehrte Frau H,
wenn der Außendienstler das Produkt im Auto hat, zählt das schon als in den Verkehr gebracht.
Der Hersteller muss im Rahmen des Risikomanagements untersuchen, welche Risiken sich durch den Transport und die Lagerung ergeben. Diese Risiken muss er durch entsprechende Maßnahmen minimieren. Dazu kann zählen, dass er Vorgaben an Händler und Außendienstler erstellt und ggf. auch überprüft. Die rechtliche Verantwortung kann bei allen liegen. Das lässt sich global nicht beantworten. Das Fehlen einer Risikobetrachtung und entsprechender Vorgaben muss sich aber der Hersteller zuordnen lassen.
Viele Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
Bezugnehmend auf die Frage von Frau Kieper.
Wir haben eine ähnliche Situation. Der OEM befindet sich außerhalb der EU und die Produkte werden ebenfalls außerhalb der EU hergestellt. Wir erhalten die Produkte (Klasse I, IIa, IIb und III) dann über eine Drittfirma und treten als legaler Hersteller gemäß der MDD auf.
Die Produkte befinden sich in unserem Lager, an der Adresse unter der wir als legaler Hersteller registriert sind.
Gelten die Produkte in unserem Lager nun bereits als „in Verkehr gebracht“? Oder erfolgt die In-Verkehr-Bringung erst dann, wenn wir sie weiterverkaufen?
Mit den besten Grüßen
M. Weber
Sehr geehrte/r Herr/Frau Weber,
gemäß EU Blueguide sind die Produkte nicht in Verkehr gebracht, wenn „it is not being supplied for distribution, consumption or use, unless otherwise provided for in the applicable Union harmonisation legislation.“
Das sehe ich hier gegeben. Die Lieferung erfolgt an den Hersteller, damit dieser sie (eventuell final verpackt, kennzeichnet und) in Verkehr bringt an Händler und/oder Endkunden. Die Inverkehrbringung erfolgt somit erst mit dem Weiterverkauf.
Viele Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner
Folgende Ausgangslage für das Szenario ‚Schweiz als EU-Drittstaat‘:
– Schweizer Hersteller mit Tochterfirma in Deutschland
– Die Tochterfirma ist EU Importeur und EU Bevollmächtigter
– Produkte werden in Deutschland bei einer dritten Firma produziert
– Produkte sollen in verschiedenen Ländern der EU verkauft werden
Im Interpretationsdokument zu ‚placing on the market‘ der EU Kommission wird in Absatz 11 geschrieben ‚the transfer can consist in a physical hand-over and/or be based on a legal transaction‘.
Die Produkte sollen nicht unnötig hin und her verschickt werden. Was für Möglichkeiten bestehen, um den physischen Warenfluss möglichst effizient zu gestalten?
Zum Beispiel:
-Muss die Ware physisch zur Tochterfirma nach Deutschland und dann von da aus in andere EU-Länder verschickt werden oder kann die Ware (im Eigentum der Tochterfirma) auch im Namen der Tochterfirma beim Hersteller gelagert werden und von da aus an die EU Händler verschickt werden (vorausgesetzt natürlich, dass die Pflichten des Importeurs wie Überprüfung der Kennzeichnung etc. gewährleistet ist)
-kann die physische Ware auch direkt von der Produktionsstätte zur Tochterfirma in Deutschland mit virtuellen Transaktionen und Zollabwicklung zwischen der Schweiz und Deutschland?
Besten Dank für Ihre geschätzte Rückmeldung!
Sehr geehrte Frau Trepp,
danke für diese präzise und wichtige Frage!
