(Def.) Benannte Stellen sind staatlich „benannte“ (man spricht manchmal auch von „notifizierte“), meist privatwirtschaftliche Unternehmen, die hoheitliche Aufgaben u. a. bei der „Zulassung“ und Überwachung von Medizinprodukten übernehmen.

Inhalt

Sie finden auf dieser Seite Fachartikel zu:

  1. Aufgaben und Verantwortlichkeiten Benannter Stellen
  2. Eine Benannte Stelle finden
  3. Einfluss regulatorischer Anforderungen auf Benannte Stellen
  4. FAQ zu den Benannten Stellen
  5. Kritik an Benannten Stellen
  6. Unterstützung beim Umgang mit Benannten Stellen

1. Aufgaben und Verantwortlichkeiten

Hersteller müssen Benannte Stellen wie die TÜVs immer dann einbinden, wenn sie ein Medizinprodukt in der EU in den Markt bringen möchten, welches nicht in die niedrigste „Risikoklasse“ fällt (Klasse I).

Abhängig vom Konformitätsbewertungsverfahren, das der Hersteller wählt, bestehen die Aufgaben der Benannten Stellen darin,

  • die technische Dokumentation zu prüfen oder/und
  • jedes einzelne Produkt zu prüfen oder/und
  • ein Baumuster zu prüfen oder/und
  • ein Qualitätsmanagementsystem zu auditieren, zu zertifizieren und zu überwachen. Dazu zählen auch unangekündigte Audits.

Die Verantwortung für die Konformität der Medizinprodukte mit den gesetzlichen Vorgaben wie der Medizinprodukteverordnung (MDR) oder dem Medizinproduktedurchführungsgesetz (MPDG) verbleibt allerdings beim Hersteller.

Vorsicht!

Beachten Sie, dass viele Benannte Stellen die Hersteller vertraglich verpflichten, jede Produktänderung zu melden. Ob die Benannte Stelle dann prüft, ist eine andere Frage. Das Gesetz sieht nicht vor, dass die Hersteller nur vorbehaltlich der Ergebnisse dieser Prüfungen ihre Produkte weiterhin vermarkten dürfen, solange der Hersteller unter dem Anwendungsbereich seines Zertifikats handelt.

Allerdings müssen die Hersteller in diesem Zusammenhang den Anhang IX Absatz 2.4 der MDR beachten. Demnach müssen die Hersteller ihre Benannte Stelle über wesentliche Änderungen an ihren Produkten und dem QMS unterrichten.

Das Johner Institut hilft bei der Entscheidung, ob eine wesentliche Änderung vorliegt.

2. Eine Benannte Stellen finden

Eine Übersicht über Benannte Stellen finden Sie auf diesen Seiten:

  • ZLG (Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz
    bei Arzneimitteln und Medizinprodukten)
  • EU-Kommission: Für die MDR benannten Stellen (auch außerhalb Deutschlands)
  • Einstiegsseite für die Suche in bestimmten Ländern oder Regularien
Benannte Stellen: Die Nando-Datenbank verschafft den Überblick

Abb. 1: Screenshot der EU-Datenbank (NANDO), in der man nach Benannten Stellen für die MDR und IVDR suchen kann.

3. Einfluss regulatorischer Änderungen

a) Umstellung auf die MDR/IVDR

Alle Organisationen müssen sich für die MDR und IVDR (neu) benennen lassen. Die Folgen sind

  • ein Mangel und damit ein Engpass an Benannten Stellen und
  • als Konsequenz lange Wartezeiten und steigende Preise.
Weiterführende Informationen

Die Notified Bodies Operations Group (NBOG) hat einen Best Practice Guide veröffentlicht. Eine Übersicht über die Benennungen lieferte der Joint Assessments Progress Report.

b) Brexit

Der Brexit wird auch die in Großbritannien ansässigen Benannten Stellen betreffen. Die EU hatte dazu eine Stellungnahme veröffentlicht, und die Benannte Stelle BSI hat die Flucht nach vorn angetreten: Sie operieren künftig von den Niederlanden aus (Pressemeldung).

4. FAQ zu den Benannten Stellen

Frage 1: Haben Sie Empfehlungen zu Benannten Stellen?

Das Johner Institut arbeitet mit allen Benannten Stellen gut zusammen und wird umgekehrt von den meisten Benannten Stellen empfohlen. Weil nicht alle Benannten Stellen bei allen Themen bzw. Produktgruppen gleich geeignet sind, können wir eine gezielte Empfehlung nur aussprechen, wenn Sie uns mehr über Ihr Produkt und Ihre Firma wissen lassen (Kontaktformular).

Frage 2: Sind die Benannten Stellen unterschiedlich streng?

