Am 27.09.2019 hat die FDA das Guidance-Dokument zu den Medical Device Data Systems (MDDS) als neue Version veröffentlicht. Am 19. April 2021 hat sie die Klassifizierung dieser Produkte überarbeitet.
Dieses Dokument erläutert, wann Ihr Produkt (z. B. Ihre Software) als MDDS zählt, wann Sie sich auf eine Überwachung durch die FDA einstellen müssen und unter welchen Umständen Sie sich die Aufwände für z. B. eine Zulassung sparen können.
1. Medical Device Data Systems (MDDS)
a) Hintergrund und Einführung
Medical Device Data Systems MDDS sind vom Hersteller dazu gedacht, medizinische Informationen zu übertragen, zu speichern, zu konvertieren und anzuzeigen.
Das Konzept eines MDDS stammt von der FDA, die ein entsprechende Guidance-Dokument veröffentlicht hat.
Die europäische Rechtsprechung verwendet den Begriff nicht, hat aber regulatorisch relevante Dokumente veröffentlicht, die genau diese Produktklasse betreffen. Dazu später mehr.
b) Definition
Die FDA definierte (!) Medical Device Data Systems (MDDS) wie folgt
A medical device data system (MDDS) is a device that is intended to provide one or more of the following uses, without controlling or altering the functions or parameters of any connected medical devices:
- The electronic transfer of medical device data;
- The electronic storage of medical device data;
- The electronic conversion of medical device data from one format to another format in accordance with a preset specification; or
- The electronic display of medical device data.
An MDDS may include software, electronic or electrical hardware such as a physical communications medium (including wireless hardware), modems, interfaces, and a communications protocol. This identification does not include devices intended to be used in connection with active patient monitoring.
Mit dem Update im Jahr 2019 hat die FDA neue Begriffe eingeführt:
Non-Device-MDDS: Software functions that are solely intended to transfer, store, convert formats, and display medical device data or results.
Device-MDDS: Hardware functions that are solely intended to transfer, store, convert formats, and display medical device data or results.
Eine Definition des Begriffs MDDS fehlt. Dafür definiert die FDA die Begriffe nach eigenen Angaben anhand von Beispielen (s. u.).
Allerdings gibt es eine Definition über die Klassifizierung in Panels, die der obigen entspricht:
- The electronic transfer of medical device data;
- the electronic storage of medical device data;
- the electronic conversion of medical device data from one format to another format in accordance with a preset specification; or
- the electronic display of medical device data“
Die FDA stellte darin auch klar:
An MDDS may include software, electronic or electrical hardware such as a physical communications medium (including wireless hardware), modems, interfaces, and a communications protocol.
Weil Software allerdings gemäß „section 520(o)(1)(D) of the FD&C Act“ von den Regulierungen ausgenommen ist, hat die FDA am 19. April 2021 Änderungen beschlossen. Diese beschreibt der Abschnitt 2.a).
c) Beispiele
Non-Device-MDDS
Als Beispiele für Non-Device-MDDS nennt die FDA Produkte mit ausschließlich folgenden Funktionen:
- Übertragung von Daten medizinischen Geräte (z. B. CO2-Werte von einem Beatmungsgerät zu einem zentralen Repository). Ob die Daten für das aktive Monitoring verwendet werden, scheint teilweise irrelevant zu sein. Dazu gleich mehr.
- Software, die historische Blutdruckdaten für eine spätere Bewertung speichert
- Display, das medizinische Daten wie z. B. bereits abgespeicherte EKGs anzeigt
- Software, die Daten von Medizinprodukten einsammelt
Devices und Device-MDDS
Die FDA stellt klar, dass Alarmsysteme, die zeitkritische Monitoring-Alarme übertragen (auch wenn die Daten unverändert bleiben), nicht unter die Definition von Non-Device-MDDS fallen.
MDDS – gleich ob Non-Device-MDDS oder Device-MDSS – dürfen generell keine anderen Medizinprodukte steuern. Andernfalls fallen sie nicht unter diese Kategorie. Sie dürfen per definitionem auch keine Daten ändern.
Die Medical Image Storage Devices und Medical Image Communication Devices (aka PACS) sind explizit im 21 CFR part 892.2010 bzw. 2020 als „Devices“, d. h. als Medizinprodukte, deklariert und können damit keine Non-Device-MDDS sein.
