Phantome in der Medizintechnik helfen, Medizinprodukte schneller und wirkungsvoller zu validieren, „zuzulassen“ und in den Märkten zu überwachen.
Dieser Artikel beschreibt, welche Organisationen besonders vom Einsatz dieser Phantome profitieren und welche Voraussetzungen sie dafür erfüllen müssen.
1. Beispiele für Phantome in der Medizintechnik
Anthropomorphe Phantome sind nachgebildete Körper, die sich wie echte menschliche Körper verhalten. Solche Phantome gibt es beispielsweise für Anschauungs- und Übungszwecke bei der Reanimation.
Anthropomorph bedeutet in diesem Kontext, dass die Phantome die menschliche Gestalt annehmen bzw. ihr ähneln.
Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz anthropomorpher Phantome in der radiologischen Bildgebung. Die Phantome verhalten sich im CT oder einem Kernspingerät (MRT) wie menschliches Gewebe verhalten, d. h., sie simulieren das Absorptionsverhalten von Röntgenstrahlen (CT) bzw. die Relaxationszeiten dieses Gewebes (MRT).
2. Vorteile von Phantomen in der Medizintechnik
Vorteil 1: Schnellere Zulassung
Phantome tragen dazu bei, die Anzahl der Probanden bzw. Patienten zu reduzieren, die die Hersteller bei klinischen Prüfungen einbeziehen müssen. Beispielsweise können die Hersteller Patienten mit seltenen Körpermaßen, Erkrankungen oder Gewebeeigenschaften, die schwer zu rekrutieren sind, durch Phantome simulieren. Zudem werden Entwicklungsschleifen beschleunigt, da Hersteller bereits frühzeitig im Entwicklungsprozess unter realistischen Bedingungen testen und validieren können.
Vorteil 2: Höhere Sicherheit der Medizinprodukte
Mit dem Einsatz von Phantomen gelingt es den Herstellern, die Leistungsfähigkeit ihrer Medizinprodukte zuverlässiger zu bestimmen sowie während und nach der Entwicklung auf standardisierte Weise zu reproduzieren.
Außerdem bieten Phantome mit definierten Eigenschaften den Nachweis einer Grundwahrheit („Ground Truth“). Hersteller können etwa Phantome mit definierten Geometrien und Pathologien erstellen und daran ihre Medizinprodukte verifizieren. So können sie gewährleisten, dass die diagnostischen Ziele bei entsprechenden Anwendern oder Patienten tatsächlich erreicht werden.
Vorteil 3: Ethische Argumente
Je weniger Patienten in klinische Prüfungen einbezogen werden müssen, desto weniger Patienten sind den damit einhergehenden Belastungen wie Strahlung oder Kontrastmittel ausgesetzt.
Daher sollten Ethikkommissionen den Einsatz von Phantomen in der Medizintechnik zumindest anregen.
Vorteil 4: Weniger Aufwände in der Post-Market Phase
Auch bei Änderungen von Medizinprodukten sind Phantome hilfreich, um z. B. Verifikationstests zu automatisieren und so leichter zu wiederholen. Insbesondere bildgebenden Verfahren sind besonders sensitiv gegenüber Änderungen; gleichzeitig sind hier regelmäßige Änderungen möglich und häufig auch gewünscht.
Durch den Einsatz von Phantomen können in der Post-Market-Phase Leistungsdaten einfach und auf standardisierte Weise erhoben werden.
Die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse hat nicht nur während der Entwicklung Relevanz. Auch während des Betriebs können Phantome in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen der dauerhaften Qualitätssicherung dienen.
3. Anerkennung von Phantomen durch Benannte Stellen und Behörden
Phantome in der Medizintechnik sind als ein Sonderfall von „Computer-based Modeling and Simulation“ (CM&S) längst etabliert. Die FDA zählt CM&S explizit als Teil ihrer regulatorischen Strategie und hat dazu ein Guidance-Dokument veröffentlicht.
Dieser Artikel zum Computer-based Modeling & Simulation stellt neben der FDA-Guidance weitere Anwendungsfälle und regulatorische Anforderungen vor, auch die in diesem Kontext wichtige Leitlinie ASME V&V 40.
Strittig ist derzeit (lediglich), ob, welche und wie viele klinische Daten die Hersteller für die klinische Bewertung zusätzlich generieren müssen, insbesondere durch klinische Prüfungen. Auch wird diskutiert, zu welchem Anteil Phantommessungen bisherige Verifizierungsaktivitäten ersetzen können.
Benannte Stellen haben sich nicht so eindeutig positioniert wie die FDA. In der Regel akzeptieren sie jedoch Messungen an Phantomen als Stand der Technik.
Phantome in der Medizintechnik lassen sich als ein Aspekt einer größeren Metaverse-Strategie verstehen, wie eine Nature-Publikation aufzeigt.
4. Funktionsweise von Phantomen in der radiologischen Bildgebung
Firmen wie die Berliner PhantomX stellen Phantome für die Medizintechnik her. Dazu drucken sie Substanzen, die mit Strahlung interagieren, auf ein Trägermaterial auf. Diese Drucke werden dann zu dreidimensionalen Körpern zusammengesetzt.
Als Basis dienen echte und synthetische Patientendaten. Damit sind die Phantome in der Lage, „echte“ Patienten genauso zu simulieren wie Patienten mit gewünschten Eigenschaften hinsichtlich der Geometrie von Körpern oder Organen sowie morphologischen Veränderungen bzw. Pathologien.
Prof. Johner klärt im Gespräch mit dem Radiologen und Inhaber der Firma PhantomX unter anderem, wie Phantome in der radiologischen Bildgebung funktionieren, welchen Nutzen sie im Kontext von Medizinprodukten bringen und welche Hersteller davon profitieren.
Diese und weitere Podcast-Episoden finden Sie auch hier.
5. Fazit und Empfehlungen
Diese Organisationen profitieren besonders
- Hersteller von Medizinprodukten profitieren vom Einsatz der Phantome (s. Kapitel 2). Das betrifft v. a.
- Hersteller von Medizinprodukten für die radiologische Bildgebung
- Hersteller, die mit radiologischen Daten arbeiten, um beispielsweise Software für die Analyse und Diagnose dieser Bilddaten zu entwickeln
- Betreiber von Medizinprodukten sollten Phantome im Betracht ziehen, um die Leistungsfähigkeit der Medizinprodukte in Hinblick auf Konstanz und Reproduzierbarkeit zu überprüfen.
Das sind die nächsten Schritte
Diesen Organisationen empfehlen wir, sich mit den Möglichkeiten zu beschäftigen, die Phantome in der Medizintechnik bieten.
Berechnen Sie den Return on Invest (ROI). Betrachten Sie dabei aber nicht nur finanzielle Aspekte, sondern auch die Auswirkung auf die regulatorische Sicherheit und Konformität sowie auf die Sicherheit der Patienten.
Die Firma PhantomX hilft, geeignete Phantome auszuwählen und zu entwickeln und die Kosten für die Anschaffung und den Einsatz dieser Phantome und damit den ROI zu berechnen.
Das Johner Institut unterstützt Hersteller bei der schnellen (Phantom-gestützten) weltweiten Zulassung von Medizinprodukten.
Hallo Herr Prof. Johner,
hierzu würde mich Ihre Meinung interessieren, ob solche Phantome Medizinprodukte sind bzw. sein sollten.
Vielen Dank
Sehr geehrter Herr Suchi,
danke für die spannende Frage!
Diese Produkte können nicht als Medizinprodukte qualifiziert werden. Eine Einstufung als Zubehör ist aber möglich.
Beste Grüße, Christian Johner