Inzwischen kann man diese Frage verneinen. Die Unterschiede zwischen den Auditoren einer Benannten Stelle sind oft größer als die Unterschiede zwischen den Benannten Stellen selbst.

Frage 3: Unterscheiden sich die Kosten bei den Benannten Stellen?

Ja, denn die Benannten Stellen unterliegen keiner Preisvorgabe wie z. B. Apotheken, auch wenn die Preise manchmal daran erinnern ;-).

Tipp

Holen Sie Angebote ein und vergleichen Sie diese. Wenn Sie bei der Bewertung Hilfe benötigen, dann geben Sie uns Bescheid.

Frage 4: Wann benötige ich eine Benannte Stelle?

Sie benötigen eine Benannte Stelle immer, außer bei Produkten der Klasse I. Zudem kann es notwendig sein, dass Sie ein Prüflabor einbeziehen müssen. Zwar betreiben Benannte Stellen auch Prüflabore, aber nicht alle Prüflabore sind auch Benannte Stellen.

Frage 5: Wie lange dauert es, eine Benannte Stelle zu finden?

Eine zuverlässige Antwort ist schwierig. Es sind verschiedene Zeitspannen zu unterscheiden:

  • Die Dauer, bis die Benannte Stelle auf eine Anfrage reagiert
  • Die Dauer des Antragsverfahrens, das in einen Vertrag mündet
  • Der Zeitraum, der vergeht, bis die Benannte Stelle zum Audit kommt
  • Der Zeitraum für die Prüfung der Technischen Dokumentation
  • Die Dauer, bis die Benannte Stelle das Zertifikat ausstellt
Hinweis

Es gibt Benannte Stellen, die auf Anfragen nicht oder nur nach langer Zeit reagieren. Genauso kann es aber vorkommen, dass sie schnell verfügbar sind, z. B., wenn ein Termin bei einem anderen Kunden ausgefallen ist.

Sie sollten den Audittermin nach Ihrer Planung ausrichten und nicht primär an der Verfügbarkeit einer Benannten Stelle. Lesen Sie hier mehr zum zeitlichen Ablauf.

5. Kritik an den Benannten Stellen

Die Benannten Stellen haben einen Spagat zu bewältigen:

Einerseits stehen sie untereinander im Wettbewerb und könnten dadurch versucht sein, Kunden (Medizinproduktehersteller) durch großzügige Kontrollen für sich zu gewinnen.

Andererseits unterliegen sie selbst Prüfungen durch die Behörden und müssen sicherstellen, dass keine sicherheitskritischen Produkte in Verkehr gebracht werden.

Kritikpunkt 1: Unzureichende Kapazität und Reaktionszeiten

Inzwischen prüfen die nationalen Behörden die Benannten Stellen intensiv, mit dem Ergebnis, dass eine große Zahl Benannter Stellen die Benennung zurückgezogen bzw. verloren hat. Als Folge sind die verbliebenen Benannten Stellen überlastet. Entsprechend leidet die Geschwindigkeit bei der Antwort auf Anfragen, bei der Vereinbarung von Terminen und bei der Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen.

Kritikpunkt 2: Explodierende Preise

Die Überlastung der Benannten Stellen und der fehlende Wettbewerb führen teilweise zu kundenunfreundlichem Verhalten und oft zu explodierenden Preisen.

Hinweis

Die Digitalisierung Benannter Stellen ermöglicht es, sowohl die Effizienz als auch die Effektivität Benannter Stellen substanziell zu erhöhen. Das Johner Institut unterstützt bereits Benannte Stellen bei deren digitaler Transformation.

Kritikpunkt 3: Inkonsistente und unbegründete Anforderungen

Viel Kritik wird an den Auditoren und Prüfern Technischer Dokumentationen geübt:

  • Deren Vorgaben und Anforderungen sind weder innerhalb einer Benannten Stelle noch zwischen den Benannten Stellen ausreichend homogen.
  • Viele Prüfungen beschränken sich auf formale Aspekte. Beispielsweise schreiben Prüferinnen und Prüfer Benannter Stellen Abweichungen, wenn ein erwartetes Wort nicht in einer klinischen Prüfung erscheint.
  • Zudem stellen sie Anforderungen, die sich weder durch die gesetzlichen (MDR, IVDR) noch durch die normativen Anforderungen begründen lassen. Mit Verweis auf den Stand der Technik fordern sie Konformität mit den Anforderungen der (qualitativ teilweise fragwürdigen) MDCG-Leitlinien, obwohl diese sich selbst als nicht bindend bezeichnen.

6. Unterstützung

Sind Sie unsicher, wie Sie Ihr Medizinprodukt schnell, sicher und ohne unnötige Kosten durch die ganze Zulassung bekommen? Das Team des Johner Instituts hilft gerne! Nehmen Sie Kontakt auf!

