Besonders große Medizintechnik-Hersteller nutzen das Outsourcing, um Teile der Wertschöpfungskette auszulagern. Verschaffen Sie sich in diesem Artikel einen Überblick über die Chancen und Risiken des Outsourcings und über die Besonderheiten bei Medizinprodukten.
Outsourcing: Beispiele
Zu den Beispielen für das Outsourcing zählen:
- Entwicklung eines ganzen Produkts (OEM)
- Entwicklung von Komponenten
- Sterilisation von Produkten insbesondere Verbrauchsartikeln
- Produktion von Produkten oder Komponenten (Auftragsfertiger)
- Service/Wartung von Produkten
- Transport, Lagerung von Produkten
Wenn Personal über eine externe Firma im eigenen Unternehmen beschäftigt wird, liegt meist kein Outsourcing vor, sondern eine Arbeitnehmerüberlassung.
Die Grenze zwischen verschwimmt leicht, wenn die Mitarbeiter eines Entwicklungsdienstleisters beim Kunden arbeiten und zunehmend in dessen Strukturen integriert werden. Sie sollten diese gesetzlich relevante Unterscheidung sauber treffen. Dazu später mehr.
Vorteile durch Outsourcing
Die Vorteile des Outsourcings sind offensichtlicher als die Nachteile. Zu diesen Vorteilen zählen:
- Kapazitätsengpässe beseitigen und Lastspitzen kompensieren
- Fehlende Kompetenzen „einkaufen“
- Time to market verkürzen
- Kosten sparen: Von „Leverage-Effekten“ durch die Spezialisierung des Outsourcing-Partners profitieren
- Flexibilität: Langfristige Bindung an festangestellte Mitarbeitenden minimieren.
Gefahren durch Outsourcing
Je mehr sich Firmen auf eine Rolle als reine Management-Organisation reduzieren, umso mehr sollten sie sich folgender Risiken bewusst sein:
- Kompetenzverlust:
Die Kompetenz im eigenen Unternehmen und in den Köpfen der eigenen Mitarbeitenden geht verloren. - Abhängigkeit
Damit steigt die Abhängigkeit vom Entwicklungsdienstleister. - Projektverzug, Kostenüberschreitungen
Die Hoffnung, das „Gehirn auslagern“ zu können, erweist sich fast immer als trügerisch. Verzögerte und überteuerte Projekte, gegenseitige Schuldzuweisungen sind die Konsequenz und eher die Regel als die Ausnahme. - Erhoffte Vorteile stellen sich nicht ein
Die Verantwortung für das Produkt bleibt beim Hersteller. Die Kontrolle des Prozesses ist beim Dienstleister schwieriger. In dem Maß, in dem der Hersteller diese Rolle wieder übernimmt, relativieren sich einige Vorteile durch das Outsourcing. - Regulatorische Risiken
Abhängig von der Zertifizierung des Dienstleisters kann es sein, dass der Auditor das Audit beim Hersteller auf den Outsourcing-Partner ausdehnt.
Regulatorische Überlegungen
Medizinprodukte-Recht
Verantwortung bleibt beim Hersteller
Die strafrechtliche Verantwortung ist und bleibt beim Hersteller. Er muss sicherstellen, dass seine Produkte die grundlegenden Anforderungen erfüllen. Dass diese Anforderungen eingehalten werden, muss er im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens nachweisen.
Konformitätsbewertung
Die meisten Konformitätsbewertungsverfahren setzen ein nach ISO 13485 zertifiziertes QM-System voraus. Lagert ein Hersteller von der Norm geforderte Prozesse wie Entwicklung, Dienstleistungserbringung oder Produktion ganz oder teilweise aus, müssen auch diese Prozesse den Regeln eines zertifizierten QM-Systems folgen.
Zwei Varianten
- Variante: Verfügt der Outsourcing-Partner über ein zertifiziertes QM-System, kann sich der Auditor des Herstellers auf die Prüfung seines Kollegen beim Outsourcing-Partner verlassen (muss das aber nicht) .
- Variante: Andernfalls ist der Auditor gehalten sicherzustellen, dass die Prozesse beim Outsourcing-Partner den Regeln des QM-Systems des Herstellers genügen. Damit schlägt das Audit bis zum Dienstleister durch. Auch der Hersteller selbst ist zu einem Lieferantenaudit verpflichtet.
Lieferantenbewertung
Die ISO 13485 stellt konkrete Anforderungen an die Auswahl und Bewertung von Lieferanten.
Weitere rechtliche Aspekte
Im Schadensfall ist es des dem Opfer bzw. dessen Vertretern unbenommen, auch den Entwicklungsdienstleister auf Schadensersatz zu verklagen. Ebenso kann der Hersteller seinen Outsourcing-Partner zivilrechtlich in Regress nehmen. Welche Forderungen der Hersteller geltend machen kann, sollte über entsprechende Dienst- oder Werkverträge geregelt sein.
Kriterien zur Auswahl von Outsourcing-Partnern
Wenn Sie einen Outsourcing-Dienstleister evaluieren, können Ihnen folgende Kriterien bei der Auswahl dienlich sein:
- Langfristige Verfügbarkeit der Schlüsselpersonen (Spezialisten, Manager)
- Erfahrungen mit vergleichbaren Aufträgen
- Gelebte spezifische Prozesse (müssen nicht notwendigerweise zertifiziert), die durch Dokumentation belegt sind
- Infrastruktur z.B. Räumlichkeiten, Test-Infrastruktur, Lagerkapazität, Einbruchsschutz (physisch und virtuell), Prototyping-Werkzeuge usw.
