Der Begriff klinische Validierung wird häufig auch im Zusammenhang mit Medizinprodukten verwendet. Beispielsweise veröffentlicht das BMBF eine Richtlinie zum Thema „Klinische Validierung innovativer medizintechnischer Lösungen“. Auch die FDA spricht von clinical validation.
Was ist eine klinische Validierung? Was unterscheidet sie von einer klinischen Bewertung und einer klinischen Prüfung? Sind klinische Validierungen überhaupt vorgeschrieben?
Hier in kompakter Form die Antworten.
1. Definition und Abgrenzung
a) Definition „klinische Validierung“
Es gibt viele Definitionen des Begriffs, aber leider fehlt eine allgemein anerkannte. Publikationen wie die von Shah et al. versuchen sich daran.
Hilfreiche Definitionen
Am hilfreichsten ist die folgende Definition:
Prozess, der auf klinischen Daten basiert, zum Nachweis, dass ein Medizinprodukt/IVD seine Zweckbestimmung erreicht und dabei sicher und leistungsfähig ist
Diese Definition berücksichtigt die allgemein anerkannte Definition des Begriffs Validierung, welche auch die ISO 14155-2021-05 verwendet.
Bestätigung durch Untersuchung und Erbringung eines objektiven Nachweises, dass die Anforderungen für eine spezielle bestimmungsgemäße Verwendung dauerhaft erfüllt werden können
Die klinische Validierung ist damit eine Validierung, die auf klinischen Daten basiert.
Weniger hilfreiche Definitionen
Weniger üblich und geeignet sind die folgenden Definitionen:
Definition | Bewertung |
Prozess zum Nachweis der Fähigkeit eines Produkts, Ergebnisse zu liefern, die mit einem bestimmten klinischen Zustand oder physiologischen oder pathologischen Vorgang oder Zustand bei einer bestimmten Zielbevölkerung und bestimmten vorgesehenen Anwendern korrelieren | Diese Definition findet sich im Kontext von IVD. Sie entspricht dem Nachweis der klinischen Leistung (und beispielsweise nicht der Analyseleistung). |
The process of testing a device’s accuracy to meet clinical standards (Quelle) | Diese Definition setzt den Fokus auf die Genauigkeit des Geräts und umfasst beispielsweise nicht dessen Gebrauchstauglichkeit, welche auch (klinisch) validiert werden sollte. |
Clinical validation is the process of validating each diagnosis or procedure documented within the health record, ensuring it is supported by clinical evidence in the medical record. (Quelle) | Diese Definition passt nicht zum Kontext der Medizinprodukte. |
b) Abgrenzung von „klinischer Bewertung“
Die klinische Validierung ist ein Teil der klinischen Bewertung: Die klinische Bewertung ist ebenfalls ein Prozess, der die Planung und Durchführung der klinischen Validierung umfasst.
Bei der klinischen Bewertung werden die Daten aus der Verifizierung und Validierung des Produkts bewertet. Dabei kann es sich um klinische und nicht-klinische Daten handeln.
Beispiele für klinische Daten sind Daten aus
- klinischen Prüfungen des Medizinprodukts,
- klinischen Prüfungen eines Vergleichsprodukts oder Äquivalenzprodukts,
- der wissenschaftlichen Literatur zu Vergleichsprodukten oder Äquivalenzprodukten,
- der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (PMS).
Beispiele für nicht-klinische Daten sind die Ergebnisse von Biokompatibilitätstest.
Beachten Sie den Fachartikel Klinische Daten.
c) Abgrenzung von „klinischer Prüfung“
Die klinische Validierung basiert auf klinischen Daten. Klinische Daten werden im Rahmen der Anwendung des Medizinprodukts gewonnen und setzen sich wie folgt zusammen: Daten aus klinischen Prüfungen mit dem Produkt oder Vergleichsprodukten, publizierte Fachliteratur über klinische Erfahrungen mit dem Produkt oder einem Vergleichsprodukt oder klinisch relevante Angaben aus der Überwachung nach dem Inverkehrbringen.
Die klinische Prüfung kann ein Teil der klinischen Validierung eines Medizinprodukts sein, mit dem Ziel, klinische Daten zu generieren, um die Sicherheit und Leistung nachzuweisen. Der Begriff „Validierung“ wird häufig im Kontext klinischer Studien/Prüfungen verwendet. Beispielsweise bezieht der HTA-Guidance on Validity of Clinical Studies explizit Medizinprodukte und IVD mit ein.
Eine klinische Prüfung sollte folgende Punkte erfüllen, um als „valide“ zu gelten:
- Die klinische Prüfung sollte sicherstellen, dass die Ergebnisse klinisch relevant und wissenschaftlich valide sind im Hinblick auf die Endpunkte der klinischen Prüfung und das Nutzen-Risiko-Profil des Prüfprodukts.
- Die Konzeption der klinischen Prüfung sollte so gewählt werden, dass Aussagen darüber getroffen werden können, ob das Prüfprodukt im Rahmen seiner vom Hersteller vorgegebenen Zweckbestimmung für die vom Hersteller vorgesehene Patientenpopulation geeignet ist.
Das Dokument Guidance on Validity of Clinical Studies gibt Hilfestellungen in Form von Definitionen und Erklärungen zu unterschiedlichen Studiendesigns, den Schwächen und Stärken, die mit den verschiedenen Designs verbunden sind und die Betrachtung von Real-World Data und Real-World Evidence.
Die Leitlinie bietet einen praktischen Rahmen für die Bewertung der Validität von klinischen Studienergebnissen. Sie konzentriert sich auf die Definition, Klassifizierung und Bewertung der Sicherheit von Ergebnissen klinischer interventioneller Studien, einschließlich Arzneimitteln, Medizinprodukten und IVD.