Kontakt aufnehmen


Der AI Act betrifft IVDs und Medizinprodukte, die Verfahren der künstlichen Intelligenz, insbesondere des Machine Learnings verwenden

Was der AI Act für Medizinprodukte- und IVD-Hersteller bedeutet

Die EU-KI-Verordnung (EU AI Act) ist veröffentlicht. Viele Hersteller von Medizinprodukten und IVD sowie andere Akteure im Gesundheitswesen stehen vor der großen Aufgabe, den über 140 Seiten umfassenden Gesetzestext zu verstehen und die Anforderungen zu erfüllen. Beachten Sie: Verstöße gegen den AI Act werden mit bis zu 7 % des jährlichen Umsatzes bestraft. Dieser Artikel erspart Recherchearbeit und…

Weiterlesen

Brexit: Wie Sie trotzdem Ihre Medizinprodukte in Großbritannien verkaufen können

Der Brexit wurde mit dem 01.01.2021 vollzogen. Was für manche ein Grund zum Feiern war, bedeutet für viele eine zusätzliche Last – auch für die Hersteller von Medizinprodukten. Für Hersteller ist es wichtig zu verstehen, welche regulatorischen Anforderungen sie erfüllen müssen und von welchen Übergangsfristen sie profitieren, wenn sie ihre Produkte weiterhin in Großbritannien verkaufen…

Weiterlesen

Übergangsfristen der IVDR

Bereits im Dezember 2021 hat die EU die Übergangsfristen der Verordnung 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) verlängert (Verordnung 2022/112). Im März 2023 hat die Europäische Kommission den Wegfall der „Abverkaufsfrist“ für IVD, die konform mit der Richtlinie 98/79/EG (IVDD) sind, beschlossen (Verordnung 2023/607). Im Januar 2024 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Änderung der IVDR…

Weiterlesen

SSCP – Doppelarbeit vermeiden beim „Kurzbericht über Sicherheit und klinische Leistung“

Die SSCP (“Summary of Safety and Clinical Performance”) ist nicht der einzige Bericht, den die MDR von vielen Medizinproduktehersteller einfordert. Mit dem PSUR und dem PMS-Report hat die SSCP sogar inhaltliche Überschneidungen. Die IVDR stellt mit dem SSP („Summary of Safety and Performance“) fast identische Anforderungen. Wie grenzen sich all diese Berichte voneinander ab? Wie…

Weiterlesen

AQL (Acceptable Quality Level) – Wann ist gut gut genug?

AQL steht für Acceptable Quality Level und wird manchmal mit „erlaubte Ausschussquote“ übersetzt. Das AQL bestimmt, wann ein Los an Teilen oder Produkten auf Basis einer Stichprobenprüfung zurückgewiesen bzw. akzeptiert wird. Doch regelmäßig akzeptieren Auditoren das AQL nicht mehr. Was tun? Dieser Artikel gibt Antworten. 1. Wen das Thema „AQL“ wann betrifft 1.1 Betroffene Rollen…

Weiterlesen

Medical Device Regulation MDR – Medizinprodukteverordnung (2017/745) Stand 2024

Die europäische Medical Device Regulation MDR (EU-Medizinprodukteverordnung) müssen Hersteller beachten, die Medizinprodukte in der EU in den Verkehr bringen wollen. Diese Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte, so der offizielle Titel, stellt auch Anforderungen an Benannte Stellen, Händler, Importeure und Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser.

Weiterlesen

ISO 15223-1: Medizinische Symbole und Kennzeichnungen

Die Norm ISO 15223-1 regelt die Symbole, die Hersteller zur Kennzeichnung von Medizinprodukten nutzen dürfen (bzw. müssen). Die EU-Kommission hat im Januar 2022 die EN ISO 15223-1 als einige von relativ wenigen Normen unter der MDR harmonisiert und in die Liste harmonisierter Normen aufgenommen. Das allein macht deutlich, wie relevant die Kennzeichnung mittlerweile geworden ist.…

Weiterlesen

DAkkS: Was ist dran an der Empörung zur ISO 13485?

Die DAkkS, die deutsche Akkreditierungsstelle, ist die nationale Akkreditierungsbehörde der Bundesrepublik Deutschland. In letzter Zeit machen Hersteller, Verbände und Zertifizierungsstellen Stimmung gegen die DAkkS. Sie wird als Beispiel geschmäht, wie die deutsche Bürokratie jede Innovation im Keim erstickt. Was ist dran an diesen Vorwürfen? Sind sie berechtigt? Dieser Artikel stellt die Arbeit der DAkkS vor…

Weiterlesen