Ich werde es nicht schaffen, diese umfassend hier zu beantworten. Das bedarf einer gezielten Ausarbeitung, die einiger Tage an Arbeit bedarf. Daher hier nur erste Gedanken:
Für die MDR ist es entscheidend, dass
Das bedingt aber nicht, dass ein importiertes Produkt zwingend physisch in die EU importiert werden muss. Diese Transaktion kann auch „virtuell“ d.h. vertraglich erfolgen. Wichtig ist, dass die Akteure ihre verschiedenen Hüte nicht verwechseln und dass sie notfalls auch Transaktionen festlegen und dokumentieren, die sie mit sich selbst tätigen.
Bei der Tochterfirma muss somit beispielsweise klar sein, ob sie als Importeur agiert oder als Dienstleister im Auftrag des Herstellers. Umgekehrt scheint es im vorliegenden Fall so zu sein, dass der Hersteller auch Dienstleister des Tochterunternehmens ist. Auch dies gilt es klar zu regeln.
Wenn der außereuropäische Hersteller die Produkte selbst in die EU verschickt, muss der Importeuer dennoch bestimmt sein. Das heißt aber nicht, dass der Warenverkehr physisch über diesen ge-routet werden muss.
Ob eine virtuelle Zollabwicklung notwendig ist, weiß ich nicht. Das ist nicht nur, aber auch eine steuerrechtliche Fragestellung.
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
bitte erlauben Sie mir eine Frage zu folgendem Sachverhalt:
Wir möchten Bevollmächtigter von Klasse I Produkten werden. Der Hersteller, mit dem wir in Kontakt sind, importiert bisher noch nicht in die EU.
Was muss der außereuropäische Hersteller berücksichtigen – in Hinblick auf Registrierung, UDI und der Verantwortl. Person Art. 15? Vielen Dank für Ihre Einschätzung.
Mit besten Grüßen
A. Seifert
Sehr geehrte Frau Seifert,
danke für Ihre Frage. Die MDR gibt zum Glück ganz gute Antworten:
Hilft das? Falls nicht, haken Sie gerne nach.
Viele Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
Wir sind Hersteller von Medizinprodukten der Klasse I (MDD), welche unter der MDR ebenfalls Klasse I Produkte bleiben. Wir möchten ein MP der Klasse I noch vor dem 26.05.2021 erstmalig Inverkehrbringen damit dieses gemäß Art. 120 (4) bis zum 26.05.2025 weiterhin auf dem Markt bereitgestellt werden kann. Dürfen wir als Hersteller nachdem, das Produkt erstmalig in Verkehr gebracht wurde , dieses Produkt (weitere Chargen) bis zum 26.05.2026 weiterhin produzieren und an Händler für die Bereitstellung abgeben oder verstehe ich die Begrifflichkeiten doch falsch?
Viele Grüße
I. Milke
Sehr geehrte/r I. Milke,
wenn Sie ein Produkt haben, das in der Klasse I bleibt (also auch Im, Is, Ir), dann dürfen Sie nach dem 26.05. diese Produkte nicht mehr in den Verkehr bringen. Damit sind die einzelnen Produkten oder Chargen gemeint.
Lesen Sie mehr dazu auch im Artikel zu den Übergangsfristen.
Viele Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Johner,
ich habe eine Frage zum refurbishing von Medizinprodukten und da es in diesem Artikel um den „fully refurbishing“ Prozess geht, dachte ich, dass ich die Frage hier stellen kann.
Müssen „fully refurbished“, also neu aufbereitete, Produkte besonders gekennzeichnet werden?
In der MDR finde ich keinerlei zusätzliche Anforderungen für neu aufbereitete Produkte.
Heißt das, dass die Anforderungen erfüllt werden, solange ein neu aufbereitetes Produkt wie ein neues Produkt betrachtet und gehandhabt wird?
Vielen Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
L. Kuipers
Sehr geehrte/r L. Kuipers,
Produkte, die als neu aufbereitet sind, müssen die gleiche Anforderungen wie neue Produkte erfüllen. Damit gibt es keine Notwendigkeit, das besonders zu kennzeichnen.
Ihre Vermutung ist daher absolut zutreffend.
