Die Qualifizierung und Klassifizierung sind Einteilungen in „Klassen“, mit denen Hersteller, Benannte Stellen und Behörden die regulatorischen Anforderungen an die Medizinprodukte bestimmen.

Inhalt

Diese Seite verschafft einen Überblick und verlinkt auf relevante Fachartikel:

  1. Fachartikel zur Qualifizierung und Klassifizierung
  2. Weiterführende Artikel zu diesem Thema
  3. Unterstützung bei der Qualifizierung und Klassifizierung

1. Fachartikel zur Qualifizierung und Klassifizierung

a) Übersicht über die Einstufung in Klassen

Vorsicht!

Der Begriff „Klassifizierung“ ist bei Medizinprodukten mehrfach belegt. Zudem wird häufig von einer Klassifizierung gesprochen, wenn eine Qualifizierung gemeint ist.

Abb. 1: Die Qualifizierung und Klassifizierung von Medizinprodukten

Weiterführende Informationen

Lesen Sie hier mehr über die MDCG 2019-11 und über die Qualifizierung und Klassifizierung von Software in den verschiedenen Rechtsbereichen wie z.B. der Qualifizierung von IVD-Software.

b) Qualifizierung / Einstufung als Medizinprodukt

Die erste Einteilung, die Einstufung als Medizinprodukt (oder eben nicht), ist die Qualifizierung. Dabei wird entschieden, ob ein Produkt ein Medizinprodukt (oder ein Zubehör) ist oder nicht.

Die EU-Verordnungen MDR und IVDR qualifizieren, vergleichbar der FDA – vereinfacht ausgedrückt – alle Produkte als Medizinprodukte, die vom Hersteller dazu bestimmt sind, Krankheiten und Verletzungen von Patienten zu diagnostizieren, zu überwachen, zu lindern und zu therapieren.

Die genaue Definition findet sich in der MDR im Artikel 2, Absatz 1.

Diese Entscheidung über die Einstufung erfolgt fast immer anhand der Zweckbestimmung. Bei Software spielt laut MDCG 2019-11 auch die Funktionalität eine Rolle.

Beispiele für Medizinprodukte

Medizinprodukte sind u. a.:

  • Medizinisch-elektrische Geräte wie Röntgengeräte, CTs, Kernspingeräte, Ultraschallgeräte, elektrische Blutdruckmessgeräte
  • Chirurgische Instrumente, z. B. Skalpelle, Zangen, Pinzetten
  • Hüftimplantate
  • Viele Heil- und Hilfsmittel, z. B. Rollstühle und Verbandsmaterial
  • Einige Software-Anwendungen, wie DiGA, PDMS und RIS

Beispiele für Produkte, die nicht als Medizinprodukte zählen

Nicht als Medizinprodukt zählen u. a.:

  • Krankenhaus-Informationssysteme, die nur der Dokumentation dienen
  • Die meisten Wellness- und Fitness-Produkte
  • Arzneimittel
  • Produkte, die vom Hersteller nicht speziell für die Anwendung am Patienten in den Markt gebracht wurden, aber dafür genutzt werden können

Ein Teil dieser Qualifizierung sind auch die Einteilungen:

Sonderfall: Medizinprodukte gemäß Anhang XVI MDR

Einen Sonderfall bilden die Produkt ohne medizinische Zweckbestimmung, die dennoch den Anforderungen der MDR genügen müssen.

Beispiele sind „Schönheitslaser“ oder Produkte zur Fettabsaugung.  Welche Produkte zu diesen Sonderfälle zählen, legt die MDR im Anhang XVI fest.

Beachten Sie den Fachartikel zu den Produkten ohne medizinische Zweckbestimmung und zum Anhang XVI.

Vorsicht!