2. Regulatorische Anforderungen an Medical Device Data Systems
a) USA
2011: Klassifizierung von III auf I
Bereits im Februar 2011 änderte die FDA die Klassifizierung dieser Geräte von Klasse III auf Klasse I. Für Klasse-I-Produkte muss man nur die „General Controls“ wie Registrierung und Labeling, aber nicht die „Special Controls“ einhalten muss, die Performanz-Standards oder eine Marktüberwachung verlangen.
2015: Enforcement Discretion
Im Jahr 2015 ging die FDA noch einen Schritt weiter und schrieb im Guidance-Dokument Medical Device Data Systems, Medical Image Storage Devices, and Medical Image Communications Devices, dass sie die Einhaltung der Regularien – also die General Controls – nicht mehr erzwingen würde. Das Gleiche gälte auch für Geräte zur Speicherung und Kommunikation von medizinischen Bilddaten (gemeint sind wohl einige PACS).
In anderen Worten: Die FDA fühlt sich für MDDS und einen Teil der PACS nicht mehr zuständig. Und wenn man gerade dabei ist:
FDA does not intend to enforce compliance with regulatory controls for a MDDS that is an in vitro device that is intended for assessing the risk of cardiovascular diseases (21 CFR 880.9(c)(4)) or for use in diabetes management (21 CFR 880.9(c)(5)).
2019: Trennung von Non-Device-MDDS und Device-MDDS
Die erneute Änderung wurde notwendig, weil der „21st Century Cures Act“ eine Überarbeitung des Food, Drug & Cosmetic Acts (FD&C) zu Folge hatte:
The term device, as defined in section 201(h), shall not include a software function that is intended — […]
(D) for transferring, storing, converting formats, or displaying clinical laboratory test or other device data and results, findings by a health care professional with respect to such data and results, general information about such findings, and general background information about such laboratory test or other device, unless such function is intended to interpret or analyze clinical laboratory test or other device data, results, and findings; […]
Für Software, die vom FD&C nicht mehr als Medizinprodukt klassifiziert wird, sieht sich die FDA als nicht mehr zuständig. Das betrifft die Non-Device-MDDS.
Von diesem Ausschluss sind allerdings physische Produkte (Hardware, Elektronik) nicht betroffen. Der überarbeitete FD&C bezieht sich nur auf Standalone-Software. Daher sieht die FDA noch drei Typen von Medizinprodukten, für die sie Einhaltung der regulatorischen Anforderungen nicht(!) erzwingt:
- Device-MDDS (siehe 21 CFR 880.6310)
- Medical image storage devices (21 CFR 892.2010)
- Medical image communications devices (21 CFR 892.2020)
Voraussetzung, für diese „Enforcement Discretion“ ist, dass die Funktionalitäten auf die Weiterleitung, Speicherung, Formatkonvertierung und Anzeige von Gerätedaten beschränkt bleiben. Dann ist in der Regel auch keine Premarket Notification (510(k)) notwendig.
Von diesen Vereinfachungen profitiert spezialisierte Hardware wie Displays für die Mammografie, Radiologie, Pathologie und Opthalmologie nicht.
Weil die Formulierung im FD&C nicht ganz leicht verständlich ist, hat die FDA im Guidance-Dokument zu den Clinical Decision Support Systems weitere Hinweise zur Klassifizierung von Software als Medizinprodukt publiziert. Lesen Sie hier mehr dazu.
2021: Teilweise Deregulierung und neue Definition
Weil Software allerdings gemäß „section 520(o)(1)(D) of the FD&C Act“ von den Regulierungen ausgenommen ist, hat die FDA am 19. April 2021 Änderungen beschlossen.
Thus, FDA is amending the regulation to state that only hardware that performs these functions remain within the definition of devices by adding the term “hardware” to the “identification” description so that the regulation (§ 880.6310(a)(1)) states that an MDDS is a “hardware device that is intended to provide one or more of the following uses . . .”.
Medical Devices; Medical Device Classification Regulations To Conform to Medical Software Provisions in the 21st Century Cures Act
In addition, FDA is amending § 880.6310(a)(2) to remove the term “software,” because the software functions described in the identification of § 880.6310(a)(2) no longer fall within the definition of a device. Further, FDA is removing the phrase “a communications protocol” from § 880.6310(a)(2), because the term “communications protocol” refers to software functions associated with the transfer of data, and this function does not fall within the definition of a device.