Viele Grüße, Christian Johner
Sehr geehrte/r L. Kuipers,
angenommen es wurden eine bestimmte Menge Covid-Antigen-Laienschnelltests bereits mittels einer Sonderzulassung nach § 11 MPG eingeführt und verzollt, ein Teil der Ware wird sich aber aufgrund der Markentwicklung nicht verkaufen bzw. sogar, wenn, dann hat der Zweitabnehmer dasselbe Problem, dass die Sonderzulassungs (z.B. im Juni 2021) abläuft. Bedeutet der Weiterverkauf B2B oder anschließend dann B2C, das ein erneutes Inverkehrbringen vorliegt und eine neue Zulassung gebraucht wird. Oder darf die mit der Sonderzulassunng ei geführte Ware noch verkauft werden. Es handelt sich um ein Problem, dem sich nunmehr sämtliche Vertreiber von Antigentests stellen müssen, denn die auf 3-Monate begrenzten Sonderzulassungen nach § 11 MPG laufen aus und sowohl die Importeure als auch die abnehmenden Großhändler fragen sich ob und bis wann nun die Ware noch verkauft werden darf. Wie schätzen Sie die geschilderte Situation ein?
Herzlichen Dank und beste Grüße
Michael Pasternak, LL.M (UCLA)
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Johner,
Wert, Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten sind eine Einheit. Außerhalb Europas gibt es aber bei fehlender Versicherungspflicht Bedarf an Medizinprodukten zu einem Preis, der sich mit dem Einkommen der Betroffenen und auch deren Familien begleichen lässt. Bei vorhandenen zertifizierten und lokal akzeptierten Wiederaufbereitungsprozeduren lassen sich nach hiesigem Verständnis abgelaufene Produkte nutzbar machen. Gibt es eine Möglichkeit für Besitzer von ablaufenden oder abgelaufenen Medizinprodukten, die sonst zur Entsorgung anstehen, diese fallorientiert noch einem Nutzen zuführen zu können? Müssen oder könnten die Herstellerfirmen mit in so einem Prozess einbezogen werden ? Neben dem Gewinn für die Betroffenen würde auch der Aspekt der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Gibt es für diese Fälle nutzbare Regularien ?
Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage.
Dr. Heiko Hildebrand
Sehr geehrter Herr Dr. Hildebrand,
danke für Ihre sehr wichtigen Überlegungen und Fragen! Diese enthalten mehrere Aspekte:
Das hängt sehr stark vom jeweiligen Land und von der Form der Inverkehrbringung ab. So wie wir in Europa unterscheiden manche die erstmalige Inverkehrbringung und den Weiterverkauf von bereits in den Verkehr gebrachten Produkten. Für ersteres verlangen manche Länder ein Free Sales Certifiate. Manche regeln oder kontrollieren sogar wenig bis nichts.
Diese Frage ist schwieriger zu beantworten, als man denkt. Denn es geht nicht nur um den Bedarf, sondern auch die Fähigkeiten und Möglichkeiten die Produkte anzuwenden und zu warten. So haben wir bei unserer Initiative „Healthcare IT for Africa (HITA)“ verlassene Röntgengeräte im Dschungel gefunden, weil es keine Ersatzteile gab. Der Verein kann Ihnen auch sonst weiterhelfen.
Nein, dazu sind mir keine Regularien bekannt. Sie sollten aber sicherstellen, dass der von ihnen definierte Nutzungskontext gegeben ist und die Risiken beherrscht sind, die entstehen, wenn dies nicht gegeben ist. Auch physische Parameter wie Höhe über dem Meeresspiegel und Luftfeuchtigkeit haben einen Einfluss auf die Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Produkte.