Bei vielen Produkten ist es eine wichtige strategische Entscheidung, welche Teile eines Systems der Hersteller als ein oder mehrere Medizinprodukte bzw. als Zubehör oder Nicht-Medizinprodukt in den Verkehr bringt. Das Johner Institut hilft dabei (siehe unten).

c) Klassifizierung der Medizinprodukte (Einstufung der „Risikoklassen“)

Übersicht

Die anschließende Klassifizierung dient dazu, die möglichen Konformitätsbewertungsverfahren bzw. Zulassungsverfahren zu bestimmen (s. Abb. 1).

  • Die MDR unterscheidet die Klassen I, I*, IIa, IIb und III.
  • Bei der IVDR gibt es die Unterscheidung in die Klassen A, B, C und D.
  • Die FDA unterteilt die Produkte in die Klassen I, II und III.

Nur für die Produkte der niedrigsten „Risikoklasse“ muss in Europa keine Benannte Stelle in das Konformitätsbewertungsverfahren einbezogen werden.

Risikoklassifizierung in der EU

Die EU unterscheidet bei der Einteilung in Risikoklassen auch folgende Produktklassen:

  • Medizinprodukte mit oder ohne Messfunktion
  • Medizinprodukte, das als wiederverwendbares chirurgisches Instrument zählt
  • Sterile Medizinprodukte

Produkte, die in eine dieser Klassen fallen und sonst der Klasse I zugeordnet wären, zählen zur Klasse I*.

Weiterführende Informationen

Zu besonders vielen Diskussionen führt in der EU die Regel 11 bei Medizinprodukten, die Software enthalten oder Software sind.

Weitere Hilfestellung bei der Einteilung in Risikoklassen gibt die Leitlinie MDCG 2021-24. Darin erläutern die Autoren die Klassifizierungsregeln der MDR und gehen dabei beispielsweise darauf ein, was ein implantierbares Medizinprodukt ist.

Zudem visualisiert die MDCG 2021-24 den Ablauf der Klassifizierung mit  Hilfe von Entscheidungsbäumen.

Schließlich enthält die Leitlinie Beispiele für die Einstufung der Medizinprodukte in Risikoklassen.

Vorsicht!

Die Klassifizierung der Medizinprodukte ist trotz dieser Hilfsmittel Gegenstand von Streitigkeiten zwischen Hersteller einerseits und Benannten Stellen und Behörden wie dem BfArM andererseits. Das Johner Institut unterstützt die Hersteller bei der rechtskonformen Klassifizierung und Argumentation.

c) Software-Sicherheitsklassifizierung

Schließlich gibt es noch eine Klassifizierung speziell von Software, sei es „Software as a Medical Device“ (Standalone-Software) oder Software als Teil eines Medizinprodukts:

  • Die IEC 62304 unterscheidet die Sicherheitsklassen A, B und C. Diese Klassen wirken sich auf den Umfang der zu erstellenden Dokumentation der Software aus (s. Abb. 1).
  • Hingegen bestimmen die Levels of Concerns (jetzt „Documentation Levels“) die Art der einzureichenden Dokumentation der Software.

2. Weiterführende Artikel

Viele weitere Artikel sind bei der Qualifizierung und Klassifizierung von Medizinprodukten relevant:

Übergeordnete Überlegungen zur Einteilung von Konzepten stellt der Artikel „8 Tipps für präzises Schubladendenken“ an.

3. Unterstützung bei der Qualifizierung und Klassifizierung

Haben Sie noch Fragen zur Qualifizierung oder Klassifizierung von Medizinprodukten? Dann nutzen Sie das kostenfreie Micro-Consulting.

Die Experten und Expertinnen des Johner Instituts sind darauf spezialisiert, eine regulatorische Strategie zu erarbeiten, mit der Sie als Hersteller Ihre Produkte möglichst schnell und möglichst flexibel weltweit in den Markt bringen können. Melden Sie sich gleich hier.