Das Guidance-Dokument deckt verschiedene Studiendesigns ab und diskutiert deren Stärken und Schwächen, darunter randomisierte kontrollierte Studien (RCT), einarmige Studien, Kohortenstudien, Fall-Kontroll-Studien und nicht-traditionelle Studiendesigns wie Master Protocols (P, Basket, umbrella trials) und klinische Register.
d) Abgrenzung von nicht-klinischen Validierungen
Eine nicht-klinische Validierung ist eine Validierung anhand nicht-klinischer Daten. Beispiele sind die o.g. Biokompatibilitätstests und die Validierung von Sterilisationsverfahren.
Mehr über den Begriff „Validierung“ und die Methoden zur Validierung finden Sie im unter dem Schlagwort „Validierung“.
Meist erfolgt die nicht-klinische Validierung auf Basis von etablierten und in Normen beschriebenen (nicht-klinischen) Testmethoden. Beispiele für solche Normen finden sich in den Normenfamilien ISO 10993 und IEC 60601.
Ein Steckbeckenspülapparat hat den Zweck, Bettpfannen zur Unterbrechung nosokomialer Infektionsketten zu reinigen und zu desinfizieren.
Der Nachweis wird vollständig über die zugehörige Produktnorm ISO 15883-3 erbracht.
Das Produkt hat keine klinischen Outcome-Parameter, um dessen Sicherheit, Leistung und Nutzen nachzuweisen. Die Leistung wird über den A0-Wert (ein Maßstab für die Abtötung von Mikroorganismen in Desinfektionsverfahren mit feuchter Hitze) erbracht. Die akzeptablen Grenzwerte sind in der ISO 15883-3 gelistet.
2. Gesetzliche Anforderungen an klinische Validierungen
a) Europa
Weder die MDR noch die IVDR verwenden den Begriff „klinische Validierung“. Sie fordern eine klinische Bewertung (Artikel 61 MDR) bzw. eine Leistungsbewertung (Artikel 56 IVDR).
Von den Ausnahmen im Artikel 61(10) abgesehen muss der Nachweis, dass das Produkt den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen entspricht, mit klinischen Daten erfolgen, die in der klinischen Bewertung bewertet werden. Das Sammeln dieser klinischen Nachweise entspricht der klinischen Validierung.
b) USA
Die FDA stellt zahlreiche Anforderungen an die „Clinical Evaluation“. Den Begriff „Clinical Validation“ nutzt sie aber fast nur bei Software as a Medical Device (SaMD).
Im Guidance-Dokument Software as a Medical Device (SAMD): Clinical Evaluation macht die FDA klar, dass sie den Begriff „Clinical Evaluation” wie bei IVD verstanden wissen will (s. Abb. 1). Demnach ist die klinische Validierung der Nachweis, dass der (korrekte und präzise) Output des SaMD geeignet ist, die Zweckbestimmung des Produkts im klinischen Kontext tatsächlich zu erreichen.
Die FDA beschreibt das wie folgt:
Clinical validation measures the ability of a SaMD to yield a clinically meaningful output associated to the target use of SaMD output in the target health care situation or condition identified in the SaMD definition statement.
Dieser Nachweis soll anhand klinischer Daten erfolgen (s. Kapitel 1.b dieses Artikels).
3. Vorgehen bei klinischen Validierungen
Im klinischen Bewertungsplan müssen die Hersteller die klinische Strategie für die klinische Bewertung und damit ggf. auch die Erhebung von weiteren Daten im Rahmen der klinischen Validierung planen.
So wird zunächst eine „Bestandsaufnahme“ aller bereits vorhandenen klinischen Daten zum Produkt erstellt. Die vorhandenen klinischen Daten werden bewertet und etwaige Datenlücken identifiziert, welche im Rahmen der klinischen Validierung geschlossen werden müssen. Die klinische Validierung kann, muss aber nicht im Rahmen einer klinischen Prüfung erfolgen.
Die klinische Validierung erfolgt entweder vor der Zulassung im Rahmen einer klinischen Prüfung, um klinische Daten für das Konformitätsbewertungsverfahren zu generieren, oder in der Post-Market-Phase, um z. B. neue klinische Claims zu bestätigen.
4. Fazit und Zusammenfassung
Der Begriff „klinische Validierung“ ist bei Medizinprodukten nicht besonders hilfreich und führt zu Verwechslungen. Hersteller von Medizinprodukten sollten vielmehr andere Begriffe unterscheiden:
- Klinische Bewertung
- Klinische Prüfung
- (Sammeln) klinischer Daten
Bei Herstellern von IVD und SaMD ist hingegen der Nachweis der klinischen Validität wichtig. Der Prozess, um diesen Nachweis zu erbringen, lässt sich als klinische Validierung bezeichnen.
Die Clinical Experts des Johner Instituts helfen Herstellern von Medizinprodukten und IVD beim Sammeln und Bewerten klinischer Daten, um die schnelle und unkomplizierte „Zulassung“ ihrer Produkte weltweit zu erreichen.
- Sie führen die klinische Bewertung durch oder unterstützen dabei.
- Sie bilden Mitarbeitende der Hersteller aus, z. B. mit dem Seminar zur klinischen Bewertung oder durch den Blended-Learning-Kurs zum Medical Writer.
- Sie erstellen für und mit den Herstellern die klinische Strategie, um unnötige Aufwände und unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
- Sie helfen bei der Durchführung von klinischen Studien.
Melden Sie sich gerne, beispielsweise über das Kontaktformular.