Mit den besten Grüßen, Christian Johner
Hallo liebes Johner Team,
kann ein Hersteller der gleichzeitig seine Medizinprodukte auch an Endkonsumenten (Krankenhäuser, usw) als Händler verkauft die Regelung „Inverkehrbringen“ nutzen. Konkret: Klasse 1 Produkte nach MDD vor dem 25.05.2021 hergestellt und für den Vertrieb an weitere Händler und Endverbraucher zu Verfügung (Im Lager) gestellt. Gilt das hier schon als Inverkehrbringen?
Oder wäre hier folgender Fall bei uns zutreffend: Hersteller verkauft an Endverbraucher (Bereitstellen).
Hersteller verkauft an Händler ( Inverkehrbringen).
Herzlichen Dank für die Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
F.Ak
Lieber Herr Akbulut,
ich denke, wichtig ist hier diese Erläuterung aus dem Blueguide: Die Bereitstellung eines Produkts setzt ein Angebot oder eine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung zwischen zwei oder mehr juristischen oder natürlichen Personen in Bezug auf die Übertragung des Eigentums, des Besitzes oder sonstiger Rechte (47) hinsichtlich des betreffenden Produkts nach dessen Herstellung voraus, was nicht zwingend die physische Übergabe des Produkts erfordert. Blue Guide, Kapitel 2.2
Entscheidend ist also nicht der Ort, wo die Produkte liegen, sondern ob vor dem 25. Mai 2021 ein Vertrag über diese Waren geschlossen wurde und von beiden Parteien angenommen wurde. Ob der Vertrag angenommen wurde, ließe sich zum Beispiel daran erkennen, dass in irgendeiner Weise eine Bezahlung stattgefunden hat.
Mit besten Grüßen
Astrid Schulze
Hallo Johner Team,
Als Händler müssen wir ja auf den EC-REP prüfen. Wir haben jetzt Ware bekommen auf der der Hersteller eine deutsche Adresse angibt, aber im Anschluss an seine Web-Adresse „Made in China“ aufgedruckt hat?
Beste Grüße
Walter Wurzer
Sehr geehrter Herr Wurzer, ich bin nicht sicher, ob mir zu Ihrem Kontext ausreichend detaillierte Informationen vorliegen und wage mit dieser Einschränkung eine Antwort: Um den Bevollmächtigten laut Artikel 11 der MDR zu ermitteln, müssen Sie in der Regel die Informationen auf dem Produktetikett oder der Verpackung des Medizinprodukts überprüfen. Dort sollte der Name und die Anschrift des Herstellers sowie des Bevollmächtigten angegeben sein. Alternativ können Sie auch die Datenbank EUDAMED (European Database on Medical Devices) nutzen, um Informationen über das Medizinprodukt und den Hersteller zu finden. https://ec.europa.eu/tools/eudamed/#/screen/search-eo
Mit besten Grüßen
Astrid Schulze
Vielen Dank Frau Schulze!
Auf der Verpackung des Medizinprodukts ist der Hersteller mit deutscher Adresse angegeben, allerdings steht auch auf der Verpackung gleich unterhalb der deutschen Herstelleradresse „Made in China“. Muss in diesem Fall ein EC-REP auf der Verpackung angegeben sein oder nicht? Eine Gebrauchsinformation, auf der der EC-REP auch angegeben sein könnte, gibt es nicht.
Lieber Herr Wurzer, wenn der Hersteller eine deutsche Adresse hat, könnte Made in China auch auf einen ausgelagerten Prozess hinweisen. Man müsste hier wirklich den Hersteller fragen, welcher Kontext hier genau vorliegt. Es gibt mindestens folgende mögliche Konstellation in diesem Fall:
Die Firma mit der deutschen Adresse ist tatsächlich der „legal manufacturer“. Also Hersteller im Sinne der MDR, aber nicht zwingend der Fertiger. Er trägt nur die Verantwortung für alles. Auch für die möglicherweise nach China ausgelagerten Prozesse. „Made in“-Angaben, also die Herkunftsangabe sind in Deutschland bis heute nicht verpflichtend, aber in einigen anderen Ländern durchaus. Nachlesen kann man das in einem Exportnachschlagewerk: Konsulats- und Mustervorschriften. Das könnte einen legal manufacturer, der international verkauft, veranlassen, „Made in China“ grundsätzlich aufzudrucken, auch wenn er es in einigen Ländern gar nicht müsste.