FDA is also amending the identification of § 880.6310(a)(2) to include the term “hardware,” such that the “identification” description states that MDDS “does not include hardware devices intended to be used in connection with active patient monitoring.”
FDA is revising this identification because hardware devices for active patient monitoring are classified under other regulations for software- and hardware-based devices, and are not included in this regulation. The identification of § 880.6310(a)(2) will be amended to include the following: “Hardware devices for active patient monitoring are classified under other regulations and are not included in this regulation.”
2022: Anpassung an den 21st Century Cures Act
Im Jahr 2022 hat die FDA das Guidance Document überarbeitet; unter anderem, um den Änderungen des „21st Century Cures Acts“ Rechnung zu tragen. Durch diese Gesetzesänderung führen viele „Software Functions“ nicht mehr dazu, dass ein Produkt als Medizinprodukt qualifiziert wird.
Art der Änderungen
Die FDA selbst bezeichnet die Änderungen zwar als klein; aber sie hat die Beispiele nennenswert überarbeitet.
Es gibt bei der Qualifizierung von Software mehrere Unterschiede im Vergleich zum MDCG-Dokument 2019-11:
- Die FDA unterscheidet drei „Klassen“:
- Medizinprodukte mit „Enforcement“
- Medizinprodukte ohne „Enforcement“
- Nicht-Medizinprodukte
- Sie unterscheidet, ob das Produkt Software oder Hardware ist.
- Für die Qualifizierung ist nicht nur die Art der Datenverarbeitung (z. B. unveränderte Weiterleitung der Daten, Datenanalyse, Formatkonvertierung) entscheidend, sondern auch der Zweck (z. B. Weiterleitung kritischer Daten versus Nicht-Monitoring-Daten).
b) MDDS in Europa
In Europa kennt man den Begriff „Medical Device Data System“ nicht. Allerdings behandelt die EU-Leitlinie MEDDEV 2.1/6 diese Geräteklasse. Gemäß dieser Leitlinie sind Produkte, die ausschließlich der Weiterleitung und Abspeicherung von Daten (unabhängig davon, ob diese von Geräten stammen), keine Medizinprodukte. Das betrifft beispielsweise sogenannte Kommunikationsserver. Lesen Sie dazu mehr hier.
c) Fazit
Sowohl Europa als auch die USA klassifizieren viele Produkte, die der simplen Datenübertragung und Datenspeicherung dienen, nicht als Medizinprodukte. Doch es gibt Unterschiede:
- Die USA unterscheiden, ob die Daten von Medizinprodukten stammen (daher Medical Device Data Systems) oder nicht. Die Europäer tun das nicht.
- Die USA unterscheiden innerhalb der Produkte Non-Device-MDDS und Device-MDDS. In Europa gibt es nur Medizinprodukte und Nicht-Medizinprodukte.
- Wenn in Europa ein Produkt ein Medizinprodukt ist, unterliegt es der Überwachung durch Behörden und ggf. Benannte Stellen. In den USA sind selbst Device-MDDS davon ausgenommen.
Wenn Sie Produkte in den USA in den Verkehr bringen, sollten Sie diese in die entsprechenden Klassen einteilen und ggf. die regulatorischen Konsequenzen ziehen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie eher von einer Deregulierung profitieren als von einer Verschärfung. Denn genau das war das Ziel des 21 Century Cures Act.
Hinweis: Eine frühere Version des Artikels konnte so verstanden werden, dass alle PACS nicht mehr unter die Definition des Begriffs Medizinprodukt fallen. Wie Herr Zanner zu Recht feststellt, wäre das nicht korrekt, da unter den „Code LLZ für PACS auch Software fällt, die Daten verändert und interpretiert (z. B. Kalkulationen anwendet, CDS, AI, …)“.
Änderungshistorie
- 2022-10-14: Im Abschnitt 2.a) Hinweise zur überarbeiteten FDA-Leitlinie ergänzt
- 2021-04-27: Abschnitt 2.a) um Hinweise zu neuer FDA-Veröffentlichung ergänzt. Im Abschnitt 1 die Definition angepasst.
Lieber Herr Prof. Johner,
Ich lese Ihre Artikel immer mit großem Interesse und halte sie für Medical Device Software als die beste Informationsquelle im deutschsprachigen Raum.
