„Remediation“ ist oft ein Synonym für maximalen Stress: Benannte Stellen oder Behörden wie die FDA haben nennenswerte Abweichungen entdeckt, die mit höchster Priorität und ohne Rücksicht auf die Arbeitslast der Mitarbeitenden oder Budgets beseitigt werden müssen.
Dieser Artikel hilft Ihnen, solche „Remediation-Projekte“ so abzuschließen, dass
- die „Kontrolleure“ zufrieden sind,
- das eigene Team nicht unnötig überbeansprucht wird,
- nicht alle Budgets gesprengt werden und
- so ein Problem künftig nicht mehr auftreten wird.
1. Remediation: Das Wichtigste zuerst
1.1 Was man unter „Remediation“ versteht
Der Begriff „Remediation“ ist zwar im regulatorischen Bereich ein gängiger Begriff, aber eine gesetzliche Definition gibt es nicht. Das Cambridge Dictionary definiert den Begriff wie folgt:
“the process of improving or correcting a situation”
Bei Herstellern von Medizin- und Pharmaprodukten geht es bei der Remediation um die Behebung von (regulatorischen) Problemen.
Abweichungen stellen Benannte Stellen, Behörden wie die FDA oder die Unternehmen selbst bei internen/externen Audits oder Inspektionen fest. Remediations sind somit weder auf die FDA noch auf einen Rechtsbereich beschränkt.
- Planung und Umsetzung von Maßnahmen nach einem Audit durch eine Benannte Stelle, das zu „major“ Abweichungen geführt haben
- Maßnahmen, um die von der Finanzaufsicht identifizierten Nichtkonformitäten zu beseitigen
Manche Firmen sprechen erst dann von einer Remediation, wenn eine bestimmte Eskalationsstufe eingetreten ist, etwa die Androhung eines Warning Letters durch die FDA.
1.2 Wie sich eine Remediation von einer CAPA unterscheidet
Das Ziel der Remediation besteht darin, ein System, Verfahren oder Produkt wieder in Konformität zu bringen, bevor ernste Konsequenzen drohen wie Bußgelder, Strafanzeigen, Importstopps oder schlechte Reputation.
Dieses Ziel erinnert an die Korrekturmaßnahmen. Allerdings ist die Remediation als übergeordneter Prozess anzusehen, der umfassender ist als eine einzelne Korrektur- oder Vorbeugungsmaßnahme (CAPA).
1.3 Wann eine Remediation notwendig wird
Typischerweise werden im Rahmen eines Remediation-Projekts mehrere CAPAs bearbeitet, gruppiert und umgesetzt. Organisationen sollten also unverzüglich mit einem Remediation-Projekt starten, wenn mehrere systemische Probleme festgestellt wurden; sei es in einem internen Audit oder bei einer FDA-Inspektion.
1.4 Was die häufigsten Abweichungen sind
Die FDA beanstandet fast immer, dass Verfahren nicht angemessen festgelegt oder nicht eingehalten wurden.
Besonders häufig betroffen sind die folgenden Verfahren (s. Abb. 1).
- Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen: Das bedeutet, dass die Firmen ihre Probleme und deren Ursachen nicht systematisch erkennen, erfassen und beheben.
- Umgang mit Reklamationen
- Vigilanz
- Design Controls, insbesondere der Umgang mit Design-Änderungen. Beispielsweise verifizieren und validieren die Hersteller Änderungen am Produkt nicht ausreichend oder melden wesentliche Änderungen nicht der Benannten Stelle oder Behörde (oder es findet keine Bewertung der Meldepflicht statt).
Abweichungen dokumentiert die FDA auf einem Abweichungsformular mit der Nummer 483 oder stellt gar einen Warning Letter aus.
2. Der regulatorische Rahmen
Gesetzliche Anforderungen an die Umsetzung der Remediation bestehen nicht. Es gibt aber Anforderungen an die Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen, z. B. in Kapitel 8.5 der ISO 13485 oder im 21 CFR 820.100.
Zudem setzen die Behörden und Benannten Stelle Fristen. An diese sollten sich die Hersteller halten.