Der AI Act betrifft IVDs und Medizinprodukte, die Verfahren der künstlichen Intelligenz, insbesondere des Machine Learnings verwenden

Was der AI Act für Medizinprodukte- und IVD-Hersteller bedeutet

Die EU-KI-Verordnung (EU AI Act) ist veröffentlicht. Viele Hersteller von Medizinprodukten und IVD sowie andere Akteure im Gesundheitswesen stehen vor der großen Aufgabe, den über 140 Seiten umfassenden Gesetzestext zu verstehen und die Anforderungen zu erfüllen. Beachten Sie: Verstöße gegen den AI Act werden mit bis zu 7 % des jährlichen Umsatzes bestraft. Dieser Artikel erspart Recherchearbeit und…

Details

Software als Medizinprodukt – Software as Medical Device (SaMD)

Unter Software als Medizinprodukt (Software as Medical Device, SaMD) versteht man (eigenständige) Standalone-Software, die ein Medizinprodukt ist, aber nicht Teil eines solchen. Sie ist nicht zu verwechseln mit Medical Device Software im Sinne der EU. Wann müssen Sie als Hersteller Software als Medizinprodukt und wann als Medical Device Software qualifizieren? Das erfahren Sie hier – und können…

Details
Closed-Loop-Systeme (geschlossene Regelsysteme)

Closed-Loop-Systeme bei Medizinprodukten

Medizinprodukte basieren zunehmend auf Closed-Loop-Systemen. Diese „geschlossenen Regelsysteme“ finden bereits in der Medizinprodukteverordnung MDR Erwähnung. Ein Beispiel ist ein System aus einer Insulinpumpe, die von einem Gerät mit Glukosesensor gesteuert wird. Sie erfahren in diesem Artikel, was Closed-Loop-Systeme sind, wo sie in der Medizin zum Einsatz kommen und welche regulatorischen Anforderungen sie erfüllen müssen. Der…

Details
Arzneimittel, Tabletten

Arzneimittel oder (stoffliches) Medizinprodukt?

Die Einteilung, ob ein Produkt ein Arzneimittel oder ein stoffliches Medizinprodukt ist, hat weitreichende regulatorische Folgen. Diese Einteilung ist so anspruchsvoll, dass es regelmäßig Dispute mit Behörden und Benannten Stellen gibt und 2023 sogar der EuGH dazu urteilen musste. Dieser Artikel hilft Herstellern, Behörden und Benannten Stellen bei der „Qualifizierung“ eines Produkts. Er geht auf…

Details

Probenahme-Sets aus regulatorischer Sicht

Den Begriff „Probenahme-Set“ definiert weder die IVDR noch eine andere Regularie. Dennoch gibt es (indirekte) regulatorische Anforderungen, die IVD-Hersteller und medizinische Labore kennen und beachten müssen. Die Anforderungen hängen von der jeweiligen Konstellation ab. Dieser Artikel stellt fünf Konstellationen vor. Er verschafft damit Klarheit und hilft, regulatorischen Ärger zu vermeiden und regulatorische Aufwände zu minimieren.

Details

In vitro Diagnostic Medical Device Regulation (IVDR) – Verordnung über In-vitro-Diagnostika (EU 2017/746) Stand Februar 2024

Die europäische In vitro Diagnostic Medical Device Regulation (IVDR) müssen Hersteller beachten, die in der EU In-vitro-Diagnostika in den Verkehr bringen wollen. Die Verordnung (EU) 2017/746 In vitro Diagnostic Medical Device Regulation (IVDR) regelt im europäischen Markt den gesamten Lebenszyklus von in vitro diagnostischen Medizinprodukten (IVD). Die IVDR ist zeitgleich mit der Verordnung (EU) 2017/745…

Details

Auswirkungen der MDR und IVDR auf Gesundheitseinrichtungen wie Kliniken und andere Betreiber

MDR und IVDR stellen auf Hunderten Seiten Anforderungen, v. a. an die Hersteller von Medizinprodukten und IVD. Doch einige dieser Anforderungen betreffen auch die sogenannten Gesundheitseinrichtungen, also Kliniken, Krankenhäuser und medizinische Labore. Das Verständnis dieser Anforderungen hilft den Betreibern, regulatorische Probleme zu vermeiden, und den Herstellern, im Markt erfolgreich zu agieren. Denn die regulatorischen Anforderungen…

Details