- Preis: Ob und wann der Preis ein relevantes Kriterium ist, beschreibt ein Artikel zu Einkauf und Beschaffung
Tipps zum Umgang mit Outsourcing-Partnern
Klare Regelungen
Die meisten Probleme entstehen, weil man sich nicht wirklich geeignet hat, was man voneinander erwartet. Dazu zählen insbesondere:
- Der Auftrag, das Arbeitsergebnis
Spezifizieren Sie ganz genau, worin die Arbeitsergebnisse bestehen und wie diese überprüft werden.
Wenn Sie beispielsweise die Entwicklung einer Komponente outsourcen, dann stellen Sie keine Anforderungen an diese Komponente, die der Dienstleister erfüllen muss, sondern spezifizieren Sie diese Komponente als Blackbox vollständig, am besten einschließlich der Testfälle.
Es ist ein Irrtum zu glauben, man könne diesen Schritt sich sparen oder an den Dienstleister auslagern. - Zeitpunkt
Natürlich will man nicht nur regeln, was zu tun ist, sondern auch bis wann. Auch die Frist zur Abnahme des Arbeitsergebnisses wollen Sie festlegen. - Verantwortlichkeiten
Wer die Verantwortung für ein Arbeitsergebnis hat, muss die Freiheit in der Wahl der Wege haben, dieses Arbeitsergebnis zu erbringen. Viele Hersteller neigen dazu, z.B. in die technische Umsetzung wie die Architektur reinzugrätschen.
Ebenfalls zum Thema Verantwortlichkeit gehört die Frage, wer wie haftet, wenn ein Arbeitsergebnis nicht in der spezifizierten Qualität und zum spezifizierten Zeitpunkt vorliegt. - Dokumentation
Zu den Arbeitsergebnisse zählen nicht nur Produkte oder Komponenten, sondern auch die dabei zu erstellenden Dokumente. Regeln Sie klar, welche das sind, in welcher Form und mit welchen Inhalten. Auch den Zeitpunkt des Dokumentierens gilt es zu bestimmen – nicht rückwirkend! - Verwertungsrechte
Bestimmen Sie, wem die Arbeitsergebnisse und deren Verwertung zu stehen. - Kommunikation
Regeln Sie die Ansprechpartner, die Kommunikationskanäle und Zeitpunkte. Geben Sie sich die Freiheiten, das jederzeit zu ändern. Verlangen Sie nur, dass geänderte Absprachen immer von beiden Seiten Zustimmung bedingen und schriftlich dokumentiert sein müssen.
Fairer Umgang
Eine nachhaltige Zusammenarbeit wird ohne Fairness nicht gelingen. Wir sind um Hilfe in Situationen gebeten worden, in denen
- der Dienstleister entscheidende Technologien patentieren ließ, die er im Auftrag des Herstellers entwickeln ließ. Der Vertrag war nicht eindeutig.
- der Hersteller den Dienstleister im Preis so gedrückt hatte, dass dieser nicht einmal mehr kostendeckend arbeiten konnte.
- der Hersteller den Dienstleister erst nach einem Vierteljahr bezahlte (weil das in den AGBs stand) und das auch nur teilweise. Der Outsourcing-Partner konnte die Löhne nicht mehr bezahlen.
- der Dienstleister sich jede noch so kleine, aber eben vorher nicht kommunizierte Änderung fürstlich bezahlen ließ. Der Hersteller hatte keine Wahl, als die Entwicklung nach zwei Jahren ganz abzubrechen.
Das wären unsere Tipps zu einem fairen Umgang:
- Hersteller: Keine Mitarbeiter unabgesprochen vom Dienstleister abwerben.
- Hersteller: Zeitnah und nach Arbeitsfortschritt bezahlen.
- Hersteller: Absolut präzise und vollständige Spezifikationen erstellen. Sie können sich dabei zwar vom Dienstleister unterstützen lassen. Die Verantwortung für die Spezifikation bleibt aber bei Ihnen, genauso wie die Verantwortung für die Umsetzung alleine beim Outsourcing-Partner liegt.
- Beide: Die o.g. Punkte regeln und sich daran halten.
- Beide: Probleme frühzeitig und offen kommunizieren. Eine Fehlerkultur pflegen.
- Hersteller: Zwischenergebnisse zeitnah und präzise prüfen und Rückmeldung geben.
- Outsourcing-Partner: Zunehmende Abhängigkeit des Herstellers im Lauf des Projekts nicht ausnutzen.
Sinnvoll outsourcen
Lagern Sie nur das aus,
- was Sie kurzfristig nicht leisten können,
- was für Sie langfristig keine Wertschöpfung bietet oder wettbewerbsentscheidend ist,
- was Sie notfalls nicht einfach und schnell an einen anderen Outsourcing-Partner übergeben oder wieder insourcen können,
- was Sie zumindest so gut verstanden haben, dass Sie es präzise spezifizieren und die Güte der Arbeitsergebnisse verifizieren können.
Viele Personen gefallen sich in der Rolle des „großen Managers“. Sie brüsten sich damit, viel outgesourced zu haben. Nach wenigen Jahren erkennt man dann, dass man sein Gehirn nach outgesourced hat, Kompetenzen verloren gegangen sind, die kreativen Köpfe verloren hat und die Abhängigkeit zu Externen zum existenzbedrohenden Risiko geworden sind.
Dann wird der nächste Manager gerufen, der im Zuge einer großen Restrukturierung all das wieder rückgängig machen soll.
Sie wissen nun, dass erfolgreiches Outsorucing anders geht.