Rechtsbereich | Fristen |
USA / FDA | Antwort auf einen 483er-Abweichungsbericht und Warning Letter: 15 Werktage |
EU (MDR, IVDR) | Typischerweise 15 Tage zur Erstellung eines Plans und 30 bis 90 Tage zu dessen Umsetzung (abhängig von der Kritikalität) |
MDSAP | 15 Tage bis zur Einreichung eines Remediation-Plans. 30 Tage bis zur Umsetzung des Remediation-Plans bzgl. Abweichungen von Grad 4 oder 5 |
3. Typische Schritte beim Remediation-Prozess
3.1 Die Feststellung erhalten und verstehen
Typischerweise startet der Prozess mit der Feststellung eines größeren regulatorischen Problems durch
- einen Warning Letter der FDA oder
- den Auditberichts einer Benannten Stelle mit einer oder mehreren “major” Abweichungen.
In diesem Fall müssen die Hersteller wegen der o. g. Fristen unverzüglich handeln:
- Zunächst sollten die Firmen die “Verstöße” verstehen und nach Bereichen gruppieren.
- Danach sollten sie alle Betroffenen bzw. Bereichsverantwortlichen Teil des Remediation-Teams machen.
3.2 Problemursachen identifizieren
Gemeinsam gilt es nun, die Ursachen der Probleme zu identifizieren. Nutzen Sie hierfür den CAPA-Prozess (soweit dieser nicht von der Abweichung betroffen ist).
Finden Sie die tatsächlichen Ursachen. Dass jemand einen Prozess nicht eingehalten hat, ist kein „root cause“. Die tatsächlichen Probleme liegen meist tiefer:
- Der Fisch stinkt vom Kopf
Es gibt Geschäftsführungen, denen die Einhaltung regulatorischer Anforderungen nicht so wichtig oder bewusst ist. - Fehlende Ressourcen
Diese mangelnde Priorisierung resultiert regelmäßig darin, dass die dafür notwendigen Ressourcen nicht bereitstehen. - Kompetenz fehlt
Das Verständnis der regulatorischen Anforderungen und deren Einhaltung bedingt nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Sachverstand. Dieser muss systematisch aktualisiert werden. Es ist wichtig, dass die Firmen ausscheidende Kompetenzträger rechtzeitig und vollständig ersetzen. - Bewusstsein fehlt
Regelmäßig fehlt das Bewusstsein, wie wichtig es ist, die regulatorischen Anforderungen einzuhalten, und wie aufwändig es ist, die Entropie im Unternehmen zu bekämpfen. Ohne Energieaufwand versinkt jede Organisation im Chaos. - Ungeeignete Ressourcen, mangelnde inhärente gesetzliche Sicherheit
Wer Inhalte wie eine Zweckbestimmung in verschiedenen Dokumenten (z. B. Risikomanagementakte, Use Specification, klinische Bewertungsbericht) manuell synchron halten muss, hat einen schweren Stand. In einem daten- statt dokumentengetriebenen System gibt es keine redundanten Daten und damit keine Gefahr von Inkonsistenzen.
3.3 Remediation-Plan erarbeiten
Wenn die Abweichungen und die Ursachen vollständig identifiziert und verstanden sind, steht die Planung der Remediation an. Der Plan sollte umfassen:
- Geplanten Korrekturen sowie Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen und die damit einhergehenden Änderungen am QM-System und den Prozessen und Verfahren
- Einen begründeten Zeitplan
- Vorübergehende Maßnahmen (bei zeitaufwändigen CAPAs)
- Geregelte Verantwortlichkeiten für die Überwachung und die Umsetzung des Plans
- Anforderungen an Schulungen
- Methoden zur Wirksamkeitsprüfung
Kommunizieren Sie Ihren Plan unbedingt an die Benannte Stelle oder Behörde (siehe auch Best Practices).
3.4 Remediation-Plan umsetzen und nachverfolgen
Die Umsetzung des Plans sollten die Firmen kontinuierlich überwachen, damit sie zeitnah reagieren können, etwa bei Verzögerungen. Diese Aufgabe obliegt typischerweise einem Projektleiter bzw. einer Projektleiterin.
3.5 Wirksamkeit der Maßnahmen prüfen
Nach Umsetzung der Maßnahmen beginnt die Phase der Wirksamkeitsprüfung. Diese kann unterschiedlich lang andauern. Häufig muss für eine objektive Bewertung der jeweilige Prozess mehrfach durchlaufen werden, um beurteilen zu können, ob die Ursache des Problems behoben wurde.
Bei Prozessen, die selten durchlaufen werden, z. B. Vigilanzprozesse, kann es hilfreich sein, die Wirksamkeit der Maßnahme und die Konformität des Prozesses anhand einer Simulation zu bewerten.
Regelmäßig sind die Organisationen verpflichtet, den Abschluss der Remediation der prüfenden Organisation (z. B. Behörde) zu melden.