Im Artikel zu MDDS setzen Sie MDDS und PACS bezüglich der FDA Erwartungen gleich. „In anderen Worten: Die FDA fühlt sich für MDDS und PACS nichtmehr zuständig.“
Ich halte diese Einschätzung für potentiell irreführend, weil unter dem Code LLZ für PACS auch Software fällt, die Daten verändert und interpretiert (z.B. Kalkulationen anwendet, CDS, AI, ..). Ihre Einschätzung trifft für PACS Anwendungen, welche nur Bilder speichert sicherlich zu. Das Statement könnte meiner Meinung nach weniger erfahrene Kollegen zu einer Fehleinschätzung bzgl. der Notwendigkeit für eine 510(k) Submission verleiten.
Ich freue mich auf weitere Artikel von Ihnen.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Erich Zanner
Sie haben absolut Recht, lieber Herr Zanner!
Ich hatte nicht den ganzen Scope des Produkt-Codes im Kopf, als ich das schrieb! Das fixe ich!
Danke für Ihren sehr wichtigen Hinweis und Ihr Feedback, über das ich mich sehr freue!
Herzliche Grüße, Christian Johner
Hallo Christian,
Noch ein kleiner Hinweis.
Du schreibst: „Es gibt aber Ausnahmen: Die MDDS schließen physische Produkte (Hardware, Elektronik) mit ein. Hingegen bezieht sich der FD&C nur auf standalone Software.“
Allerdings gibt diese FDA Guidance Anlass zur Hoffnung, dass zukünftig alle(!) MDDS nicht mehr von der FDA als medical device klassifiziert werden: „Changes to Existing Medical Software Policies Resulting from Section 3060 of the 21st Century Cures Act – Draft Guidance for Industry and Food and Drug Administration Staff“ https://www.fda.gov/downloads/MedicalDevices/DeviceRegulationandGuidance/GuidanceDocuments/UCM587820.pdf
Auch wenn die Guidance Stand heute leider nur als Draft voliegt, findet man dort:
im Abschnitt D: „FDA does not consider the following functions to meet the definition of device under section 409 201(h) of the FD&C Act, as amended by the Cures Act: 1. Medical Device Data System (MDDS)“
Damit werden also sowohl reine Software MDDS als auch hardware-basierte MDDS zukünftig von der FDA ignoriert. Und damit wären sie ja dann auf einer Wellenlänge mit der EU (siehe MedDev 2.1/6).
Oder übersehe ich hier etwas?
Grüße: Wolfram.
Danke für die Ergänzung, lieber Wolfram! Ich teile Deine Einschätzung! Liebe Grüße, Christian
Sehr geehrter Herr Johner
Aufgrund der bereits erfolgten Kommentare scheint die MDDS von FDA etwas schwierig zu interpretieren!
Meine konkrete Situation:
Eine Brustpumpe ist in den USA ein medizinisches Produkt. Ob jetzt als aktiv oder nicht aktiv sei dahingestellt (vergl. MEDDEV 2.1/6 July 2016; Kap. 1 „Active medical device“.
Gemäss MDDS wäre nun eine App-Software, welche Daten betreffend der Pump-Session auf einem Mobile Phone sammelt und anzeigen kann, eine „stand alone“ Software, welche nicht im Fokus der FDA steht!?
Diese Daten könnten sogar über einen Webserver abgespeichert und für den Kundensupport weiter verwendet werden.
Nun, die MEDDEV 2.1/6 würde diese App als Stand alone „Software as a medical device“ definieren!? Wie steht es denn damit, wenn ich die Pumpe mit dem App Ein- oder Ausschalten kann, oder die Pump Parameter verändert werden können? Würde die FDA weiterhin die MDDS für diesen Fall nicht anwenden?
PS: Die Pump-Paramater sind anonymisiert, es werden auch keine medizinischen Diagnosen oder Therapien daraus gewonnen.
Vielen Dank für Ihr Feedback
Freundliche Grüsse
Michael Lüscher
Lieber Herr Lüscher,
ich freue mich über Ihre E-Mail und den erneuten Kontakt zu Medela!
Ich helfe sehr gerne, brauche aber von Ihnen noch etwas Handlungsleitung: Geht es um die Klassifizierung in den USA oder in Europa? Ich frage, weil Sie einerseits von der FDA und MDDS sprechen, andererseits von der MEDDEV. Sie erreichen mich auch über unser Micro-Consulting.
Wenn Sie dort kurz den relevanten Markt nennen und die Funktionalität beschreiben könnten, dann können wir sicher schnell und unbürokratisch bei der „Klassifizierung“ helfen.
Beste Grüße, Christian Johner