In dem von Ihnen geschilderten Fall muss kein Bevollmächtigter (EC_REP) angegeben sein. Da ja der Hersteller sich innerhalb der EU befindet, braucht es diesen (Bevollmächtigten) nicht.
Mit besten Grüßen
Astrid Schulze
Hallo liebes Johner Team,
mich würde in Abgrenzung zu „Inverkehrbringen“ und „Inbetriebnahme“ interessieren, wie genau sich „in Verkehr sein“ definiert? Ist ein Software-Medizinprodukt „in Verkehr“, solange es noch bei irgendeinem Anwender installiert ist, obwohl das Produkt durch den Hersteller längst abgekündigt ist? Oder bedeutet „in Verkehr“ nur, solange das Produkt noch auf dem Markt bereitgestellt wird.
Davon hängt dann ja beispielsweise auch ab, ob ein Legacy-Produkt noch in EUDAMED registriert werden muss.
Liebe Frau Stridde,
den Begriff „in Verkehr sein“ definiert und nutzt die MDR nicht. Ein (einzelnes) Produkt wird zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Verkehr gebracht und anschließend in Betrieb genommen. Die Nutzungsdauer durch den Anwender sollte sich an die vom Hersteller vorzugebende Lebensdauer halten. Dies ist nicht gleichzusetzen mit der Service-Zeit (end of life) bzw. Abkündigung.
Bezüglich EUDAMED wäre eine Registrierung für ein Legacy Device nur notwendig, falls das Produkt weiterhin in Verkehr gebracht wird. So sieht es Artikel 29 MDR vor. Das ist unabhängig davon, ob noch einzelne Produkte auf dem Markt genutzt werden.
Freundliche Grüße
Luca Salvatore
Lieber Herr Salvatore,
haben Sie vielen Dank für die schnelle Antwort. Diese hilft mir weiter.
Was ist nun aber, wenn mit einem dieser Produkte, die – ggf. trotz end-of-life bzw. Abkündigung – noch auf dem Markt genutzt werden, ein Vigilanzfall auftritt? Bei diesen Produkten handelt es sich nach MDCG 2021-13 und 2021-25 ja nicht um „Legacy Devices“ sondern um „Old Devices“. Dann müssen diese „Old Devices“ doch in EUDAMED registriert werden, oder? Punkt 5 in MDCG 2021-13 und Punkt 3 in MDCG 2021-25 scheinen dies zu implizieren.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Stridde
Liebe Frau Stridde,
auch bei einem Vigilanzfall muss das Produkt nicht registriert sein. Sie müssen allerdings in diesem Fall im Vigilanz-Modul detaillierte Produktinformationen angeben und können nicht auf einen EUDAMED-Eintrag zu Ihrem Produkt referenzieren. In diesem User Guide ist genau beschrieben, wie Sie im Falle von Produkten vorgehen, die noch nicht registriert sind.
Freundliche Grüße
Luca Salvatore
Sehr geehrtes Johner Team,
ich habe folgende Frage zum Thema GTIN bzw. EAN.
Ein Händler (A) kauft zu seinem Set ein Medizinprodukt eines anderen Herstellers (B), in der EU, zu und vergibt diesem Produkt seine eigene GTIN.
Gehe ich richtig in der Annahme, dass dies nicht korrekt ist.
LG
Erik Bacher
Sehr geehrter Herr Bacher,
der Händler könnte theoretisch eine eigene, zusätzliche GTIN vergeben und anbringen. Die ursrüngliche UDI (z.B. durch GTIN umgesetzt) des Herstellers muss aber weiterhin erhalten bleiben. Es muss auch klar erkenntlich sein, welcher der beiden Träger, die UDI darstellt (UDI-Symbol der ISO 15223-1).