4. Tipps für eine erfolgreiche Remediation
4.1 Best Practices und Erfolgstreiber
Commitment einfordern und zeigen
Das Commitment des Top-Managements sowie aller Verantwortlichen ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren in einem Remediation-Projekt. Wenn das Management nicht versteht, wie kritisch die Situation ist, wird es schwierig.
Nutzen Sie die Hilfe von Professor Johner und seinem Team, um die notwendige Überzeugungsarbeit zu leisten. Das war den Unternehmen bisher immer dienlich. Melden Sie sich.
Systemweite und vorbehaltlose Ursachenanalyse durchführen
Die Ursachenanalyse sollte systemweit erfolgen und nicht auf einen bestimmten Prozess begrenzt werden. Nur so lassen sich die wirklichen “root causes” erkennen.
Bei der Analyse darf es kein Tabu geben. Es geht nicht um das Auffinden von Schuldigen, sondern das der Ursache. Solange Unternehmen diese nicht finden, ist die nächste Remediation nur eine Frage der Zeit.
Zeitnah, aber nicht voreilig handeln
Reagieren Sie auf Abweichungsberichte oder Warning Letters zeitnah und unbedingt innerhalb der gesetzten Fristen.
Allerdings sollten Sie nicht voreilig reagieren, wenn Ihr Plan akzeptiert werden soll. Ein guter und begründeter Remediation-Plan benötigt Zeit, weil alle Verantwortlichen einbezogen werden müssen und nicht nur den QMB oder RA-Leiter.
Vorbeugungsmaßnahmen festlegen
Wenn möglich, sollten die Unternehmen geeignete Vorbeugungsmaßnahmen definieren. Dies sind Maßnahmen in anderen Bereichen oder für Prozesse, die nicht beanstandet wurden und die aktuell (noch) konform sind. Wenn hier ähnliche Grundlagen vorliegen wie im aktuell beanstandeten Prozess und damit potenzielle Probleme, können diese vor Eintreten einer Nichtkonformität korrigiert werden.
Der Prozess zur Meldepflicht von Vorkommnissen ist gesetzeskonform und wird nach den eigenen QM-Vorgaben implementiert. Allerdings ist aufgefallen, dass die vorgegebene Frist zur Bewertung der Ereignisse nur noch knapp eingehalten wird (negativer Trend).
Im einfachsten Fall ist die Ursache ein Ressourcenmangel. Es könnte sich aber auch um ein systemisches Problem handeln (z. B. Prozess zu kompliziert, zu viele Personen involviert). In diesem Fall kann eine Vorbeugungsmaßnahme sinnvoll sein.
Angemessene Antwort geben
Die Antwort an die Behörde oder Benannte Stelle sollte den Remediation-Plan enthalten. Es ist dienlich, die eigene Absicht zu formulieren, konform mit Gesetz zu sein und auch zukünftig bleiben zu wollen. Am besten mit Unterschrift vom Top-Management.
4.2 Fallen erkennen und vermeiden
Unpräzise Antwort
Eine vage Antwort an die Behörde sollte man vermeiden. Beispielsweise nicht erwähnen, dass man an einer Lösung arbeitet, ohne konkrete zeitliche Vorgaben und Verantwortlichkeiten zu nennen.
Nur die Symptome „behandeln“
Systemische Probleme können nur gelöst werden, wenn die Ursache abgestellt ist. Ein Symptom zu behandeln, hilft meist nur kurzfristig oder gar nicht.
Keine Wirksamkeitsprüfung
Die Remediation-Maßnahmen werden umgesetzt und sogar geschult. Allerdings ist die Bewertung der Wirksamkeit häufig mangelhaft. Nehmen Sie sich dafür die nötige Zeit und wählen Sie geeignete Methoden.
Es ist unzureichend, eine fehlende Reklamation nur nachträglich zu dokumentieren. Vielmehr sollte die Organisation herausfinden, wie es dazu gekommen ist. Dabei hilft z. B. die 5-Why-Methode.
Eine mögliche Ursache ist ein fehlerhaft konfiguriertes oder gebrauchsuntaugliches Ticket-System, das zu Benutzungsfehlern führt. Möglicherweise fehlt den Anwendern die notwendige Schulung.
5. Die richtige Unterstützung finden
5.1 Wissen, wann man Unterstützung benötigt
In einigen Fällen ist es ratsam, auf externe Hilfe zuzugreifen:
- Ihr Unternehmen hat nicht die notwendigen Ressourcen, um die anstehenden Arbeiten zu bewältigen.
- Dem eigenen Team fehlt die notwendige Kompetenz, z. B. im Umgang mit Behörden.
- Es besteht Uneinigkeit, beispielsweise über die Dringlichkeit oder die Wahl der Maßnahmen, die eine externe Autorität beseitigen kann.
- Ein „Treiber“ ist gewünscht, der sicherstellt und die Verantwortung übernimmt, dass die geplanten Tätigkeiten in der geplanten Zeit erledigt werden.
5.2 Wissen, wobei Unterstützung besonders hilfreich ist
Externe Expert:innen können bei fast allen Schritten helfen:
- Verstehen der Abweichungsberichte und der gesetzlichen Anforderungen (einschließlich des Spielraums bei der Umsetzung)
- Planung des Remediation-Projekts
- Projektmanagement und Projektüberwachung
- Kommunikation mit der Behörde oder Benannten Stelle, z. B. beim Verfassen einer geeigneten Antwort auf einen Warning Letter
- Ursachenanalyse und Erarbeitung eines Maßnahmenplans
- Unterstützung bei der Umsetzung von Maßnahmen (z. B. Aufbau eines neuen Verfahrens, Validierung von Prozessen)
- Schulungen
5.3 Wissen, wie man den richtigen Partner auswählt
Bei Remediation-Projekten gibt es keine zweite Chance! Meist besteht nicht einmal die Möglichkeit, das Projekt zu verlängern. Daher ist es unerlässlich, den richtigen Partner zu finden.
Achten Sie bei der Auswahl eines Partners darauf, dass Ihr idealer Partner …
- über uneingeschränkte Expertise und praktische Erfahrung mit vielen und größeren Remediation-Projekten verfügt. Idealerweise sind diese Erfahrungen marktspezifisch.
- ein vollständiges Team mitbringt, das möglichst alle benötigten Aktivitäten übernehmen kann: Von der Überarbeitung von Verfahrensanweisungen und der klinischen Bewertung bis zur Prozessvalidierung. Je weniger externe Beteiligte, desto einfacher ist das Projekt zu managen.
- tatsächlich verfügbar ist und das Commitment abgibt, alle notwendigen Ressourcen bis zum erfolgreichen Projektabschluss bereitzustellen. Das ist bei der Kurzfristigkeit der Projekte nicht selbstverständlich.
- Erfahrung in der Kommunikation mit Behörden/Benannten Stellen hat. Dieses Know-how lässt sich nicht theoretisch aneignen, sondern entsteht durch viel Praxis.
- die Anerkennung und das Vertrauen des eigenen Teams genießt. Das ist die Voraussetzung für Transparenz, die wiederum notwendig ist, um die tatsächlichen Ursachen zu finden und zu beseitigen.
Erfahren Sie hier, wie das Johner Institut Sie bei Inspektionen und bei Remediation-Projekten unterstützen kann.
6. Fazit und Zusammenfassung
Durch Audits oder Inspektionen aufgedeckte gesetzliche Verstöße können schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Um das zu vermeiden, sind zwingend notwendig:
- ein präziser Remediation-Plan,
- eine zeitnahe und konsequente Ursachenanalyse sowie
- die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen.
Der richtige Partner wird sicherstellen, dass Ressourcen- und Kompetenzengpässe beseitigt und die tatsächlichen Ursachen beseitigt werden. So schließen Sie Ihr Remediation-Projekt zur Zufriedenheit der Behörde bzw. Benannten Stelle ab.
Damit hat die Remediation ein weiteres Ziel erreicht: eine bessere Organisation.
Das Expertenteam des Johner Instituts hat zahllose Remediation-Projekte schnell umgesetzt und immer größeres Übel abwenden können, z. B. einen Warning Letter der FDA. Dieser Erfolg beruht nicht zuletzt auf einer klugen Kommunikation mit Behörden und Benannten Stellen.
Ob Sie Hilfe beim Interpretieren eines Abweichungsberichts oder gleich ein ganzes „Räumkommando“ benötigen: Das Team des Johner Instituts steht Ihnen bei allen Tätigkeiten zur Seite oder übernimmt diese auf Wunsch vollständig.
Entscheidend ist nur, dass Sie sich schnell melden, wenn eine Inspektion oder ein Audit anstehen oder bereits zu einem suboptimalen Ergebnis geführt haben. Wenn wir innerhalb von wenigen Tagen gemeinsam beginnen, fällt es leichter, das Wunschergebnis zu erreichen: Die Behörde oder Benannte Stelle schließt den Fall erfolgreich ab.