Freundliche Grüße
Luca
Liebes Team des Johner-Institut,
wir haben derzeit eine Lücke beim „Verfahren zur Erfüllung und Anwendung der gemeinsamen Spezifikationen und harmonisierten Normen“ Es soll also keine konkrete Liste, sondern eine Verfahrensanweisung eingereicht werden. Ist dieses jetzt bürokratisch gedacht, oder wie kann man dies leicht und kompakt formulieren?
Mit freundlichen Gruss
Bernd Seidel
Lieber Herr Seidel,
vermutlich meint die benannte Stelle eine Verfahrensanweisung, mit welcher Sie die für Ihr Unternehmen und Produkte geltenden GS und Normen ermitteln und überwachen. Sie sollten in dieser also regeln
– wer für die Überwachung und Bewertung verantwortlich ist,
– wie häufig dies geschieht (z.B. wie häufig Ihre Normenliste zu aktualisieren ist),
– wo dies dokumentiert wird und
– wie die Änderungen im Unternehmen zu den relevanten Bereichen kommuniziert werden
Freundliche Grüße
Luca Salvatore
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Johner,
vielen Dank für den aufschlussreichen Artikel. Daraus ergibt sich eine für uns wichtige Frage.
Wir haben ein Medizinprodukt unter MDD als Klasse I in Verkehr gebracht, welches ausschließlich als Hilfsmittel (keine direkte Kombination) im Rahmen einer klinischen Studie der Phase III für ATMPs (Advanced Therapy Medicinal Products) eingesetzt wird. Nun wird die Studie noch etwa 2 Jahre dauern, wir werden das MD also für die nächsten 2 Jahre im Rahmen dieser Studie noch verwenden, dann nicht mehr. Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, bedeutet dies also, dass wir das MD unter MDD noch weiterhin „bereitstellen“ dürfen? Oder müssen wir eine Konformitätsbewertung durch eine benannte Stelle durchlaufen (da unter MDR Klasse Ir) und unsere technische Dokumentation und QM System an MDR anpassen?
Mit freundlichen Grüßen
Fabian Stillebacher
Sehr geehrter Herr Stillebacher,
nach Ihrer Beschreibung ist das Produkt bereits in Verkehr gebracht. Somit kann es unbefristet als Legacy-Produkt (MDD-konform) weiter bereitgestellt, genutzt oder in Betrieb genommen werden. Eine Konformitätsbewertung wäre nur dann notwendig, wenn Sie das Produkt zukünftig weiter erstmalig bereitstellen möchten (d.h. Inverkehrbringen).
Freundliche Grüße
Luca Salvatore
Liebes Johner-Team,
wir produzieren unser Legacy Device Klasse IIa nach MDD noch bis zum 26.5.2024. Danach liegt es in diversen Auslieferungslägern und wartet auf den Versand. Kann als Inverkehrbringung die Bereitstellung in den Auslieferungslägern verstanden werden, sodass die Belieferung unserer Kunden (= weitere Bereitstellung) ohne Einschränkung möglich ist? In den Auslieferungslägern bleibt das Produkt bis zu Übergabe an den Kunden ins unserem Besitz.
Freundliche Grüße
Anne Sieben
Liebe Frau Sieben,
wenn sich die Produkte zwar im Auslieferungslager befinden, aber noch in Ihrem Besitz sind und Sie weiterhin die vollständige Sachherrschaft über das Produkt haben, dann liegt keine Inverkehrbringung vor. Wenn der Kunde allerdings, wie beispielsweise in einem Konsignationslager, jederzeit auf das Produkt zugreifen kann und die Sachherrschaft ausüben kann, dann würde dies für eine Inverkehrbringung sprechen.
Freundliche Grüße
Luca Salvatore